Veröffentlicht am 7. März 2025 - 06:00 Uhr
Neulich sass ich eingekuschelt auf dem Sofa und zog mir eine – für mich neue – Folge von «Sex and the City» rein. Sie wissen schon, die Kultserie aus den Neunzigern rund um Sarah Jessica Parker, die eine Sex-Kolumne verfasst und dabei sehr grosszügig aus dem Alltag ihrer Freunde Schreibmaterial zusammensucht.
Im Mittelpunkt steht das verwirrende Dating-Leben in New York, und praktischerweise haben die vier Freundinnen stets die passende Erklärung für das Verhalten ihrer Partner parat. Dating scheint ein einziges Strategiespiel zu sein. Ziemlich anstrengend.
Ein interessantes Konzept
Ähnliches Kopfzerbrechen kann es bereiten, über den neuesten Trendbegriff aus der Feder der Internet-User nachzudenken: «Weaponized Incompetence». Wenn es den Begriff damals schon gegeben hätte, er hätte bestimmt auch bei «Sex and the City» zum Streitthema getaugt. Dabei ist das Konzept durchaus interessant:
«Weaponized Incompetence» ist strategische Inkompetenz. Dummstellen für Schlaue, so to speak. Und das ist wohl verbreiteter, als man meinen würde – insbesondere Frauen leiden unter der resultierenden Last, wenn immer mehr Aufgaben auf sie fallen. «Schatz, du kannst das doch viel besser als ich!» ist so ein typischer, wehleidiger Satz, der das Phänomen einläutet. Unliebsames oder Langweiliges wird so rasch und – mehr oder weniger – elegant auf eine andere Person abgewälzt.
Haushalt als Strategiespiel
Besonders häufig passiert das im Haushalt: Dann bleibt das Wickeln des Babys an einem Elternteil hängen – genau wie das Schmieren der Pausenbrote oder das Einräumen des Geschirrspülers. Müsste man etwas langatmig dem Partner erklären oder ihm schlimmstenfalls hinterherräumen, dann macht man es lieber gleich selbst. Das klingt zunächst skurril, kann aber viel Anstrengung nach sich ziehen – und sogar zu einem Burn-out führen.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Haben Sie auch schon mal eine Aufgabe so richtig schmuddelig erledigt, in der Hoffnung, beim nächsten Mal nicht mehr um Hilfe gebeten zu werden? Tut mir leid, aber dann waren Sie ziemlich manipulativ unterwegs.
Doch damit sind Sie nicht allein – auch auf der Beobachter-Redaktion mimen einige die Dummen. Es stellt sich raus, dass wir das wohl ziemlich gut können. Doch genauso gibt es einiges aus den folgenden Anekdoten zu lernen.
Der private Schleppdienst
Ich verstehe mich als aufgeklärte Feministin. Aber geht es darum, schwere Dinge herumzutragen, gebe ich mich sexistischen Stereotypen hin – und überlass die Einkaufstüten oder den schweren Rucksack meinem Boyfriend.
Nicht, weil ich unter der Last zusammenbrechen würde, ich bin schliesslich nicht aus Zucker. Sondern ganz einfach, weil ich zu faul bin. Ich mag es nicht, Dinge rumzutragen. Es ist anstrengend, ich beginne zu schwitzen, es klemmt mir das Blut in den Händen ab.
Ein bisschen schäme ich mich schon dafür, die schwache Frau zu markieren. Doch dann denke ich: Frau zu sein, hat in unserer Gesellschaft wenig Vorzüge. Wenn ich schon einmal davon profitieren kann, warum nicht?
Sarah Serafini, Ressortleiterin Geschichten und Debatten, 37
Superman für zu Hause
Sich in der Welt, ja schon allein im sechsköpfigen Familienuniversum zu behaupten, ist höllisch anstrengend. Was man da alles tun und können sollte – an einem einzigen Tag:
Das Internetproblem lösen. Kalk aus dem Wasserkocher entfernen. Dem Hund das Bellen austreiben. Ein Bündel gewaschener Socken verpaaren. An die Kartonabfuhr denken. Einen Velopneu flicken. Der Aeschynanthus radicans die richtige Menge Wasser geben. Sich ein Abendmenü ausdenken, einkaufen – und so kochen, dass sich der Aufwand auch lohnt.
Und zum Abschluss folgende Matheaufgabe lösen: «Von 3600 Schülern sind zwei Drittel weiblich. Von diesen spricht ein Viertel zwei Sprachen fliessend. Drei Fünftel dieser zweisprachigen Schülerinnen gehen gern zum Sportunterricht. Wie viele zweisprachige Schülerinnen gehen gern zum Sport?»
Seien wir ehrlich: Im Leben ab und zu den Dummen zu spielen, ist nicht nur völlig legitim – es ist überlebenswichtig!
Sven Broder, stellvertretender Chefredaktor, 49
Strategie: Dummheitskarte
Das Autofahren wurde mir nicht in die Wiege gelegt. Nach 45 Fahrstunden und zwei vermasselten Prüfungen klappte es beim dritten Anlauf – trotz verlängerter Prüfungszeit und dank eines netten Experten, der mich wie einen grenzdebilen Menschen behandelt hat (wohl zu Recht).
Als routinierte Autofahrerin lernte ich später, wie man gekonnt die Dummheitskarte ausspielt: Mit einem naiven «Ups! Das wusste ich nicht! Tut mir so leid!» habe ich schon Bussen vermieden, als ich im Halteverbot oder auf dem Fussgängerstreifen rumstand und, zugegeben, absichtlich in einen Weg mit Fahrverbot einbog – der freie Parkplatz war einfach zu verlockend.
Zurück kam praktisch immer ein grummliges, aber auch etwas mitleidiges «Hmmm, beim nächsten Mal kostet das aber 120 Franken!».
Julia Gubler, Rechtsexpertin und Redaktorin, 35
Bewaffnete Inkompetenz
Schlüssigerweise ist mir nirgendwo mehr «Weaponized Incompetence» begegnet als dort, wo eh alle bewaffnet sind. Also im Militär.
In meiner Rettungssoldaten-Kompanie gabs zwei Züge: einen für die Romands und einen für uns Deutschschweizer. Selbstverständlich hassten wir einander aufs Blut. Und verlernten am Tag eins alle Fremdsprachenkenntnisse – waren plötzlich unfähig, in der Zunge des anderen mehr als «da», «das» und «nein» zu sagen.
Einmal hörte ich zufällig mit, wie ein welscher Oberleutnant in perfektem Deutsch mit seiner Freundin telefonierte. Ein paar Tage später – Nachtübung – war er natürlich wieder monolingual, als unser Zug bei ihm Reservekanister holen wollte.
Oliver Fuchs, Newsletter-Manager, 34
Schreckgespenst namens Reifenwechsel
Manchmal staune ich, was Google und ich gemeinsam alles reparieren können. Vom Staubsauger über den Fotodrucker bis zur Ölheizung – alles wird zum Laufen gebracht. Aber ein Schreckgespenst bleibt: der Radwechsel.
Ein grosses Auto mit so einem kleinen Gerät anheben, ohne dass was verbiegt oder umkippt? Und dann alles fest genug anziehen, dass man das Rad nicht verliert? Unheimlich. Ich hätte schon bei unzähligen Pannen die Chance gehabt, mich zu betätigen. Ich hatte dann aber immer dringend was anderes zu tun. Und sowieso: Ich weiss ja gar nicht genau, wie das geht.
Mein Sohn verdonnerte mich deshalb letztens zu einem Reifenwechsel-Coaching. Kaum zu glauben, das Auto ist nicht umgefallen, die Räder halten. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich bei der nächsten Panne wieder vergessen habe, wo ich den Wagenheber ansetzen muss.
Daniela Bleiker Patt, Rechtsexpertin und Redaktorin, 46
Eine bekräftigende Ferienreise
Turnen in der Schule war ein Graus. Wegen Anstrengungsasthma war ich immer die Schlechteste, und sportlich nichts zu können, setzte sich bald in mir fest. Ich hatte immer eine Ausrede, mich nicht bewegen zu müssen – bald fragte mich keiner mehr, ob ich wandern oder zügeln komme.
Geheilt hat mich irgendwann eine Reise allein nach Costa Rica. Da, wo mich niemand kannte, hat auch niemand erwartet, dass ich dies oder jenes nicht kann. Ich ging bungeejumpen, riverraften, seilklettern. Und voilà: Ich kanns.
Nach meiner Heimkehr habe ich mich zur freiwilligen Feuerwehr gemeldet – was mir vorher keiner zugetraut hätte.
Lena Berger, stellvertretende Chefredaktorin, 38
Die mysteriöse Kücheneinrichtung
Meine Lieblingsaufgabe ist es auch nicht, aber: Die befüllte Spülmaschine wartet auf die Leerung. Nach einem kleinen Motivationsschub ist es doch immer schnell erledigt. Mein Mann löst das Problem auf andere Weise: Alle Teile, von denen er nicht weiss, wohin sie gehören, platziert er auf der Küchenablage. Das geht schneller – für ihn.
Zugegeben, wir sind seit kurzem in einer neuen Küche zu Hause, die ich eingeräumt habe. Doch schon in der alten Wohnung, in der wir zwölf Jahre lebten, kam das Szenario wöchentlich vor. Immer wieder frage ich mich dann: Wie schwierig kann es sein?
Vielleicht sollte ich mich aber selbst an der Nase nehmen, denn er kommt durch damit – letztendlich packe ich die hilflos herumliegenden Sachen von der Ablage an den korrekten Platz.
Sandra Da Pra, Assistenz der Chefredaktion, 33