Freihandels-Abkommen mit Indonesien – darum gehts
Am 7. März 2021 stimmt die Schweiz über das Freihandelsabkommen mit Indonesien ab. Umstritten ist es wegen dem Import von Palmöl. Die Ausgangslage im Überblick.
Veröffentlicht am 27. Januar 2021 - 18:37 Uhr
- Worum geht es?
- Was spricht für das Abkommen?
- Warum ist das Abkommen umstritten?
- Wie viel Palmöl importiert die Schweiz denn aus Indonesien?
- Gibt es keine Auflagen für künftige Palmöl-Importe?
- Sind demnach die Umwelt- und entwicklungspolitischen Organisationen generell gegen das Freihandelsabkommen?
- Die Schweizer Bauern haben offenbar keine Angst vor mehr Palmöl-Importen. Warum hat der Bauernverband seine Meinung geändert?
Seit 2010 hat die Schweiz im Rahmen der EFTA mit Indonesien Gespräche über ein Freihandelsabkommen geführt. Mit ihm sollen beide Länder die Zölle abbauen. Der Abschluss des Vertrags Ende 2018 war ein letzter Erfolg für den abtretenden Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann.
Gegen das Abkommen hat die Bauerngewerkschaft Uniterre mit Unterstützung von verschiedenen linken, grünen und entwicklungspolitischen Organisationen das Referendum ergriffen.
Schweizer Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse und der Gewerbeverband machen sich schon seit Jahren stark für ein Freihandelsabkommen mit dem südostasiatischen Staat. Indonesien ist mit rund 270 Millionen Einwohnern das Land mit der weltweit viertgrössten Bevölkerung, und damit ein interessanter Markt für Schweizer Unternehmen.
Zudem argumentieren die Befürworterinnen und Befürworter, mit dem Abkommen werde es für Schweizer Unternehmen mehr Sicherheit bei Investitionen geben, der Schutz des geistigen Eigentums werde gestärkt und auch der Tourismus profitiere.
Interessant ist das Abkommen vor allem für Schweizer Unternehmen aus der Pharmaindustrie, der Chemiebranche und für die Metall-, Elektro- und Maschinenindustrie. Auf ihr Konto gehen die grössten Exporte nach Indonesien.
Ebenso interessiert ist die Rüstungsindustrie. Sie konnte in den vergangenen Jahren verschiedentlich Waffensysteme liefern. Allein 2020 bezahlte Indonesien rund 111 Millionen Franken für Schweizer Flugabwehrsysteme.
Mit dem Freihandelsabkommen sollen rund 98 Prozent aller Produkte aus der Schweiz in Indonesien von Einfuhrzöllen befreit werden. Die Schweizer Wirtschaft erhofft sich so Einsparungen von bis zu 25 Millionen Franken pro Jahr.
Bislang offiziell sehr wenig. Das wichtigste Herkunftsland ist Malaysia, mit dem die Schweiz ebenfalls Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen führt.
Von den rund 32'000 Tonnen Palmöl, die letztes Jahr in die Schweiz eingeführt wurden, stammten gemäss Aussenhandelsstatistik nur gerade 35 Tonnen oder gut 0,1 Prozent aus Indonesien. Im langjährigen Schnitt waren es rund 800 Tonnen pro Jahr.
Die Statistik täuscht jedoch. In Deutschland und den Niederlanden stehen grosse Fabriken, die Palmöl aus der ganzen Welt verarbeiten. Dieses zählt dann in der Statistik als «deutsches» oder «niederländisches» Palmöl.
Mit dem Freihandelsabkommen dürfte aber deutlich mehr Palmöl direkt aus Indonesien in die Schweiz gelangen. Die Zölle für den Rohstoff sinken um bis zu 40 Prozent, und die Schweiz gewährt Indonesien grosszügige Einfuhrkontingente von bis zu 12'500 Tonnen pro Jahr.
Doch, die gibt es.
Importiert werden darf nur nachhaltig produziertes, mit einem Zertifikat versehenes Palmöl. Die Gegnerinnen und Gegner des Abkommens hegen jedoch Zweifel an den Zertifizierungsstellen.
Insbesondere die vorgesehene Zertifizierungsstelle «Roundtable on Sustainable Palm Oil» (RSPO), ein Zusammenschluss von Produzenten, Verarbeitern, Händlern und Nichtregierungsorganisationen, geriet in den vergangenen Jahren verschiedentlich in die Schlagzeilen, weil sie ihre eigenen Standards sehr locker ausgelegt hatte.
- Der Palmöl-Maulkorb (Artikel vom 9.11.17)
Selbst der WWF, der den RSPO einst ins Leben gerufen hatte, räumt auf seiner Website freimütig ein, ein RSPO-Zertifikat sei «kein Öko-Label» und «kein Allheilmittel».
Die Gegnerinnen und Gegner des Freihandelsabkommens kritisieren zudem, dass die darin vereinbarten Bedingungen kaum eingehalten werden könnten. Plantagen ohne Brandrodungen, die Torfmoore und auch die indigene Bevölkerung schützten, würden in Indonesien noch gar nicht existieren.
Nein, denn der Vertrag enthält durchaus auch Aspekte, die zu Hoffnung Anlass geben.
Greenpeace etwa empfiehlt ein Nein, betont aber, dass Palmöl ein äusserst effizientes Öl sei und Alternativen dazu allenfalls noch zu wesentlich grösseren Rodungen führen könnten.
Public Eye wiederum enthält sich der Stimme. Die Organisation erklärt, die Verknüpfung von Zollkonzessionen mit Nachhaltigkeitsbedingungen sei ein «Novum in Schweizer Handelsabkommen» und berge grosses Potenzial über das Abkommen mit Indonesien hinaus.
Der Bauernverband hat in der Tat eine erstaunliche Kehrtwendung gemacht.
Noch während der Verhandlungen 2018 trommelte Bauernverbandspräsident Markus Ritter eine Koalition aus Grünen, Hilfswerken und entwicklungspolitischen Organisationen zusammen.
Sie forderten gemeinsam, Palmöl müsse von den Freihandelsabkommen mit Indonesien und Malaysia ausgenommen werden, um so die Schweizer Ölsaaten-Produktion (Raps und Sonnenblumen) zu schützen. Landwirtschaftsvertreter in den Kantonen Thurgau, Waadt und Bern lancierten gar Standesinitiativen gegen den Einbezug des Palmöls in die Verhandlungen. Im Nationalrat weibelten Bauernvertreter zudem mit Menschenrechtsverletzungen und einem hohen Einsatz von Pestiziden als Argumenten gegen den Einbezug von Palmöl in das Abkommen.
Zum Umdenken bei den Landwirten führte letztlich ein im Abkommen eingebauter Schutzmechanismus. Er erlaubt es der Schweiz, auf zu hohe Palmölimporte zu reagieren.
Der Schweizerische Bauernverband hat deshalb die Ja-Parole herausgegeben und erklärt, es gehe dabei um die eigene «Glaubwürdigkeit als Verhandlungspartner». Die beiden ursprünglichen Forderungen der Bauern – Nachhaltigkeit des importierten Palmöls und Schutz der Schweizer Ölsaaten-Produktion – seien nun im Abkommen festgeschrieben.
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5 Kommentare
Die Schweizer "Weltwirtschafts-Politik" muss endlich "ehrlich und verantwortungsbewusst" werden = klare "Gesetze für Konzern-Verantwortungs-Umsetzung"!! STOP der weltweiten Ausbeutung und Zerstörung von: NATUR und Menschen-Leben-Existenzen aus egoistischer Profitgier - Schweiz!! Dasselbe gilt für die verwerflichen "Kriegsmaterial-Blut-Geschäfte" weltweit der Schweiz!! Soviel zu Schweizer Werten: Ehrlichkeit - Redlichkeit - Humanität - Unabhängigkeit = beschämend!!
Wir kaufen Jeans,T Shirt, Kleider,Elektronik aus Bangladesch,Pakistan,Indien und China um nur einige zu nennen und nun wollen wir uns zum moralischen Retter von Natur und Umwelt in Indonesien aufspielen ? Das ist eine Farce. Nehmen wir die Ware Palmöl mal weg, bleiben beim Rest des Handels vielleicht noch Gelder für ein gesicherte Existenz für einen Teil der Bevölkerung in Indonesien. Das ist es allemal wert und nun wollen wir wegen der paar Tonnen Palmöl den Handel erschweren? Nur wer Geld verdient kann auch in umweltfreundliche Massnahmen investieren.
Wie soll die fernöstliche Palmölproduktion "nachhaltig" werden ? Ist das überhaupt möglich oder ist das nur ein Werbegag ? Wie auch immer, mein JA ist trotzdem fast sicher. Denn ob ja oder nein, es wird hierzulande nicht weniger Palmöl verkonsumiert. Ein Nein wäre also ein Eigentor. Die Lösung ist eine Palmöldeklarationspflicht auf allen entsprechenden Produkten und dann haben wir Konsumenten es in der Hand was wir kaufen. Dann sind wir in der Pflicht. Werden Palmölprodukte immer weniger verkauft, reagieren die Hersteller. Das ist die Lösung und (leider) nicht das Nein.
2020 kaufte Indonesien Schweizer Kriegsmaterial für 111 Millionen. Dies kann der Grund für dieses Abkommen sein. Die Schweiz importiert extrem wenig Palmöl. Indonesien kann also dieses Abkommen sorgenlos zeichnen, weil die wichtigen Absatzmärkte woanders sind. Richtig wäre ein generelles Importverbot für Palmöl.
Die weltweit grassierende Korruption "lohnt" sich für Despoten etc. immer. Erst wenn wasserdichte Verträge dies aushebeln können sollen solche Verträge gezeichnet werden. Ob dies grundsätzlich möglich ist weiss ich nicht. Solange in unserem Parlament wirtschaftliche Vorteile über Mensch- und Tierrecht stehen scheitert solches schon daran.