Das klingt ja schon mal nicht schlecht: 4600 Franken. So hoch seien im Durchschnitt die monatlichen Erträge ihrer selbständigen Vertriebspartner, sagt Hubertus Menke, Medienverantwortlicher der deutschen Firma Eismann, die Tiefkühlprodukte im Hausservice anbietet. Und weiter im Werbespot: «Unser in ganz Europa erfolgreich praktiziertes Konzept garantiert auch in der Schweiz jedem engagierten Eismann-Partner eine sehr gute Perspektive für ein sicheres Einkommen.»

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Für Christian Thoma und Bernd Peters klingt das wie Hohn. Die beiden waren bis vor kurzem als EVPs tätig, wie es im Firmenjargon heisst, als Eismann-Vertriebspartner. Ihr Fazit: «Trotz Arbeitstagen von zehn und mehr Stunden kommst du auf kein existenzsicherndes Einkommen.» Beide verdienten monatlich netto teilweise nur gut 2000 Franken. Sie sind bei Eismann ausgestiegen. Unter dem Strich haben sie mehrere tausend Franken verloren. Wegen Unstimmigkeiten bei der Vertragsauflösung ist ein Rechtsanwalt eingeschaltet.

Von 700 Kunden sind 300 Karteileichen

Und so sieht die Rechnung aus für jemanden, der mit Eismann ein Franchisingverhältnis eingeht: Erzielt er zum Beispiel monatlich 20'000 Franken Umsatz, werden ihm 6000 Franken brutto gutgeschrieben. Auf den ersten Blick ein ordentlicher Betrag. Doch davon bleibt unter den vom Franchisegeber diktierten Bedingungen wenig übrig. Denn wer als EVP einsteigt, übernimmt eine Erstladung Tiefkühlprodukte für 10'500 Franken und bezahlt 2600 Franken Eintrittsgebühr. Zusätzlich fallen monatliche Verpflichtungen für einen Leasing-LKW mit Raten und Servicekosten von jeweils rund 1300 Franken sowie die Franchisegebühr von sechs Prozent des Nettoumsatzes an. Für Auto- und Krankentaggeldversicherung sowie alle Sozialversicherungsbeiträge und Ferien muss jeder der selbständigen Vertriebspartner selber aufkommen. «Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben», bilanziert Bernd Peters.

Ein ehemaliger Eismann-Teamleiter erhebt schwere Vorwürfe: «Die EVPs werden mit unrealistischen Berechnungen angelockt.» Kalkuliert seien beispielsweise 700 Kunden, wovon sich dann aber 300 als Karteileichen entpuppen – also Leute, die nichts kaufen. Damit fällt jedes Budget in sich zusammen. «Nichts ist rechtsverbindlich», kritisiert der Ex-Teamleiter. So steht es auch im Franchise-Partnervertrag: «Der EVP erkennt an, dass ihm zu keinem Zeitpunkt der Vertragsverhandlung die kommerzielle Verwertbarkeit im Sinne von Rentabilität oder Gewinnzusicherung garantiert wurde.»

Eismann macht weltweit über 500 Millionen Euro Umsatz und beschäftigt in der Schweiz aktuell noch 40 Vertriebspartner. Früher waren es 150. Nach Angaben von Eismann stand der Ableger in der Schweiz bereits kurz vor der Schliessung, weil viele EVPs ihre Waren nicht mehr bezahlt hätten – bei diesem Geschäftsmodell nicht verwunderlich.

Auch Ruth Leemann* machte als Franchisenehmerin schlechte und vor allem teure Erfahrungen – mit der Viva Figurstudio AG (heute Viva Women). Leemann will anonym bleiben, weil sie mit Viva noch eine offene Rechnung hat. Ihr Beispiel steht stellvertretend für mehrere andere, die dem Beobachter vorliegen.

Leemann führte knapp drei Jahre lang ihr Fitnessstudio mit Ernährungsberatung, ehe sie den Laden trotz laufendem Fünfjahresvertrag dichtmachen musste: «Ich konnte es mir schlicht nicht mehr leisten. Meine Reserven sind aufgebraucht.» Ihren finanziellen Verlust beziffert sie auf rund 320'000 Franken. Dabei hat sie sich selbst nur rund 2400 Franken pro Monat ausbezahlt. Ruth Leemann brachte ihr Pensionskassenkapital ein – es ist weg. Die gescheiterte Franchisenehmerin macht sich Vorwürfe: «Ich wurde vorher gewarnt, liess mich aber an einem Infoabend überzeugen. Dort sagte eine Viva-Frau, dass ihr Geschäft brumme. Mittlerweile hat aber auch sie aufgegeben.»

Tatsächlich sind die Modalitäten so gestaltet, dass am Viva-System nur der Franchisegeber verdient. So wird bei Vertragsabschluss eine einmalige Lizenzzahlung von 20'000 bis 25'000 Franken fällig. Die monatliche Franchisegebühr beträgt 2000 Franken. Dazu kommt eine Werbepauschale von 1000 Franken plus die Leasingrate für die Fitnessgeräte von 2000 Franken – ebenfalls pro Monat. Zudem müssen die Studioräume gemietet werden, was an guter Lage schnell einmal mehr als 2000 Franken kostet. Weiter werden diverse Versicherungen, Unterhaltskosten und Sozialversicherungsprämien fällig. So machen die Fixkosten rasch bis zu 9000 Franken pro Monat aus – das kann nicht gutgehen.

Ruth Leemann fühlt sich über den Tisch gezogen. Mit dem Franchisegeber habe man nie auf Augenhöhe zusammengearbeitet, sagt sie. «Es gab keinen Businessplan. Letztlich bezahlten wir das Lehrgeld für eine neue, nicht etablierte Firma.» Viva war erst 2005 gegründet worden.

2009 zogen über 30 von ursprünglich 80 Studiobetreiberinnen die Reissleine und kauften sich nach längerem Hickhack für mehrere tausend Franken aus den Knebelverträgen frei. Die Dissidentinnen führen ihre Studios heute grösstenteils unter dem Markennamen Ladyform. Nach aussen wurde Stillschweigen vereinbart.

Viva Women wird mittlerweile vom Unternehmer Ruedi G. Laupper geführt. Mit harter Hand. So verwarnte er kürzlich «alle Viva-Partnerinnen, die unser System aufs Dreiste unterwandern», und forderte dazu auf, «die ewig negativen und intrigierenden Viva-Partnerinnen zu isolieren». Obwohl auf der Homepage immer noch neue Franchisenehmerinnen gesucht werden, will Laupper nun nicht mehr durch Franchising wachsen, sondern mit eigenen Studios. Dabei werden meist Studios von ehemaligen Franchisenehmerinnen zum Nulltarif übernommen. Was die Betroffenen erzürnt. «Viva bekommt den Kundenstamm, und uns bleiben die Schulden», beklagt sich eine von ihnen. Ruedi G. Laupper sieht das anders: «Misserfolg und Erfolg hängen sehr stark von der Persönlichkeit der Studioinhaberin ab. Es ist ein Fulltime-Job für eine Unternehmerin ohne zusätzliches Personal.» Laut Firmenwerbung trägt das Geschäft auch Angestellte: «Vielleicht teilen Sie Ihre Arbeitszeit sogar mit einer Freundin.»

Dass das bisherige Modell untauglich war, zeigen die nun angepassten Franchiseverträge. Die monatliche Gebühr wurde auf 1500 Franken gesenkt und die Werbepauschale gestrichen. Auch die Abonnemente für Kundinnen wurden flexibler gestaltet, nachdem sich eine fixe Jahrespauschale nicht bewährt hatte. Für Ruth Leemann und Dutzende andere Franchisenehmerinnen kommen diese Korrekturen allerdings zu spät.

Beim Schweizer Franchise-Verband (SFV) stehen weder Eismann noch Viva Women auf der Mitgliederliste. Sie umfasst 38 Namen – von A wie Abacus Nachhilfeinstitut bis Y wie Yves Rocher. SFV-Geschäftsführer Christoph Wildhaber verweist auf die Leitsätze im «Ehrenkodex» des Verbands. Dort heisst es, dass die «Werbung für die Gewinnung von Franchisenehmern ohne Zweideutigkeit und irreführende Angaben» erfolgen soll. «Wer gegen den Kodex verstösst, wird verwarnt und notfalls ausgeschlossen», sagt Wildhaber. Aber: Ausschlüsse seien selten. Sie haben auch keine juristischen Konsequenzen.

Zuerst 4500, später 30'000 Franken Miete

Gemäss Schätzungen bieten hierzulande rund 4500 Unternehmen Vertriebsmodelle mit franchiseähnlichen Strukturen an – Tendenz steigend. Die Verlockungen, auf diesem Weg ein selbständiger Unternehmer zu werden, nehmen zu. Doch längst nicht jeder Interessent ist für solche Jobs auch geeignet, weiss Verbandschef Wildhaber. Um als Franchisenehmer erfolgreich zu sein, brauche es nicht nur ein seriöses Geschäftsmodell, sondern auch entsprechende Voraussetzungen: «Sie verheiraten sich mit einem System, arbeiten meist mehr und haben weniger Ferien. Zudem müssen Sie sich auch finanziell engagieren.» Der SFV-Geschäftsführer rät zum Gespräch mit anderen Franchisenehmern – bevor ein Vertrag unterzeichnet wird. Und: Das ganze Pensionskapital sollte man nicht investieren müssen. Dass sich dabei die Bedingungen für Franchisenehmer verschlechtern können, hat Meinrad Kälin erfahren. Zehn Jahre lang war er Geschäftsführer eines Coop-Pronto-Shops mit Tankstelle. «Die ersten sechs Jahre liefen gut», sagt er. «Doch dann wurden die Konditionen angepasst: Statt einer Fixmiete für den Shop wurde ein Umsatzanteil fällig.» Zahlte Kälin ursprünglich 4500 Franken pro Monat, waren es schliesslich über 30'000. Sein Umsatz verdreifachte sich, die Miete wurde aber achtmal teurer, und die Marge schrumpfte von ursprünglich 26 auf noch sechs Prozent. «Man lässt die Geschäftsführer nicht mehr leben und saugt sie richtig aus», kritisiert Kälin.

Viel zu zahlen, aber nicht viel zu sagen

Als Meinrad Kälin ausstieg, hatte er über 30'000 Franken Schulden. Er konnte sie zurückzahlen. Andere machten Pleite, wie eine ehemalige Shop-Pächterin aus der Innerschweiz. Sie möchte anonym bleiben, denn «ich habe mich innerhalb der Familie mit 80'000 Franken verschuldet, was mich sehr belastet».

Die Coop-Pronto-Shops werden als selbständige GmbHs geführt; Dutzende davon gingen in den letzten Jahren in Konkurs. Jürg Kretzer, Mediensprecher der zuständigen Coop Mineralöl AG, stellt die Situation indes ganz anders dar: «Von wenigen Ausnahmen abgesehen, erarbeiten alle Franchisenehmer aufgrund ihrer guten betriebswirtschaftlichen Führung einen entsprechenden Gewinn.»

Wenn er wollte, könnte Kretzer exakte Zahlen nennen, denn bei Coop Pronto ist prinzipiell alles bis ins Detail vorgegeben. Die Mindestlöhne der Angestellten, die Öffnungszeiten, das Warensortiment und die Lieferanten, die Versicherungen bis zur Marge im Shop und beim Benzin. Und auch das Gehalt des Shop-Unternehmers ist festgelegt: 6500 Franken werden als Richtwert angegeben.

Dieser Lohn macht sich zwar optisch gut, bewahrt aber viele Pächter nicht davor, in die roten Zahlen zu rutschen. Da sind einmal die hohen Anfangskosten: Inventar und Erstausstattung des Shops kosten schnell 100'000 Franken. Wer Franchisenehmer wird, muss zudem 45'000 Franken für die GmbH-Gründung bezahlen. Die Coop Mineralöl AG steuert einen Minderheitsanteil von 5000 Franken bei. Dafür sichert sich Coop gemäss Statuten in der GmbH den Stichentscheid. Will heissen: Der Pächter zahlt zwar den Löwenanteil, muss sich in der Geschäftsausrichtung aber letztlich dem Franchisegeber fügen.

Viele Pronto-Pächter arbeiten 60 Stunden und mehr an sechs Tagen pro Woche. Häufig werden die Shops auch von Grossfamilien geführt, wo dann Jugendliche, Partner und Grosseltern mehr oder weniger gratis mithelfen. Ist diese Selbstausbeutung im Sinne eines sozialen Unternehmens? Die Antwort von Mediensprecher Kretzer: «Wir erfassen keine Arbeits- oder Ferienzeiten der selbständigen Shop-Unternehmer oder deren Personal, da es sich nicht um unsere Angestellten handelt.»

Was ist Franchising?

Franchising ist ein Modell der Zusammenarbeit zwischen einem Franchisegeber und einem Franchisenehmer. Der Franchisegeber stellt die Nutzung eines Geschäftskonzepts oder Vertriebssystems gegen Bezahlung zur Verfügung. Die Franchisenehmer agieren als finanziell selbständige Unternehmer, tragen dabei das volle Risiko, profitieren aber vom Know-how des Franchisegebers und einer eingeführten Marke. Bekannte Beispiele sind etwa McDonald’s oder Burger King.

Franchisenehmer haben oft ein lokal begrenztes Gebietsmonopol für das Produkt ihrer Firma, müssen aber restriktive Verträge einhalten. Es gilt ein Abnahmezwang für Maschinen und Produkte, und die laufende Franchisegebühr kann bei Umsatzschwankungen das Einkommen stark schmälern. Franchising ist keine Lizenz zum Geldverdienen: Die Fluktuationsrate ist hoch, sie liegt vielfach bei 50 und mehr Prozent.