Auf dem Dach des Briefzentrums Zürich-Mülligen hat die Post sechs Bienenkästen installiert. Eine TV-Doku über Biodiversität habe einen ihrer Mitarbeiter wachgerüttelt, hiess es in der Mitteilung diesen Frühling.

Auch die Swisscom schreibt auf ihrer Website: «Swisscom-Imker halten Honigbienen in der ganzen Schweiz. Zur Sicherung der Biodiversität.» Laut einer Mediensprecherin stellt der Konzern den Imkern seit 2016 an sechs Standorten Plätze für Bienenvölker zur Verfügung. Inzwischen seien es etwa 20 Völker.

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Und in einer Werbekampagne des Versicherers Mobiliar war im Frühling zu lesen, dass täglich 5,8 Millionen «Mobees» über 2,3 Milliarden Blüten in der Schweiz besuchen. «Verteilt auf fast 140 Standorte und betreut von ebenso vielen Imkerinnen und Imkern, setzen sich unsere Bienen für die Artenvielfalt in der Schweiz ein.»

Inzwischen sind es 258 Bienenvölker an 183 Standorten. Auf der Website schreibt die Mobiliar: «Was 2016 mit zwei Völkern am Direktionsstandort Bern begann, ist zu einem erfolgreichen schweizweiten Projekt für die Biodiversität geworden.»

Fachleute warnen

Dass Firmen Honigbienen fördern und das als Engagement für die Biodiversität verkaufen, ärgert Wildbienenfachleute. Etwa den Landschaftsarchitekten und Tierökologen André Rey. «Honigbienen sind eine starke Konkurrenz für Wildbienen», sagt er.

Das hätten diverse Studien inzwischen gezeigt. «Wenn man sie zu stark fördert, geht das auf Kosten der Wildbienen und der Biodiversität.» Ein einziges Honigbienenvolk sammelt so viel Pollen und Nektar, dass eine mittelgrosse Wildbienenart damit 30'000 Brutzellen füllen könnte.

Um für die Wildbienen zu sensibilisieren, gründete Rey 2020 den Verein IG Wilde Biene mit. Im wissenschaftlichen Beirat sind unter anderem Rainer Neumeyer, Präsident der Entomologischen Gesellschaft Zürich, und Andreas Müller.

Beide beschäftigen sich seit über 30 Jahren mit der Insektengruppe und haben auch den Bestimmungsschlüssel für Wildbienen mitverfasst. Das erste Projekt trägt den Titel «Imkerei – weniger ist mehr».

Dichtestress abbauen

André Rey sagt, der Verein stelle die Imkerei nicht grundsätzlich in Frage. Er fordert aber, dass sie – analog zu Fischerei und Jagd – bewilligungspflichtig wird und in Naturschutzgebieten keine Honigbienen mehr gehalten werden dürfen.

Ausserdem sollten ökologisch verträgliche Dichten für Honigbienen festgelegt werden. Die zunehmende Imkerei, auch in urbanen Gebieten, beobachtet André Rey mit Sorge, denn Städte wie Basel oder Zürich sind momentan noch sehr reich an Wildbienen, auch seltenen. «Statt Honigbienen zu fördern, sollten Firmen lieber in echte Biodiversitätsprojekte investieren», sagt Rey.

«Einfach ein paar Wildbienenhotels aufzustellen, reicht nicht. Nur sehr wenige Arten beziehen solche Konstrukte – und darunter kaum seltene Arten.» Wirklich etwas bewirken könne man dagegen, indem man Firmenareale naturnah gestalte, einheimische Blumen und Sträucher pflanze oder Gründächer anlege.

Honigbienen

Honigbiene

Vom Menschen gehaltene Bienenvölker können 20'000 bis 70'000 Individuen umfassen. Honigbienen sind Generalistinnen, die auf der Suche nach Pollen und Nektar ganz unterschiedliche Blüten besuchen. Wildbienen dagegen sind oft auf Pollen einer einzigen Pflanzenfamilie oder -gattung spezialisiert.

Quelle: Alamy Stock Photo

Die Swisscom wie auch die Mobiliar teilen auf Anfrage mit, man sei sich der Problematik bewusst. «Unser Ziel mit dem Bienen-Engagement ist die Sensibilisierung zum Thema Umwelt, Nachhaltigkeit und Biodiversität generell», schreibt die Swisscom. Das Unternehmen unterstütze auch Wildbienen.

So habe es an seinen Standorten und bei Mitarbeitenden bereits mehr als 100 Insektenhotels aufgestellt, weitere 100 seien geplant. Imker und Hotelbesitzer würden in Workshops zum Thema Biodiversität geschult, etwa dazu, welche Pflanzen in Gärten oder auf Balkonen Bestäuber fördern. Zudem habe man begonnen, bei Umbauten von Swisscom-Telefonzentralen wenn immer möglich Magerwiesen zu schaffen.

Auch die Mobiliar schreibt, die Förderung von Honigbienen sei ein erster Schritt. Man habe dieses Jahr 240 Wildbienen-Chalets erstellen lassen, an Anlässen Wildblumensamen verteilt, und man motiviere auch zu Massnahmen im eigenen Garten sowie auf dem Balkon.

Auf dem Direktionsgelände in Nyon sei letztes Jahr eine Fläche mit Strukturen und Nahrung für Wild- und Honigbienen geschaffen worden, die Direktion in Bern habe einen begrünten Innenhof und begrünte Dächer. Die Förderung von Biodiversitätsflächen bei allen 80 Generalagenturen sei allerdings schwierig. «Unser Ziel für 2022 ist, das Thema Lebensräume an allen Standorten noch präsenter werden zu lassen», heisst es in der Stellungnahme.

Immer weniger Wildbienenarten

Dass es um die hiesigen Wildbienen nicht gut steht, macht der erste umfassende Bericht zum Zustand der Insekten in der Schweiz deutlich, den das Forum Biodiversität der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz kürzlich publiziert hat. Dort steht, die Rote Liste der Wildbienen stehe kurz vor dem Abschluss. Das Gutachten kommt (voraussichtlich) zum Fazit, dass zwischen 40 und 45 Prozent aller 625 in der Schweiz nachgewiesenen Wildbienenarten gefährdet seien. 60 Arten sind bereits ausgestorben.

Wildbienen

DTG8E3 Osmia rufa, Red Mason Bee

Die meisten Wildbienen sind Einsiedler und bilden keine Staaten. Die Weibchen legen ihre Eier in Brutzellen, die sie zum Beispiel in lockeren Sand graben oder in Pflanzenstängeln oder Totholz anlegen. Die Zellen füllen sie mit Pollen, verschliessen sie und überlassen den Nachwuchs sich selbst.

Quelle: Alamy Stock Photo

Weniger Blüten

Wildbienenhotspots vor der Nahrungskonkurrenz durch die Honigbiene zu schützen, gehört zu den wichtigen Massnahmen, um das Artensterben zu verlangsamen: Die Konkurrenz wird grösser, weil die Honigbiene so populär ist, dass es immer mehr Bienenstöcke gibt. Gleichzeitig hat das Angebot an Blüten abgenommen.

Der Bericht empfiehlt daher, Höchstdichten für Honigbienen und Pufferzonen für verschiedene Gebiete festzulegen. Imkerei in Naturschutzgebieten wollen die Fachleute ganz unterbinden. «Wenn vom Bienensterben die Rede ist, denken viele an Honigbienen», sagt Christophe Praz, Wildbienenspezialist bei Info Fauna, dem Nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Tierarten.

«Die Honigbiene ist in der Schweiz nicht gefährdet und eines der häufigsten Insekten überhaupt. Wenn wir im Feld kartieren, sehen wir oft zehnmal mehr Honigbienen als Wildbienen.» Die Honigbienendichte sei in der Schweiz sehr hoch: 10- bis 100-mal höher, als sie ohne Eingreifen des Menschen wäre.

Praz sagt: «Ich erkläre den Leuten immer: Wenn ihr imkern wollt, um euren eigenen Honig zu haben, könnt ihr das gern tun. Wenn die Dichte an Honigbienen nicht zu hoch ist, ist das völlig in Ordnung. Bienenstöcke aufzustellen, hat aber überhaupt keine positive Auswirkung auf die Artenvielfalt. Wenn überhaupt, dann ist die Auswirkung negativ.»

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