Plastikabfälle rezyklieren? Das beruhige bloss das Gewissen, bringe der Umwelt aber wenig. Besser sei es, Kunststoffabfälle unsortiert zu verbrennen.

Zu diesem vernichtenden Urteil kommt die Studie «Kunststoff-Recycling und Verwertung», bezahlt vom Bundesamt für Umwelt (Bafu), von mehreren Kantonen und Abfallverwertern. Wenn gemischte Haushalt-Plastikabfälle rezykliert würden, entspräche das demselben Umweltnutzen, wie wenn jede Person im Haushalt jedes Jahr auf rund 30 Kilometer Autofahrt verzichte. Und das Recycling sei dreimal so teuer wie das Verbrennen in einer Kehrichtverbrennungsanlage.

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Kritik an der Bafu-Studie

Was sagen professionelle Umweltschützer und Kunststoffrecycler dazu? «Die Aussage, dass die Kosten hoch und der Umweltnutzen gering seien, ist falsch», sagt Simon Zeller von der Stiftung Praktischer Umweltschutz Schweiz. Die Studie beziffere das mögliche Einsparpotenzial mit 270'000 Tonnen CO2. «Das entspricht in etwa dem gleichen Effekt, den wir mit Alu- und Glassammeln erzielen. Und es ist deutlich mehr als bei der Weissblech- und Batteriesammlung.» Das sei alles andere als wenig. Und: «Sollen wir mit den Separatsammlungen aufhören, nur weil der Nutzen nicht gross genug ist?», fragt Zeller. 

Am meisten Mühe hat der Umweltwissenschaftler mit der Heimlichtuerei der Studien-Auftraggeber. Veröffentlicht wurde nur ein Kurzbericht. Es sei nicht möglich, Berechnungen und Methoden zu überprüfen. «Von einer Studie, die weitgehend mit Steuergeldern finanziert wurde, wäre das zu erwarten», sagt Zeller. Laut dem Bafu würden Detailinformationen Rückschlüsse auf die Datenlieferanten ermöglichen – und deshalb seien sie vertraulich.

780'000 Tonnen Kunststoffe fallen jedes Jahr als Abfall an.

80'000 Tonnen davon werden rezykliert, der Rest wird verbrannt.

«Trau keiner Studie, die du nicht selber in Auftrag gegeben hast», kommentiert Markus Tonner lapidar. Der Chef beim Kunststoffverwerter Innorecycling aus Eschlikon TG findet es bedauerlich, dass keine Umweltverbände und Recycler mitarbeiten konnten. «In früheren Studien war das jeweils der Fall. Sie kamen auch zu völlig anderen Ergebnissen.»

Für Tonner ist zudem strittig, dass das Sammeln des Kunststoffs dreimal höhere Kosten verursacht als das Verbrennen. Der Konsument habe drei Möglichkeiten, Plastik zu entsorgen: Im Detailhandel kann er bestimmte Flaschen gratis entsorgen; der Kunststoffsammelsack à 60 Liter kostet im Schnitt zwei Franken; am teuersten ist der Gebührensack, bei dem 35 Liter im Schnitt zwei Franken kosten.

Die Recycling-Bremse ist gewollt

Dass es mit dem Kunststoff-Recycling in der Schweiz nicht vorwärtsgeht, ist politisch so gewollt. Im Abfallleitbild wurde früh das Verbrennungsgebot umgesetzt. Entsprechend schwach ist die Bilanz: 780'000 Tonnen Kunststoffe fallen pro Jahr als Abfall an. 650'000 Tonnen davon werden in Kehrichtverbrennungsanlagen und 50'000 Tonnen in Zementwerken verbrannt. Nur 80'000 Tonnen werden rezykliert, die Hälfte ist PET.

Damit werden nur elf Prozent der Kunststoffe wiederverwertet. Viel mehr soll es auch nicht werden. Laut der neuen Studie liegt das Recyclingpotenzial bei gemischten Haushalt-Kunststoffen zwar bei maximal 112'000 Tonnen. Doch nicht einmal daran glaubt das Bafu: «Wir sind grundsätzlich skeptisch gegenüber solchen Sammlungen. Sie sind nur sinnvoll, wenn Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen.» Falls es technische Innovationen gebe, werde man die Situation neu beurteilen.

Deutschland geht viel weiter

Heute wird bei Sammlungen gemischter Plastikabfälle meist nur gut die Hälfte rezykliert, der Rest wird verbrannt. Das liegt an der grossen Vielfalt verschiedener Kunststoffe, die sich nur schlecht trennen lassen. Erschwerend kommt dazu, dass ein grosser Teil der Sammelware stark verschmutzt ist und mit hohem Aufwand zuerst aufbereitet werden muss.

Andere europäische Länder weisen bei Plastikabfällen aber schon heute Recyclingquoten von bis zu 45 Prozent aus – viermal mehr als die Schweiz. Die neue deutsche Verpackungsverordnung fordert, dass künftig über 60 Prozent der Plastikverpackungen wiederverwertet werden. «In der Schweiz steckt das Sammeln und Rezyklieren von Kunststoffen noch in den Kinderschuhen», sagt Kunststoffverwerter Tonner. Nach seiner Schätzung liessen sich schon heute über 200'000 Tonnen Plastikabfälle sinnvoll rezyklieren.

«Das Kunststoffsammeln und -rezyklieren steckt in der Schweiz noch in den Kinderschuhen.»


Markus Tonner, Innorecycling

Das würde auch die Kosten drücken. «Erst wenn genügend grosse Mengen an Wertstoffen gesammelt werden, lohnt es sich, eigene hocheffiziente Sortieranlagen zu bauen», sagt Umweltschützer Zeller. Der heutige Flickenteppich aus diversen Kunststoff-Sammelsystemen führe zu Verwirrung – und zu problematischen Autofahrten rezyklierwilliger Konsumenten, wenn die eigene Gemeinde keine Kunststoffsammlung anbiete.

Bei der Entsorgung von Siedlungsabfällen haben Kantone und Gemeinden das Monopol. Sie entscheiden letztlich, ob neue Sammelsysteme für Kunststoff aus Haushalten eingeführt werden. Der Gesetzgeber hält sich mit Vorgaben zurück, wie das Beispiel der Landwirtschaftsfolien zeigt. Die neue Abfallverordnung sah ursprünglich vor, dass diese Folien wiederverwertet werden müssen. Doch auf Druck der Kehrichtverbrenner wurde der Artikel ersatzlos aus dem Gesetz gestrichen.

Verbrennen ist ineffizient 

Das passe zur Strategie der Kehrichtverbrennungsanlagen, heisst es beim Verein Kunststoffrecycling Schweiz. Dabei hätten die meisten Anlagen einen schlechten Wirkungsgrad, produzierten Treibhausgase und Schlacken und vernichteten Ressourcen.

Tatsächlich besteht über die Hälfte des Abfalls aus Wertstoffen wie Kompost, Papier, Karton und Kunststoffen. Und auch der Vorwurf, die Energieeffizienz sei tief, ist richtig. Nur zwei von 30 Kehrichtverbrennungsanlagen erreichen einen Wärmenutzungsgrad von über 60 Prozent. Der Durchschnitt liegt bei mageren 26,7 Prozent. Bei der Stromnutzung ist er mit 17,2 Prozent noch tiefer.

Wäre es da nicht besser, veraltete Kehrichtverbrennungsanlagen stillzulegen und im Gegenzug mehr zu rezyklieren? Die Antwort des Bundesamts für Umwelt: «Grundsätzlich soll Recycling die Umwelt weniger belasten als die Entsorgung des gebrauchten Guts und die Produktion eines neuen Produkts zusammen.» 

Zuständig für Verwertung und Entsorgung seien aber die Kantone und Gemeinden. Sie müssten über neue Kunststoffsammlungen und die Kapazitäten der Kehrichtverbrennungsanlagen entscheiden.

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Tina Berg, Redaktorin
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