Ich bin dann mal weg
Eine Auszeit – oder vornehmer: ein Sabbatical – ist mehr als nur eine mehrmonatige Pause im Berufsleben. Wenn Angestellte Energie tanken, sich neu definieren, profitiert auch die Firma.
Veröffentlicht am 7. November 2011 - 10:18 Uhr
Da stand sie also vor ihrem Chef. Bereit, nach fünf Jahren ihren Job als Redaktionsleiterin beim «Züritipp» hinzuschmeissen. Es war Zeit. Susanna Häberlin wollte eine Veränderung. Zurück an die Uni. Wieder einmal nehmen statt nur geben. Eine andere Möglichkeit, als ihren Job aufzugeben, sah sie nicht.
Ein Sabbatical einzuschalten, daran hätte sie nie gedacht. Ihr Arbeitgeber schon. Dieser bot ihr an, sie für ein Jahr vom Tagesgeschäft freizustellen. Um den Anschluss nicht zu verlieren, sollte sie weiterhin einige Aufgaben erledigen, was 20 Stellenprozente ausmachte. «Das war das Highlight meiner Karriere. Es tat gut zu hören: ‹Nein, geh nicht›», sagt Häberlin.
Weg vom Alltag, etwas Neues erleben, davon träumen viele. Die wenigsten trauen sich allerdings, es durchzuziehen. Zu gross ist die Angst, die Karriere zu gefährden. Diese Angst ist unnötig. Arbeitspsychologen empfehlen alle fünf bis sieben Jahre eine Auszeit vom Job, um Erfahrungen zu sammeln, sich vom Alltag zu erholen und anschliessend motiviert zurückzukehren.
Viele Unternehmen sind mittlerweile offen für eine Auszeit. In der Schweiz können zwar bestenfalls Angestellte von Grossunternehmen oder Berufsgruppen wie Pfarrer, Lehrer oder Richter auf vertragliche Grundlagen oder interne Leitlinien für Sabbaticals zurückgreifen, mit ein wenig Verhandlungsgeschick ist eine Auszeit aber überraschend häufig möglich.
Susanna Häberlin musste nicht verhandeln: «Ich bekam ungefragt ‹de Föifer und s Weggli›.» Im September 2002 war es so weit. Sie ging nicht mehr zur Arbeit, sondern an die Universität Freiburg, um während zwei Semestern ein Nachdiplomstudium zur Wirtschaftsinformatikerin zu absolvieren. «Es war mir wichtig, etwas völlig Neues auszuprobieren. Ausserdem hoffte ich, dass mir dieses zusätzliche Wissen neue Türen öffnet», erklärt die Germanistin. Doch es war nicht nur Zeit, Neues zu lernen, es war auch Zeit, sich wieder einmal etwas zu gönnen. Die Zürcherin leistete sich das Erste-Klasse-Generalabonnement, um nicht in vollen Abteils nach Freiburg pendeln zu müssen. Am Vorabend der Uni übernachtete sie ausserdem jeweils im Hotel. An den Wochenenden machte sie regelmässig Ausflüge. Zudem nahm sie sich Zeit für ihre Freunde und Familie. Immer am Mittwoch kochte sie für ihre Nichte das Mittagessen und hütete sie den Nachmittag über. Endlich konnte sie sich wieder Zeit für ein Treffen mit ihren Eltern nehmen oder Freunde zum Essen einladen. «Es war toll, so viel Zeit zu haben. In den Jahren zuvor hatte ich meine sozialen Kontakte total vernachlässigt, nun konnte ich alles nachholen», erzählt Häberlin.
Damit ein Sabbatical zum Erfolg wird, braucht es jedoch eine gute Planung. Sich einfach ins Abenteuer zu stürzen überfordert viele. Man sollte sich früh überlegen, wie man die arbeitsfreie Zeit nutzen will. Auch die Finanzierung des Time-outs ist ein Thema, das man früh genug angehen sollte. Da Arbeitnehmer grundsätzlich kein Anrecht auf ein Sabbatical haben, hängt es von ihnen sowie vom Entgegenkommen des Arbeitgebers ab, wie der Rahmen der Auszeit festgelegt werden kann.
Auch die verschiedenen Arbeitsmodelle im Vorfeld eines Sabbaticals sollten angesprochen werden. Neben unbezahlten Ferien bieten sich unterschiedliche Zeitsparmodelle an. Eventuell können Überstunden oder nicht bezogene Ferientage gesammelt und schliesslich dem Sabbatical angerechnet werden. In manchen Firmen ist es zudem möglich, statt Weihnachtsgeld Ferientage zu beziehen, die dann wiederum dem Zeitsparkonto gutgeschrieben werden können.
Auch mehrere Jahre 100 Prozent zu arbeiten, sich aber nur einen reduzierten Betrag ausbezahlen zu lassen, kann eine Variante sein, um während der Auszeit besser über die Runden zu kommen.
Um möglichst gute Konditionen aushandeln zu können, ist es hilfreich, den Gewinn für das Unternehmen hervorzuheben. Wer also die Zeit nutzen will, um ein Studium zu absolvieren oder eine Sprache zu erlernen, sollte im Gespräch mit dem Chef unbedingt betonen, dass eine solche Weiterbildung auch einen positiven Effekt auf die künftige Arbeit hat.
Es dauerte neun Monate, bis Susanna Häberlin behaupten konnte, wieder einmal richtig entspannt zu sein. «Ich war davor wirklich ausgebrannt. Es ging lange, bis ich dieses Gefühl losgeworden bin», erklärt sie. Mittlerweile ist ihr Sabbatical neun Jahre her. So wie vor ihrer Auszeit fühlte sich die 47-Jährige bis heute nie mehr. Das kommt allerdings nicht von ungefähr. Susanna Häberlin hat ihr Leben nach dem Sabbatical umgekrempelt. Sie arbeitet heute nur noch 80 Prozent, nimmt sich mehr Zeit für sich selbst, engagiert sich zwar immer noch stark für ihren Job, allerdings nicht mehr rund um die Uhr. Wieder einmal ein Time-out vom Berufsleben zu nehmen, dagegen hätte sie nichts. Doch sie braucht die Auszeit nicht wirklich, denn sie hat gelernt, jedes ihrer Drei-Tage-Wochenenden als kurze Verschnaufpause zu nutzen.
Was bei einem Sabbatical zu beachten ist
- Planen Sie die Auszeit etwa ein Jahr im Voraus.
- Erkundigen Sie sich frühzeitig, welche Sabbatical-Modelle die Firma anbietet.
- Wer weiterhin in der Schweiz wohnhaft bleibt, muss trotz Auszeit unter Umständen Beiträge für die AHV und die IV entrichten. Detaillierte Informationen liefert die zuständige Ausgleichskasse.
- Ob Sie während des Sabbaticals bei der Pensionskasse weiter versichert bleiben können oder gar müssen, ergibt sich grundsätzlich aus dem Pensionskassenreglement. Wenden Sie sich an die dafür zuständige Person bei Ihrer Firma.
- Bei der Unfallversicherung bleiben Sie noch während 30 Tagen weiterversichert. Darüber hinaus können Sie den Versicherungsschutz mit einer sogenannten Abredeversicherung um maximal weitere 180 Tage verlängern.
- Hat Ihr Arbeitgeber eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, sollten Sie direkt mit dieser Versicherung klären, ob und wie Sie während des Sabbaticals versichert sind.
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