Altersdiskriminierung: Der neue Sexismus?
Der Verein Swiss Diversity hat kürzlich eine Veranstaltung zum Thema «Diskriminierung aufgrund des Alters» organisiert. In der Arbeitswelt ist das Problem weit verbreitet.
Veröffentlicht am 28. März 2023 - 17:44 Uhr
Ines Hartmann, Sie haben als Betriebswirtschafterin an der Universität St. Gallen die Altersdiversität in Schweizer Unternehmen untersucht. Ist Altersdiskriminierung der neue Sexismus, wie dies am Forum von Swiss Diversity gesagt wurde?
Ines Hartmann: Ich würde die beiden Diskriminierungen nicht gegeneinander ausspielen. Das Alter ist aber ein sehr relevantes Thema, das uns alle angeht, auch wegen der gesellschaftlichen und demografischen Veränderungen. Es gibt Nachteile für ältere Menschen im Arbeitsmarkt, das ist nicht wegzudiskutieren.
Welche Auffälligkeiten haben Sie bei Ihren Untersuchungen festgestellt?
Sehr auffällig ist, dass gerade im Kader viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über 50 Jahre alt sind und nur wenige unter 30, insbesondere bei den Männern. Bei Nicht-Kader-Positionen ist die Altersverteilung eine Pyramide, bei Kaderstellen hingegen umgekehrt. Das bedeutet, dass in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren viele Kaderstellen neu besetzt werden müssen. Gut ein Drittel bei den Männern und gut ein Fünftel bei den Frauen.
Eine Chance?
Beides, Chance und Risiko. Ein Risiko, weil viele erfahrene Leute die Stellen verlassen werden. Da geht viel Wissen verloren. Gerade beim momentanen Fachkräftemangel ist das ein grosses Problem. Aber natürlich auch eine Chance für jüngere Leute und Frauen, ins Kader aufzusteigen. Je vielfältiger ein Kader aufgestellt ist, desto besser.
Wollen Firmen überhaupt noch Ü-50-Menschen einstellen?
Die Wirtschaft ist angewiesen auf Fachleute und darf sie nicht vergraulen. Es müsste mit 50-Jährigen Standortgespräche geben, wie heute mit 35-Jährigen. Manche wollen mit 50 plus Verantwortung abgeben, andere nicht. Einige wollen andere Rollen übernehmen oder sich horizontal neu orientieren, andere wollen vielleicht erstmals in eine Führungsposition aufsteigen. Dem muss Rechnung getragen werden. Meist redet man heute mit 50-Jährigen über den Ausstieg aus der Arbeitswelt, dabei müssen sie noch 15 Jahre arbeiten. Man geht automatisch davon aus, dass sich die Leute frühpensionieren lassen möchten. Diesen Ausstieg können sich die Firmen nicht mehr leisten, die Leute müssen wieder länger arbeiten, und sie müssen gehalten werden können. Die Wirtschaft braucht das Fachwissen, Mitarbeitenden ab 45 müssen mehr Möglichkeiten geboten werden.
Es halten sich hartnäckig Vorurteile wie «Junge sind innovativ» oder «Junge sind schnell». Ihr Kommentar?
Es ist erwiesen, dass die Kreativität steigt, je unterschiedlicher die Leute sind, je diverser Teams zusammengestellt sind. In jeder Hinsicht, also auch altersmässig. Sobald in Gruppen wie «die Jungen» und «die Alten» gedacht wird, stecken Stereotype dahinter, die nie förderlich sind.
Was kann dagegen unternommen werden?
Zum Beispiel kann man bei Rekrutierungen die demografischen Angaben zuerst weglassen, also altersunabhängig rekrutieren. Vielleicht ist der 55-Jährige viel fitter mit Social-Media-Tools als die 30-Jährige.
Frauen sind besonders von Altersanfeindungen betroffen. Auch von Altersarmut. Gibt es einen Zusammenhang?
Viele Frauen arbeiten zwischen 31 und 40 Teilzeit, weil sie dann Kinder kriegen und oft die Hauptbetreuungsarbeit leisten. Genau in diese Alterskategorie fällt aber etwa die Hälfte der Beförderungen. Frauen verdienen in diesem Alter also weniger, weil sie Teilzeit arbeiten, und zudem haben sie schlechtere Aufstiegschancen. Das führt später auch zum Pension-Gap, also der Lücke in der Pensionskasse.
US-Sängerin Madonna sagte kürzlich, Altersdiskriminierung sei ein Phänomen, das die Welt vergifte.
Es wird oft gesagt: Männer altern in Würde, Frauen nicht. Auch das ein Stereotyp, das dringend revidiert werden muss. Madonna konterte die Hass-Postings aber souverän, indem sie sagte, sie würde sich weder für ihr Aussehen noch ihre künstlerische Arbeit je entschuldigen.
7 Kommentare
Ich stelle fest, früher gab es für Senioren Preisreduktion. Erstaunlich ist, dass eine alte Person keine Reduktion auf ihr Einzelbillet bekommt, wenn sie nur die AHV hat! Der Tarifverband Nordwestschweiz benachteiligt die Armen! Ich wollte zur Notfall mit dem ÖV fahren, muss aber 10.— bezahlen. 10.— für eine Tageskarte für eine Pensionärin ist ein grosser Batzen bei einem monatlichen Einkommen von 1500.- während ein Berufstätiger einen Lohn zwischen 4000 bis 40‘000 verdient!
Geht man so mit Menschen um, die unser Land aufgebaut haben? Die den Baby Boomers all ihren Reichtum ermöglicht haben. Viele Alten haben nur die AHV!
Pfui BVB!
Pfui TNW!!!
Jetzt wisst Ihr warum Eure Kasse nicht stimmt! Ihr ehrt die Alten nicht, wie es die judeo-christliche Ethik seit 2000 fordert: Ehre Vater und Mutter, damit du lange lebst! 5. Gebot!
"Die Wirtschaft braucht das Fachwissen, Mitarbeitenden ab 45 müssen mehr Möglichkeiten geboten werden." -- Die Botschaft hör' ich wohl. Allein mir fehlt als Ü50 der Glaube. Die Realität, Frau Hartmann, so wie ich sie erlebe, ist eine GANZ andere.
Als die "Aussortierung" der Ü50 begann, machten viele Firmen diesen Fehler, dass jetzt Fachpersonal u. Fachwissen verloren gegangen ist. Vorallem das Fachwissen konnten die Ü50 den Jungen beibringen u. auch über Ihre Erfahrungen sprechen. Das ganze Wertvolle ist von den eigenen Firmen, Betriebe u.s.w. verursacht worden. Jetzt da sie das Desaster sehen, wollen sich die CEO's Ihre Fehler nicht eingestehen. Nur beim Jammern sind Sie Weltmeister. Wie heisst es doch so schön: Wer Anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein! Dies sagt schon alles aus !!!!!
Super 🤩 Text 👍🫡
Genau das ist auch ein Wort aus der judeo-jüdischen Ethik!
Altersdiskrimination ist ein Verstoss gegen das 5. Gebot: Ehre Vater und Mutter, auf dass du lange lebst! Im Klartext: jede Firma, die Alte diskriminiert. Wird im Konkursregister auftreten.
Bei den letzten Entlassungswellen in der IT Branche wurden vor allem Schweizer und Ü50 entlassen.
In Deutschland und Frankreich sind Arbeitnehmer besser geschützt und dass sollte generell geändert oder angepasst werden z.b. und vor allem durch Schutzmassnahmen für ältere Arbeitnehmer. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bedeutet nämlich sonst schnell länger Arbeitslos.
Wie egal wir der Politik allerdings sind, haben wir bei der Abstimmung über die Frauenrente ja gerade erleben dürfen. Dass darf in Zukunft nicht wieder passieren und es ist ein Handeln notwendig!
Richtig!!! Aber sich selber den Lohn vergrössern, das ist eine Heldentat unserer Politiker.