Wer beim Basler Pharmakonzern Roche eine Ausbildung machen will, muss sich bereits bei der Eignungsprüfung auf Drogenkonsum testen lassen. Jeder Stift muss sich zudem damit einverstanden erklären, sich zweimal jährlich einer Stichprobenkontrolle zu unterziehen.

Wer des Konsums von harten Drogen wie Heroin oder Kokain überführt wird, kann gleich das Pult räumen. Finden sich Cannabis-Rückstände im Urin, bietet der Lehrbetrieb ein «Hilfsprogramm» an, in dem sich der Auszubildende mit seiner «Sucht» befassen muss. Zudem werden alle zwei Wochen Urintests gemacht. Sind sie wiederum positiv, kann das Unternehmen den Vertrag auflösen.

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Roche ist keineswegs die einzige Schweizer Firma, die ihre Lehrlinge zum Drogentest zwingt. Auch die Post und der Technologiekonzern Ascom lassen ihre Stifte zum Urintest antanzen. Der Zürcher Autohändler Walter Frey hat damit in seiner Firma so gute Erfahrungen gemacht, dass er eine Ausweitung der Tests auf die gesamte Belegschaft diskutiert.

Doch solch flächendekkende und regelmässige Drogenkontrollen sind heikel. Laut Kosmas Tsiraktsopoulos, Sprecher des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, überschreitet eine Firma damit «eindeutig die Grenzen der Verhältnismässigkeit». Auch Peter Sigerist, Jugend- und Berufsbildungssekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, tut sich schwer mit den «Pipi»-Tests. Für ihn stehen sie «in krassem Widerspruch zur gern geäusserten Forderung der Arbeitgeber nach selbständigen und eigenverantwortlichen Beschäftigten».

Umstrittene Urintests
Datenschützer wie Gewerkschafter sehen auch den im Obligationenrecht festgeschriebenen Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmer verletzt.

Doch etwas dagegen zu unternehmen ist schwierig. Zumal es durchaus Juristen gibt, die die Massnahme für statthaft halten. Jean-Fritz Stöckli, Professor für Arbeitsrecht an der Uni Basel, findet Drogentests mit Einwilligung der Betroffenen grundsätzlich gerechtfertigt - wegen des Sicherheitsrisikos am Arbeitsplatz.

Dabei halten die Urintests einer genaueren Prüfung kaum stand. Sie sprechen nicht nur auf tatsächlich gerauchte Joints oder Opiumpfeifen an, sondern auch auf Hanfbier, Hanföl, Hustensirup oder Mohnbrötchen. Wer sich gegen Sanktionen des Chefs wehren will, behauptet also einfach, er habe eines dieser (legalen) Produkte konsumiert.

Drogentests sind aber längst nicht der einzige Eingriff in die Privatsphäre, den sich die Arbeitgeber erlauben. Immer beliebter wird die Kontrolle der Beschäftigten durch Videokameras - auch dort, wo es aus Sicherheitsgründen nicht nötig ist. Daneben machen Langzeitaufzeichnungsgeräte, Bewegungsmelder und Akustikschalter den Chef vollends zum Big Brother.

Zudem erlaubt heute jede bessere Telefonzentrale die Registrierung aller ein- und ausgehenden Anrufe samt Teilnehmernummern, Dauer und Kosten jedes Gesprächs. Häufig ist auch das Abhören der Gespräche möglich.

Wer an einem PC mit Internetzugang arbeitet, muss wissen, dass seine Surf-Touren leicht nachzuvollziehen sind. In acht Prozent aller Betriebe weltweit, so eine Studie der Society for Human Resource Management, werden gar die E-Mails der Mitarbeiter überwacht. Immerhin: In der Schweiz ist das Öffnen privater E-Mails wie auch das Aufzeichnen privater Telefongespräche verboten.

Hans Ueli Schürer, Autor eines Ratgebers zum Thema Datenschutz im Arbeitsrecht: «Uberwachung am Arbeitsplatz ist nur zulässig, wo sie der Sicherheit dient. Wenn sie einzig der Kontrolle des Personals dient, ist sie in jedem Fall unrechtmässig.»

Allzu private Fragen
Zwar gehen die Unternehmen hierzulande noch nicht so weit wie Siemens in Mexiko: Der Elektronikkonzern lässt sich von neuen Mitarbeiterinnen befleckte Monatsbinden vorweisen - als Absicherung gegen unerwünschte Schwangerschaften. Aber Fragen zur Familienplanung und eventuell leistungsmindernden Hobbys sind auch hier üblich.

«Bei einem Bewerbungsgespräch», sagt Datenschützer Tsiraktsopoulos, «müssen nur Fragen beantwortet werden, die in direktem Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz und der zu leistenden Arbeit stehen. Auf Fragen, die damit nichts zu tun haben, darf man mit einer Lüge antworten.»

Doch Klagen der Arbeitnehmer sind in der Schweiz äusserst selten, obwohl der Gang vor das Arbeitsgericht nichts kostet. Rechtsberater Schürer: «In der Schweiz kann man aufmüpfigen Angestellten eben immer noch viel zu leicht kündigen.»

Und Kosmas Tsiraktsopoulos macht sich wenig Hoffnungen, dass sich das für die Schweizer Arbeitnehmerschaft schon bald ändern wird: «Das wäre bei der gegenwärtigen konjunkturellen Lage schlicht illusorisch.»

Das sind die Rechte der Arbeitnehmer

Bei der Bewerbung

  • Der Arbeitgeber darf nur Angaben verlangen, die er zur Eignungsabklärung für die angebotene Stelle benötigt.
  • Allgemeine Fragen nach Vorstrafen sind unzulässig. Ein Buchhalter darf nur nach Vermögensdelikten, ein Chauffeur nach Verkehrsdelikten befragt werden.
  • Fragen nach dem Einkommen, einer allfälligen Verschuldung und insbesondere einer Schwangerschaft sind nur erlaubt, wenn das Arbeitsverhältnis dies aus besonderen Gründen erfordert.
  • Fragen nach der Zugehörigkeit zu Vereinen, Verbänden oder Religion dürfen nur gestellt werden, wenn das Unternehmen selbst eine ideelle Zielsetzung hat.
  • Auskünfte bei Dritten (etwa dem bisherigen Arbeitgeber) erfordern die Zustimmung des Bewerbers.
  • Graphologische Gutachten und Tests sind nur zulässig, wenn sie von Fachleuten ausgewertet werden. Der Bewerber hat das Recht, das Gutachten einzusehen.


Im Arbeitsverhältnis

  • Das Abhören von privaten und geschäftlichen Telefonaten ist nicht erlaubt. Auch die ständige Videoüberwachung in der Fabrik oder im Laden ist eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Zudem muss der Betrieb Regeln für den Umgang und die Löschung der Daten erlassen.
  • Angestellte haben ein Recht auf Einsicht in ihr Personaldossier. Darin dürfen nur Daten enthalten sein, die für das Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind.
  • Mitarbeiter dürfen ihre politische Meinung am Arbeitsplatz frei äussern. Auch die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft sowie Mitgliederwerbung dafür sind erlaubt.