Parkieren ist geboten
Statt den öffentlichen Verkehr vermehrt zu fördern, fahren Grossfirmen einen anderen Kurs: Sie stellen ihren Mitarbeitern eigene Autoabstellplätze zur Verfügung – für ein Trinkgeld.
Veröffentlicht am 29. August 2001 - 00:00 Uhr
Die Basler Mitarbeiter der Basler Mediengruppe habens gut, die Angestellten der Credit Suisse noch besser:
CHF 32.30 zahlen die Medienschaffenden monatlich für einen Parkplatz am Arbeitsort, die Banker sogar gar nichts. Ein Minusgeschäft für die Firmen: Die Credit Suisse beziffert ihre monatlichen Unterhaltskosten auf 80 bis 120 Franken pro Parkplatz, zuzüglich Bewirtschaftungskosten.
Das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga) in Bern geht in einer Studie von 1000 bis 3000 Franken Unterhaltskosten pro Parkplatz und Jahr aus. Doch so viel Geld verlangen die wenigsten Unternehmen von ihren parkierenden Angestellten.
Wirtschaftlichkeit kein Thema
«Das ist Kapital, das brachliegt», sagt Daniel Rossel vom Kiga. «Mitte der neunziger Jahre haben die Unternehmen den Firmenparkplatz als Einnahmequelle entdeckt. Inzwischen geht es der Wirtschaft wieder besser, und die Wirtschaftlichkeit der Parkplätze ist kein Thema mehr.»
Ebenso wenig ist die Lenkungswirkung noch ein Thema. Solange die Parkplatzmiete günstiger ist als ein Abonnement des öffentlichen Verkehrs, gibt es keinen Grund umzusteigen. «Autofahrer vergessen in ihrer Rechnung allerdings oft die Fixkosten, wie Anschaffung und Versicherung des Autos», sagt Daniel Rossel. Statt einer pauschalen Parkplatzgebühr schlägt er eine Bezahlung der effektiven Parkzeit vor: «Eine Abrechnung nach Stunden nimmt der Sache den Fixkostencharakter und macht die Zahlung bewusster.» Doch die meisten Firmen fürchten den damit verbundenen administrativen Aufwand.
Warum aber subventionieren so viele Unternehmen die Anreise ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Auto? Als häufigster Grund wird «berufliche Notwendigkeit» angegeben. Oder «viel im Aussendienst» – obschon es sich kaum bei jedem Parkierenden um einen Aussendienstmitarbeiter handeln dürfte.
«Häufig spielen bei der Vergabe von Firmenparkplätzen hierarchische Strukturen eine wichtige Rolle», kritisiert Rita Haudenschild, Geschäftsleiterin des Verkehrs-Clubs der Schweiz Bern. «Mit dem Wagen bis direkt vor den Firmeneingang zu fahren, das ist immer noch ein Zeichen von Prestige.» Sie fordert deshalb gleich lange Spiesse für alle Angestellten.
Mit «beruflicher Notwendigkeit» argumentiert man auch bei der Credit Suisse. «Wir haben klare Regeln, nach denen unsere Parkplätze vergeben werden», sagt Pressesprecher Georg Söntgerath. «Nur wessen Reisezeit vom Wohn- zum Arbeitsort mehr als 80 Minuten beträgt, wer Schichtarbeit leistet, körperlich aufs Auto angewiesen ist oder viele auswärtige Verpflichtungen hat, hat ein Anrecht auf einen Firmenparkplatz.»
Diese Kriterien scheinen bei der Credit Suisse sehr viele Mitarbeiter zu erfüllen, denn jedem respektive jeder Vierten steht ein Parkplatz zur Verfügung. Gratis deshalb, weil «wir sonst ja diejenigen, die auf den Platz angewiesen sind, auch noch strafen», so Söntgerath.
Gestraft werden wohl eher die Benutzer des öffentlichen Verkehrs. Denn hier gibt es kaum Zuschüsse von Seiten der Unternehmen. Während die Autofahrer das Kilometergeld als Lohnzuschuss betrachten, zahlen die Benutzerinnen des öffentlichen Verkehrs meist drauf. Angemessene Parkplatzkosten könnten jedoch Bahn und Bus attraktiver machen. Das käme auch der Umwelt zugut. «Denn Umweltschutz», so Daniel Rossel vom Kiga, «wird nur über Geld geregelt.»
1 Kommentar
Bei uns ist es genau umgekehrt. Ist mit vielen Incentives so, dass nicht gleichermassen profitieren.