Teilzeitboss voll im Geschäft
Der Jurist Roland Schaer leitet die Berner KPT mit einem 60-Prozent-Mandat. Via die Krankenkasse kommt er auch als «Selbstständigerwerbender» nicht zu kurz.
Veröffentlicht am 24. Mai 2004 - 16:23 Uhr
Die Zahlen können sich sehen lassen: 35'0000 Versicherte, knapp 400 Angestellte, genügend Reserven und ein Gewinn von 13,3 Millionen Franken. Das Geschäftsjahr 2003 der Berner Krankenkasse KPT war erfolgreich. «Mit diesem Ergebnis festigt die KPT ihre Position als solider Krankenversicherer», heisst es in der Medienmitteilung von Ende April. Darunter der Hinweis, wofür die drei Buchstaben stehen sollen, nämlich für «kompetent, persönlich und transparent».
Mitarbeiter und ehemalige Angestellte können diesen schönen Worten jedoch wenig abgewinnen. Die Personalfluktuation ist hoch, die interne Stimmung könnte besser sein. Darüber reden will allerdings kaum jemand, aus Angst um die Stelle oder weil man – im Fall von verschiedenen Ex-Angestellten – mit Abgangsvereinbarungen und einer entsprechenden Entschädigung zum Schweigen gebracht wurde.
Arbeitskampf mit negativen Folgen
Die wenigen, die trotzdem sprechen, tun dies anonym – und zu erzählen haben sie einiges. Im Mittelpunkt der Geschichten steht immer dieselbe Person: Kassenboss Roland Schaer, 61, seit Sommer 2000 der starke Mann bei der KPT. Der Jurist, dessen Abgang als CEO der Basler Versicherungen mit lauten Nebengeräuschen und Zweifeln an seinen Führungsqualitäten über die Bühne gegangen war, kam nach einem Aufstand der KPT-Belegschaft ans Ruder. Diese hatte sich gegen die Entlassung des damaligen Direktors Walter Kohler gewehrt und schliesslich nicht nur dessen Wiedereinstellung, sondern gleich auch noch die Absetzung des allmächtigen Zentralvorstands der Kasse erreicht. Der medienwirksam inszenierte Arbeitskampf bescherte der Belegschaft damals eine Nomination für den Prix Courage.
Die Triumphgefühle währten jedoch nicht lange: Schon kurz nach seiner Wahl zum Verwaltungsratspräsidenten der KPT fegte Schaer den wieder eingestellten Direktor Kohler weg. Die Vollzeitstelle des Direktors ist seither unbesetzt. Stattdessen führt Schaer die KPT als VR-Präsident und Delegierter auf Mandatsbasis mit einem 60-Prozent-Pensum. «Herr Schaer ist sehr oft unterwegs und nur selten hier», kriegt zu hören, wer bei der KPT den Chef sprechen möchte.
Wer die Führung einer Krankenkasse als nur einen von verschiedenen Jobs erledigt, braucht vor allem loyale Mitarbeiter. Dafür hat Schaer in den vergangenen knapp vier Jahren gesorgt und praktisch die gesamte Führungsriege ausgewechselt. Ausser Direktor Walter Kohler mussten kurz nacheinander dessen Stellvertreter, der Finanzchef, der Informatikverantwortliche und – erst im März – der Personalchef den Hut nehmen. Dazu kamen zahlreiche Abgänge im mittleren Kader.
Schaer sei ein Machtmensch und führe die KPT praktisch im Alleingang, sagt ein ehemaliger Angestellter: «Wer es wagt, ihm zu widersprechen, ist beruflich ein toter Mann.» Bei der Wiederbesetzung von vakanten Stellen setzt Schaer deshalb mit Vorliebe auf sichere Werte: Die freien Posten gehen auffällig oft an Freunde, alte Bekannte und Geschäftspartner. «Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sind reine Kopfnickergremien», sagt ein Insider. «An den Sitzungen spricht zuerst Schaer, dann Schaer, und zum Schluss gibt Schaer bekannt, was er entschieden hat.»
Ein bekennender «Computerfreak»
Mit dem KPT-Boss gut Freund zu sein kann sich durchaus lohnen. So holte Eishockeyfan Schaer im Sommer 2000 beispielsweise den ehemaligen Nationaltrainer und heutigen SVP-Nationalrat Simon Schenk in den Verwaltungsrat, um «einen Politiker, der einen hohen Bekanntheitsgrad aufweist», in den eigenen Reihen zu haben, wie er in der Hauszeitung der KPT betonte. Schon in der nächsten Saison trugen die Spieler der ZSC Lions, bei denen Schenk als Sportchef amtet, das KPT-Logo auf ihren Hosen.
Neben Hockeyfreund Schenk sitzen in den Aufsichtsgremien der KPT vorwiegend alte Geschäftspartner von Schaer. Etwa IT-Unternehmer Rolf Brugger, mit dem Schaer, der sich selber als «Computerfreak» bezeichnet, schon Ende der neunziger Jahre im Verwaltungsrat der Informatikfirma Prevo-System AG sass. Brugger bringe – so gab Schaer der Hauszeitschrift zu Protokoll – «Know-how punkto E-Business-Plattformen mit, von welchem die KPT viel profitieren kann».
Schaer, für den Versicherungsprodukte nach eigenen Worten «im Grunde genommen nichts anderes als ein Transfer von Bits und Bytes» sind, holte Brugger aber nicht nur wegen der gemeinsamen Vergangenheit in den KPT-Verwaltungsrat. Kaum an die Spitze gewählt, gründete er im Oktober 2000 das IT-Unternehmen e4life, das für die KPT eine moderne Kommunikationsplattform erstellen sollte. Mehrheitsaktionärin war die KPT; über eine Beteiligung seiner Firma Incubator war auch Brugger mit von der Partie.
Als Generalunternehmer im Dienste von e4life fungierte eine weitere Brugger-Firma, die Pixelpark Schweiz AG. Und da man unter Freunden war, gab man sich generös: «Theoretisch konnte e4life seine Partner selber auswählen», sagt ein Insider. «Aber praktisch war Pixelpark gesetzt, obschon die gleichen Leistungen auch zu einem wesentlich tieferen Preis zu haben gewesen wären.»
Kosten von über 15 Millionen Franken
KPT-Boss Schaer widerspricht dieser Darstellung – nicht persönlich allerdings, sondern schriftlich über eine PR-Agentur: Zum Zeitpunkt der Evaluation sei Pixelpark das einzige Unternehmen gewesen, «das als Referenz ein funktionierendes Kundenanbindungs-System mit den für Gesundheitsdaten notwendigen Sicherheitskriterien vorzuweisen hatte».
E4life sollte, so steht es im von Schaer verfassten Businessplan, eine «gemeinsame, nicht proprietäre, technische Plattform» entwickeln, an der sich weitere Partner beteiligen können: Kranken- und Unfallversicherer, aber auch Banken oder Lebensversicherer. Bis heute ist es bei der Absicht geblieben. Die KPT muss für e4life allein aufkommen, die anvisierten Partner sind bisher nicht aufgetaucht. Nun aber habe man «die feste Zusage eines Versicherers, sich künftig der e4life-Plattform zu bedienen», lässt Schaer ausrichten.
Das ist auch dringend nötig. Zwar hat die Tochterfirma der KPT für die Krankenkasse eine von Fachleuten gelobte Informatiklösung entwickelt, zugleich aber massive Kosten verursacht: Über 15 Millionen Franken – das bestätigen verschiedene Insider unabhängig voneinander – steckte die Hauptaktionärin bisher in das ambitiöse Projekt. Gemäss Schaer ist diese Zahl jedoch «völlig ohne Substanz. Der Aufwand betrug total 8,5 Millionen Franken, wovon allein drei Millionen für die Erfüllung der Sicherheitsanforderungen aufgewendet wurden.» Der KPT seien keine Mehrkosten entstanden, da die Krankenkasse «einen grossen Nachholbedarf an digitalen Kommunikationsmitteln hatte».
Nicht eingestellt haben sich jedoch die massiven Einsparungen, die Schaer im Frühling 2001 gegenüber der Zeitung «Der Bund» prophezeite. Von den verheissenen jährlichen «Einsparungen in ein- bis zweistelliger Millionenhöhe» ist in den Jahresrechnungen nichts zu sehen. Im Gegenteil: Zwischen 1999 und 2002 stiegen die Verwaltungskosten pro Versicherten von CHF 109.60 auf CHF 153.60 respektive von 6,6 auf 7,4 Prozent des Aufwands. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum sanken die Kosten im Branchendurchschnitt gemäss dem Bundesamt für Sozialversicherung von 6,4 auf 5,9 Prozent.
«Keine Verwischung der Funktionen»
Bis sich der von Schaer angekündigte Versicherer bei e4life «bedient», arbeitet das Kleinunternehmen mit Sitz in der Berner Vorortsgemeinde Muri weiter ausschliesslich für die KPT – oder fast ausschliesslich. Der einzige bisher nennenswerte Fremdauftrag kam ausgerechnet von der Suva. Für sie entwickelte e4life eine Informatiklösung zu einem Projekt namens New Case Management. Dafür bezahlte die Suva laut einem Insider «einen Bruchteil dessen, was es kosten würde, ein solches Tool von Grund auf neu zu entwickeln». Auch bei diesem Geschäft wusch eine Hand die andere: Suva-Geschäftsleitungs-Mitglied Willi Morger sitzt im KPT-Verwaltungsrat. Und auch das externe Consulting für das Projekt liegt in bekannten Händen – KPT-Boss Roland Schaer persönlich berät die Suva, «als Selbstständigerwerbender», wie er ausrichten lässt: «Es gibt keine Verwischung der Funktion bei der e4life und meiner Beratertätigkeit bei der Suva.»
Keine Verwischung will der selbstständig erwerbende Kassenboss auch in einem weiteren Fall sehen, nämlich beim so genannten Online-Anwalt auf der KPT-Homepage, einer Datenbank zu versicherungstechnischen Fragen. Im juristischen Selbsthilfe-System für KPT-Kunden lassen sich unter anderem auch Kommentare zu Urteilen mit bloss marginalem Bezug zur Krankenversicherung abrufen, etwa über das «Abprallen eines Golfballs», «delegierte Tierhalterschaft» oder «Helikopterskifahren und Veranstalterhaftung». Möglich macht dies eine von Haftpflichtversicherungsspezialist Schaer persönlich aufgebaute Datenbank.
Entschädigung in fünfstelliger Höhe?
Ob und wie viel der KPT-Boss für deren Nutzung kassiert, geht aus der sibyllinischen Antwort der PR-Agentur nicht hervor: «Ich beziehe keine Lizenzgebühr», heisst es dort zu den Beobachter-Informationen, wonach Schaer eine Entschädigung in fünfstelliger Höhe erhalte. «Die Casetex AG erhebt von jedem Nutzer Lizenzgebühren, in keinem Fall jedoch in der genannten Höhe.»
Wenn nicht persönlich, dann halt über die Casetex AG. Besitzer und einziger Verwaltungsrat dieses Unternehmens ist nämlich – wenig überraschend – ein gewisser Roland Schaer.