Wer den Mitarbeiter nicht ehrt...
...ist des Chefpostens nicht wert: Viele Vorgesetzte haben noch nicht begriffen, dass ein Lob im richtigen Moment die beste Motivationsspritze für Untergebene ist. Zeit, dass sie es lernen.
Veröffentlicht am 6. November 2007 - 09:54 Uhr
Eine aktuelle Umfrage des Arbeitnehmerverbands Angestellte Schweiz sollte Vorgesetzten aller Chargen zu denken geben: Trotz boomender Wirtschaft und guter Arbeitsmarktlage sind die Angestellten mit ihrem Job nur mässig zufrieden. Einer der Hauptgründe: Sie haben es satt, nur Kritik einzustecken, sie wollen gelobt werden, wenn sie sich für ihre Firma ins Zeug legen - und das nicht bloss «auf Vorrat» während der jetzt wieder anstehenden Jahresendgespräche.
Werner Reimann vom Marktforschungsunternehmen Demoscope überrascht dieses Umfrage-Ergebnis nicht. Zu oft führten Vorgesetzte in Büros und Werkhallen nach der Maxime: «Solange ich nichts sage, könnt ihr das schon als Lob auffassen.» Das aber komme bei den Mitarbeitern schlecht an.
Mehr noch: «Eine solche Haltung drückt aus, dass man schon froh darüber sein muss, nicht getadelt zu werden», sagt Hansjörg Schmid vom Angestellten-Verband. Mehr als 3300 seiner Mitglieder fordern deshalb in einer Resolution: Mehr Wertschätzung, bitte!
Auch eine Umfrage des Stellenvermittlers Kelly Services lässt aufhorchen: Fast 40 Prozent der 2500 Schweizer Befragten werden für gute Leistungen nie oder fast nie gelobt. Jeder Dritte gibt an, wenigstens ab und zu mal ein Lob zu hören. Und bei gerade mal jedem Fünften ist es so, wie es sein müsste: Ihre Chefs loben sie regelmässig. Das Verbesserungspotential ist also offenkundig. Viele Vorgesetzte unterschätzen die psychologische Wirkung eines Lobs: Es motiviert die Mitarbeiter - sie leisten mehr und identifizieren sich stärker mit der Firma. Hinzu kommt, dass es keine billigere Art der Mitarbeitermotivation gibt.
Warum aber tun sich Chefs mit dem Loben so schwer? Achim Elfering, Arbeitspsychologe an der Universität Bern, ortet eine Reihe von Trugschlüssen. «Vorgesetzte achten in erster Linie auf grosse Erfolge, dabei übersehen sie die vielen kleinen Fortschritte.» Chefs hätten zudem wenig Zeit. Deshalb widmeten sie sich lieber jenen Dingen, die schieflaufen, statt darauf zu schauen, was gut gemacht wird.
Zwei weitere irrige Ansichten: Gute Arbeit gehört ganz selbstverständlich zum Pflichtenheft und wird mit dem Lohn abgegolten, da muss man sie nicht noch extra rühmen. Und: «Viele Vorgesetzte schreiben die Ursache für Erfolg eher den Umständen zu als den Anstrengungen der Mitarbeiter. Daher scheint es ihnen legitim, am Lob zu sparen», sagt Elfering.
Aus seiner Sicht sind das fatale Fehler. «Chefs müssen sich klarmachen, dass Anerkennung und Wertschätzung zu den Grundbedürfnissen der Mitarbeiter gehören. Sie sind nicht nur des Geldes wegen in der Firma.» Ein Lob könne für Mitarbeiter ein wertvolles Signal sein, dass ihre Arbeit von Bedeutung ist. Für Hansjörg Schmid vom Angestellten-Verband liegt auf der Hand: «Ein Lob ist ein wichtiger immaterieller Wert. Darum kann es auch nicht mit einem Bonus ersetzt werden.» Es sei überdies eigenartig, wenn ein Arbeitgeber einen Bonus auszahlt, ohne zu begründen, weshalb - also ohne ein Lob für die gute Leistung auszusprechen.
Was trösten mag: Nicht immer steckt böse Absicht dahinter, wenn Chefs mit Lob geizen. Viele haben es einfach nie gelernt, sagt Othmar Fries, der Führungskräfte coacht. Es sei anspruchsvoll, ein Lob so zu formulieren, dass es nicht einschmeichelnd und lächerlich wirkt, sondern authentisch und glaubhaft. Viele Vorgesetzte haben aber laut Fries das Defizit erkannt und wollen wissen, wie sie ihren Mitarbeitern eine gute Rückmeldung geben können. Dazu gehöre, nicht nur zu ermutigen und zu loben, sondern auch konstruktiv zu kritisieren. Fries’ wichtigster Rat: Nicht ins andere Extrem fallen, denn übertriebene Lobhudeleien können ebenso demotivierend sein (siehe nachfolgende Box «Loben und gelobt werden»). «Ein Chef, der stets überschwänglich Komplimente verteilt, ohne genau hinzusehen, worum es geht, wird zu Recht nicht ernst genommen.»
Ein Tipp, den hingegen alle Angestellten beherzigen sollten: Loben Sie auch mal Ihren Chef. «Die meisten Vorgesetzten werden dankbar dafür sein», sagt Arbeitspsychologe Achim Elfering. Für Chefs wie für Mitarbeiter gilt: Am glaubwürdigsten wirkt ein Feedback, wenn man auch konstruktive Kritik übt. Wer dem Chef sagt, was er nicht so gut gemacht hat, muss auch nicht befürchten, anbiedernd zu wirken.
Am besten gibt man Vorgesetzten dann eine Rückmeldung, wenn man für sich selber auch eine einfordert. Freilich braucht es dazu eine entsprechende Lobkultur, und die werde längst noch nicht überall gepflegt, sagt Coach Othmar Fries. Er ist indes überzeugt: Chefs und Angestellte, die sich regelmässig gegenseitig offen und fair beurteilen, könnten auf das jährliche Qualifikationsgespräch getrost verzichten. Diese lästige Pflicht haken beide Seiten ohnedies meist nur lustlos ab.
Tipps für Angestellte:
- Fordern Sie Lob ein! Fragen Sie Ihren Chef direkt, ob er mit Ihrer Arbeit zufrieden ist. Überwinden Sie dabei die Angst, dass er auch kritisieren könnte. Zu einem ehrlichen Feedback gehört konstruktive Kritik ebenso wie Lob. Seien Sie darauf gefasst, dass man Ihnen sagt, was an Ihrer Arbeit gut und was weniger gut ist. Nur so erhalten Sie ein qualifiziertes Urteil.
- Sagen Sie Ihrem Chef, dass Sie es auch in Zukunft schätzen, wenn er Ihnen regelmässig ein Feedback gibt.
Tipps für Vorgesetzte:
- Konzentrieren Sie sich nicht auf das, was Mitarbeiter falsch, sondern was sie richtig machen. Und: Loben Sie besondere Anstrengungen, auch wenn sie nicht zum Erfolg geführt haben.
- Loben Sie immer jene Person, die es verdient: Hat eine Einzelperson gute Arbeit geleistet, gebührt das Lob ihr und nicht dem ganzen Team oder der Teamleitung. Heben Sie anderseits aber auch gemeinsame Leistungen hervor.
- Keine Allgemeinplätze, keine Pauschalkomplimente: Lob soll sich auf eine bestimmte Arbeit beziehen. Je konkreter, desto wirksamer.
- Vergewissern Sie sich, dass ein Lob auch als solches verstanden wird.
- Lob gut dosieren, nur dann wirkt es motivierend und glaubwürdig.
- Immer spontan loben. Arbeiten Sie nicht einmal im Jahr - etwa beim Mitarbeitergespräch - eine Liste ab. Ist der richtige Moment für ein Lob verpasst, holen Sie es so rasch wie möglich nach: «Habe ich Ihnen eigentlich schon gesagt, dass Sie das gut gemacht haben?»
- Loben Sie nicht, indem Sie die Arbeit einer anderen Person abwerten. Das schafft Unbehagen auch bei dem, der gelobt wird.