Weniger Geld
Seit April 2011 werden die Sparmassnahmen in der Arbeitslosenversicherung umgesetzt, die das Stimmvolk im Herbst zuvor angenommen hatte. Vor allem für junge Arbeitslose gibt es Kürzungen.
Veröffentlicht am 28. März 2011 - 15:32 Uhr
Für Tausende Arbeitslose trat am 1. April 2011 ein, was beispielsweise für diesen 30-jährigen Psychologen gilt: Er bezog seit dem Uni-Abschluss im Herbst 2010 rund 100 Arbeitslosentaggelder und verfügte laut der letzten Abrechnung über einen Restanspruch von 160 Tagen. Nun wird ihm mitgeteilt, dass dieser Anspruch ab diesem Monat wegfällt – er ist mit einem Schlag ausgesteuert.
Fälle wie dieser sind die Folge der Volksabstimmung vom September 2010, als der Souverän Sparmassnahmen in der Arbeitslosenversicherung gutgeheissen hat. Das revidierte Gesetz soll Einsparungen von gut 600 Millionen Franken im Jahr bringen. Für mehr Einnahmen sorgen bereits seit Anfang Jahr die erhöhten Beitragssätze.
Hier eine Übersicht über die wichtigsten Änderungen:
Beitragszeit* | Alter/Unterhaltspflicht gegenüber Kindern | Taggelder |
12 bis 24 Monat | bis 25 Jahre ohne Unterhaltspflicht | 200 (statt 400) |
12 bis knapp 18 Monate | ab 25 Jahren oder mit Unterhaltspflicht | 260 (statt 400) |
18 bis knapp 24 Monate | ab 25 Jahren oder mit Unterhaltspflicht | 400 (wie bisher) |
24 Monate | Invalide** ab 25 Jahren oder mit Unterhaltspflicht | 520 (wie bisher) |
24 Monate | ab 55 Jahren | 520 (wie bisher) |
beitragsbefreit | 90 (statt 260) |
* Anzahl Monate in den zwei Jahren vor der Arbeitslosigkeit, während deren man angestellt war und ALV-Beiträge zahlte
** bei Bezug einer Invalidenrente, die einem IV-Grad von mindestens 40 Prozent entspricht
Die wichtigste Neuerung bei den Leistungen ist die verkürzte Bezugsdauer je nach Länge der sogenannten Beitragszeit. Bisher musste man mindestens zwölf Monate Anstellungszeit in den zwei Jahren vor der Arbeitslosigkeit nachweisen, um vollen Anspruch auf maximal 400 Taggelder zu haben. Neu ist dafür erforderlich, dass man in den letzten zwei Jahren während mindestens 18 Monaten angestellt war. Bei weniger Beitragszeit erhält man bloss noch maximal 260 Taggelder. Das reicht bei voller Arbeitslosigkeit für etwa ein Jahr. Danach ist man ausgesteuert und muss unter Umständen aufs Sozialamt.
Empfindliche Kürzungen gibt es bei den Arbeitslosen unter 25 Jahren, die keine Unterhaltspflichten gegenüber Kindern haben. Sie müssen nach ihrer Anmeldung beim RAV länger auf die Taggeldleistungen warten und erhalten danach höchstens 200 Taggelder – mitunter also nur noch die Hälfte dessen, was ältere Arbeitslose bekommen. Ausserdem haben die unter 30-Jährigen eine verschärfte Schadensminderungspflicht: Sie müssen künftig jede Stelle annehmen, selbst wenn diese überhaupt nicht ihren Fähigkeiten entspricht. Tun sie das nicht, werden Taggelder gestrichen.
Noch geringere Taggeldleistungen erhält, wer von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist. Das sind Personen, die zum Beispiel wegen Ausbildung oder Krankheit nicht angestellt waren und sich arbeitslos melden. Diese Personen erhalten neu nur noch maximal 90 Taggelder – das reicht gerade einmal für 18 Wochen. Nach einer Aus- oder Weiterbildung gilt ausserdem unabhängig vom Alter und von den sonstigen Umständen neu eine Wartezeit von 120 Tagen, zusätzlich zu den generellen fünf Wartetagen.
Das Absolvieren von Beschäftigungsprogrammen, die ganz oder teilweise von Sozialämtern finanziert werden, berechtigt gemäss neuem Gesetz nicht mehr zum Bezug von Arbeitslosengeld. Man soll nur noch nach dem Verlust einer ordentlichen Stelle Geld beziehen können. Wer aber noch nach altem Recht einen solchen Anspruch erhalten hat, verliert ihn nicht.
Neu gibt es keine regionalen Verlängerungen der Bezugsdauer mehr. Bisher konnte der Bundesrat für bestimmte Kantone mit extrem hoher Arbeitslosigkeit die Dauer des Taggeldanspruchs für alle Versicherten oder auch nur für gewisse Alterskategorien um maximal sechs Monate verlängern. Bis Ende März war das noch in den Kantonen Tessin, Waadt, Neuenburg, Genf und Jura für über 30-jährige Arbeitslose der Fall.
Schlechter fahren in Zukunft auch Personen mit einem längeren Zwischenverdienst. Wer seine Arbeitslosigkeit nicht innert zwei Jahren beenden kann, sondern nur einen Zwischenverdienst findet, diesen jedoch seit mindestens zwölf Monaten ausübt, konnte bisher in aller Regel in einer zweiten Rahmenfrist weiterhin Arbeitslosengelder beziehen. Als Berechnungsgrundlage für deren Höhe galt der Zwischenverdienst plus die von der Arbeitslosenversicherung ausgerichteten Kompensationszahlungen, maximal bis zur gleichen Höhe wie der Zwischenverdienst. Neu wird nur noch der Zwischenverdienst selber berücksichtigt.
Dazu ein Beispiel: Eine 50-Jährige verdiente ursprünglich 8000 Franken im Monat. Nach Verlust der Stelle fand sie einen Teilzeitjob mit 3000 Franken Lohn. Sie erhielt in der ersten Rahmenfrist rund 3500 Franken Kompensationszahlungen monatlich zugesprochen (70 Prozent der Differenz zwischen versichertem Verdienst und Zwischenverdienst). Nach Ablauf der zweijährigen Rahmenfrist wurde der versicherte Verdienst neu festgesetzt auf 6000 Franken (Zwischenverdienst plus Kompensationszahlungen von maximal 3000 Franken). Es wurden in der zweiten Rahmenfrist weiterhin Kompensationszahlungen von rund 2100 Franken geleistet. Nach neuem Recht beträgt der versicherte Verdienst für die zweite Rahmenfrist nur noch 3000 Franken – der Lohn aus dem Zwischenverdienst. Daneben ist ein Weiterbezug von Kompensationszahlungen ausgeschlossen. Erst bei Verlust der Stelle würde die Arbeitslosenkasse wieder Taggelder von rund 2100 Franken im Monat zahlen.
Weitere Infos
Informationen zu Wartefristen und Bezugsdauer finden Sie auf der Beobachter-Beratungsplattform Helponline: www.helponline.ch
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