Die Details sind ausgehandelt, der Vertrag ist unterschrieben: Eva B. freut sich auf die neue berufliche Herausforderung. Doch es kommt anders: Ein guter Bekannter bietet der jungen Marketingfachfrau einen wahren Traumjob an – eine einmalige Chance, die sie sich nicht entgehen lassen will. Wenn da nur nicht der Arbeitsvertrag mit der anderen Firma wäre! «Kann ich trotz meiner Unterschrift zurücktreten?», erkundigt sich Eva B. bei der Beobachter-Hotline.

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Gemäss Obligationenrecht hat der Arbeitgeber Anspruch auf eine Entschädigung, wenn der Arbeitnehmer die Stelle ohne wichtigen Grund nicht antritt. Ein besseres Stellenangebot ist nun aber kein «wichtiger» Grund im Sinn des Gesetzes. «Wichtig» wären zum Beispiel gesundheitliche Probleme oder allenfalls unwahre Angaben des künftigen Arbeitgebers während der Vertragsverhandlungen.

Eva B. wird also vertragsbrüchig, wenn sie die Stelle nicht wie vorgesehen antritt. Laut Gesetz hat der Arbeitgeber in der-artigen Fällen Anspruch auf einen Viertel eines Monatslohns plus Ersatz weiteren Schadens. Da es meist schwierig ist, die finanziellen Folgen eines Vertragsbruchs zu beziffern, bleibt es häufig bei dem einen Lohnviertel. Er kann auch dann verlangt werden, wenn überhaupt kein Schaden entstanden ist.

In diesem Fall ist es Sache des Arbeitnehmers, gegebenenfalls zu beweisen, dass gar kein Schaden vorliegt, weil beispielsweise umgehend Ersatz für die verwaiste Stelle gefunden werden konnte. Der Richter kann dann die Entschädigung nach seinem Ermessen herabsetzen oder ganz streichen.

Stellt der Arbeitgeber eine höhere Schadenersatzforderung, muss er grundsätzlich den gesamten Schaden beweisen, inklusive Lohnviertel. Denkbar sind beispielsweise die Kosten für eine teurere Temporärkraft, Überstunden der übrigen Angestellten oder Nichteinhalten wichtiger Geschäftstermine. Inseratekosten können in der Regel nicht in Rechnung gestellt werden, da diese auch bei einer ordentlichen Kündigung anfallen.

Fordert der Arbeitgeber als Entschädigung den gesetzlichen Viertel eines Monatslohns, muss er dies innert 30 Tagen nach Nichtantritt der Stelle tun. Danach ist der Anspruch verwirkt. Lässt sich jedoch ein konkreter finanzieller Schaden beweisen, kann er die entsprechende Forderung innert der normalen Verjährungsfrist von zehn Jahren geltend machen.

«Und wenn ich die Stelle antrete und während der Probezeit gleich wieder kündige?», fragt sich Eva B., in der Hoffnung, sich so aus der Affäre ziehen zu können. Tatsächlich besteht die Möglichkeit, während der Probezeit jederzeit auch ohne speziellen Grund auf sieben Tage zu kündigen. Das könnte also durchaus ein Ausweg aus dem Dilemma sein. Falls jedoch allzu offensichtlich wird, dass die Arbeitnehmerin von Anfang an nie wirklich die Absicht hatte, an dieser Stelle zu bleiben, so kann auch dies als Vertragsbruch gelten und Schadenersatzforderungen nach sich ziehen.

Gespräch mit Arbeitgeber suchen

In der Praxis empfiehlt es sich deshalb, den neuen Arbeitgeber möglichst rasch über die neue Sachlage zu informieren und über eine Vertragsauflösung zu verhandeln. Je früher man reagiert, umso kleiner dürfte der potenzielle Schaden sein. Und wer ehrlich ist und mit offenen Karten spielt, darf auch am ehesten mit Verständnis der betroffenen Firma rechnen.

Während ein Vertragsbruch durch den Arbeitnehmer gesetzlich geregelt ist, äussert sich das Gesetz erstaunlicherweise nicht zu den Konsequenzen einer Kündigung vor Stellenantritt durch den Arbeitgeber. Die meisten Gerichte behandeln eine derartige Vertragsauflösung gleich wie eine Kündigung am ersten Tag der Probezeit. Da in der Probezeit von Gesetzes wegen eine siebentägige Kündigungsfrist gilt, bedeutet dies, dass der geprellte Stellenbewerber den Lohn nur gerade für acht Tage verlangen kann. Weitere Schadenersatzforderungen sind denkbar, sofern sich ein konkreter Schaden beweisen und beziffern lässt. In der Regel ist dies jedoch eher schwierig. Dann bleibt nichts anderes übrig, als über eine Entschädigung zu verhandeln.