So muss Sexismus im Betrieb richtig aufgearbeitet werden
Wenn der Vorwurf des Mobbings oder der sexuellen Belästigung im Raum steht, müssen Arbeitgeberinnen dem nachgehen – und dabei die Rechte der Beteiligten wahren.
Veröffentlicht am 10. Februar 2023 - 14:07 Uhr
Die Journalistin Anuschka Roshani wirft im «Spiegel» ihrem ehemaligen Chef, dem damaligen Chefredaktor der Zeitschrift «Das Magazin», Mobbing und Sexismus vor. Das Blatt gehört zum Tamedia-Verlag. Dort beschwerten sich bereits 2021 mehrere Journalistinnen über ein sexistisches Arbeitsklima. Tamedia leitete eine interne Untersuchung ein.
Das Gesetz sagt nicht, was Mobbing ist. Man spricht davon, wenn jemand über längere Zeit systematisch schikaniert, ausgegrenzt oder angeschwärzt wird. Dabei können die einzelnen Übergriffe – für sich betrachtet – sogar harmlos wirken, insgesamt aber eine orchestrierte Unerträglichkeit bilden. Auch unter sexuelle Belästigung kann vieles fallen – ein Blick, ein Spruch, eine Berührung. Relevant ist, wie das Verhalten bei der betroffenen Person ankommt – verletzend, abwertend oder übergriffig? Dann ist das nicht in Ordnung – egal, ob der andere dies bezweckt hat oder nicht.
Wer kann, spricht die mobbende oder belästigende Person am besten direkt darauf an und tauscht sich mit vertrauten Arbeitskolleginnen oder Arbeitskollegen aus (siehe «So wehren Sie sich gegen Mobbing und sexuelle Belästigung»).
Wann gibt es eine interne Untersuchung?
Arbeitgeberinnen haben eine Fürsorgepflicht. Sie müssen die Gesundheit und die Persönlichkeit der Angestellten schützen. Das Gleichstellungsgesetz verpflichtet sie zudem, Massnahmen gegen sexuelle Belästigung zu treffen. Wenn ein Unternehmen also von mobbendem oder belästigendem Verhalten erfährt, muss es die Vorwürfe intern untersuchen. Und zwar richtig. Es darf darum auch nicht einfach die verdächtigte Person entlassen oder die Situation totschweigen.
Wie das Unternehmen vorgehen will, ist ihm freigestellt. Immer häufiger ziehen Unternehmen dafür externe Fachpersonen bei – etwa Anwaltskanzleien oder Beratungsstellen wie beispielsweise die Fachstelle Mobbing und Belästigung (siehe Anlaufstellen unten). Deren Geschäftsführerin Claudia Stam sagt: «Den Unternehmen geht es häufig primär darum, sich gegenüber Klagen der Betroffenen abzusichern.» Doch jedes Unternehmen sollte daran interessiert sein, bei Mobbing und Belästigungen genau hinzuschauen . Nur so könne es gelingen, ein auf Dauer wertschätzendes Arbeitsklima zu schaffen.
So kann eine interne Untersuchung ablaufen
Unternehmen sind frei, wie sie einen Vorwurf untersuchen wollen. Das Gesetz schreibt hier nichts vor, und auch das Bundesgericht musste noch nie darüber entscheiden. «Das kann ein Vorteil sein», sagt Stam. «So lassen sich Untersuchungen auf den konkreten Einzelfall zuschneiden.» In einem ersten Schritt wird das Unternehmen versuchen, so viele Informationen wie möglich zu sammeln – und dazu die direkt Involvierten, aber auch allfällige Zeuginnen befragen. Die Aussagen werden in der Regel protokolliert und von den Befragten – mit allfälligen Korrekturen – unterschrieben.
Arbeitgeberinnen dürfen die Angestellen aber nicht heimlich überwachen . So muss, wer eine Videokamera installiert, seine Angestellten vorher informieren. Dasselbe gilt, wenn man auf E-Mails oder andere elektronische Daten zugreifen will. Unrechtmässig gewonnene Beweise wären auch in einem allfälligen Gerichtsverfahren nicht verwertbar.
Involvierte haben bei interner Untersuchung Rechte
Wer in einem Strafverfahren beschuldigt wird, der kann seine Aussage verweigern. Und Opfer können sich von einer Vertrauensperson begleiten lassen. Ob diese (und andere) Verfahrensrechte auch in einer internen Untersuchung gelten, ist unter Juristinnen umstritten. Dasselbe gilt für die Frage, ob Betroffene den Abschlussbericht einer externen oder internen Stelle einsehen dürfen. Die interne Untersuchung sollte so fair und unabhängig wie möglich sein – insofern fahren Arbeitgeberinnen besser, wenn sie den Betroffenen Rechte zukommen lassen. So muss der beschuldigte Arbeitnehmer, der befragt wird, wissen, was ihm vorgeworfen wird und wer ihn belastet.
Betroffene können klagen
Wenn einem Angestellten gekündigt wird, ohne dass der Sachverhalt richtig oder unabhängig abgeklärt wurde, dann kann das missbräuchlich sein . Der betroffene Angestellte kann gegen die Kündigung klagen und eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen verlangen.
Auch Opfer, deren berechtigte Vorwürfe einfach versanden, können sich wehren. Wer beweisen kann, dass er sexuell belästigt wurde, kann ebenfalls eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen geltend machen. Wen Mobbing oder die Belästigung krank gemacht haben, der kann zusätzlich Schmerzensgeld fordern.
Dieser Text wurde ursprünglich mit einer Illustration bebildert, die eine Männerhand auf einem Frauenschenkel zeigte. Dadurch kann der Eindruck entstanden sein, dass sich im Fall Roshani, auf den der Ratgeber in der Einleitung Bezug nimmt, ein Übergriff stattgefunden habe. Das ist falsch. Um solche Missverständnissen vorzubeugen, haben wir die Bebilderung geändert. Die Redaktion.
So wehren Sie sich gegen Mobbing und sexuelle Belästigung
1. Schritt: Vorfall ansprechen
Machen Sie der anderen Person klar, dass Sie sein Verhalten nicht tolerieren. Sprechen Sie mit Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen. Möglicherweise sind Sie nicht die Einzige und können sich gemeinsam wehren.
2. Schritt: Beweise sammeln
Protokollieren Sie, was vorfällt. Sammeln Sie allfällige Beweise (zum Beispiel Nachrichten oder E-Mails).
3. Schritt: Keine Reaktion – eskalieren
Wenn das Mobbing oder die Belästigung nicht aufhören, wenden Sie sich an Ihre Vorgesetzte, die Geschäftsleitung oder – falls vorhanden – an eine in Ihrem Betrieb besonders dafür zuständige Stelle. Verlangen Sie unmissverständlich, dass die Arbeitgeberin einschreitet.
4. Schritt: Externe informieren
Bleibt die Arbeitgeberin untätig, können sich Opfer von sexueller Belästigung an die kantonale Schlichtungsstelle gegen Diskriminierung im Erwerbsleben wenden. Diese Stelle kann Sie beraten und zwischen Ihnen und der Arbeitgeberin vermitteln. Bei Mobbing können Sie die Arbeitgeberin auch beim kantonalen Arbeitsinspektorat anzeigen.
Externe Anlaufstellen bei sexueller Belästigung oder Mobbing
Bei diesen Anlaufstellen kann man sich beraten lassen und Unterstützung holen:
- Fachstelle Mobbing und Belästigung, Lavaterstrasse 45, 8002 Zürich, Telefon 044 450 10 16 und Bonstettenstrasse 15, 3012 Bern, Telefon 031 381 49 50, www.fachstelle-mobbing.ch
- MobbingBeratung Zentralschweiz, Chamerstrasse 56, 6300 Zug, Telefon 079 382 07 14, www.stadtzug.ch
- look@work, Gesprächsangebot der GGG Wegweiser bei psychischen Belastungen am Arbeitsplatz, c/o GGG Wegweiser, Im Schmiedenhof 10, 4001 Basel, Telefon 061 269 97 90, www.ggg-wegweiser.ch/lookwork
- Psychologisch-Psychotherapeutische Praxis, Klaus Schiller-Stutz, lic. phil. I, Fachpsychologe/Psychotherapeut FSP, Aentlerweg 8, 8932 Mettmenstetten, Telefon 079 685 93 45, www.schiller-stutz.ch
- BeTrieb, Konfliktberatung für Unternehmen und Institutionen, Bahnhofstrasse 37, 8001 Zürich, Telefon 044 214 67 85, www.betrieb.ch
Wie soll man einen Vorfall im Betrieb festhalten, damit dieser später als Beweis herangezogen werden kann? In der Checkliste «So wehren Sie sich gegen sexuelle Belästigung» finden Beobachter-Mitglieder weitere hilfreiche Tipps, wie man dagegen vorgehen kann.
1 Kommentar
Das Problem: wenn der Arbeitgeber Personen aus bestimmten Gründen schützt, aus welche Gründen auch immer, z.B. Vorgesetzte, Personen mit besonderen Verbindungen nach oben, etc., dann sind interne "Untersuchungen" eine Farce.
Wenn also ein Unternehmen sich nicht bekennt, neutral und unabhängig von Hierarchie und Macht abzuklären und allenfalls zu ahnden, wird der Gemobbte abgeschossen und hat keine Chance.
Eine externe Stelle wäre die Lösung. Sie muss jedoch vollständig unabhängig handeln können. Wird diese externe Stelle wieder vom Arbeitgeber bezahlt/beauftragt (z.B. eine Anwaltskanzlei) besteht per se in ein Interessenkonflikt und ist nicht unabhängig.