Was ist zumutbar bei Grippe, Erkältung und Co.?
Grippe, Erkältung, Corona – wer krank ist, hat oft ein schlechtes Gewissen gegenüber der Firma. Hier die Rechte und Pflichten, was bei Krankheit gilt.
Das gilt arbeitsrechtlich bei Krankheit:
- Bin ich zum Arbeiten verpflichtet?
- Braucht es bei Krankheit ein Arztzeugnis?
- Muss ich bei Grippe trotzdem E-Mails checken?
- Ich bin nicht ansteckbar – trotzdem arbeiten?
- Im Homeoffice arbeiten, wenn man erkältet ist?
- Andere gehen bei Erkältung ins Büro – was ist richtig?
- Darf die Chefin kontrollieren, ob ich krank bin?
- Kein Lohn bei Krankheit?
- Wie ist Krankentaggeld geregelt?
- Kann man mir bei Krankheit kündigen?
- Kann ich Ferien nachholen?
- Was darf ins Arbeitszeugnis?
Diese Pflichten bei Krankheit gelten für ...
Ich habe so viel zu tun, bin aber krank. Bin ich zum Arbeiten verpflichtet?
Nein. Wer krank ist, ist arbeitsunfähig und muss eben gerade nicht arbeiten, sondern sich erholen. Jeder Arbeitgeber muss sich so organisieren können, dass das Geschäft nicht zusammenbricht, wenn Angestellte ausfallen. Das gehört zum Betriebsrisiko, und Sie brauchen deswegen kein schlechtes Gewissen zu haben.
Braucht es bei Krankheit ein Arztzeugnis?
Wer sich krankmeldet, muss in der Regel ein ärztliches Zeugnis vorlegen. Ab wann, ist gesetzlich nicht geregelt. Häufig verlangt es aber der Arbeitsvertrag oder das Personalreglement. Oft wird ein Zeugnis ab dem dritten Krankheitstag gefordert. Im Zeugnis stehen der Beginn, die Dauer und der Grad der Arbeitsunfähigkeit. Aber nicht die eigentliche Diagnose, denn die unterliegt dem Arztgeheimnis. Kranke Angestellte müssen Vorgesetzte nur so weit darüber informieren, wie sie wollen.
Ich habe grippeartige Symptome. Muss ich trotzdem E-Mails checken und Anrufe entgegennehmen?
Nein. Wenn Sie krankgeschrieben sind, entscheidet alleine der Arzt, was Sie tun können und was nicht. Werden Sie aufgefordert, auf E-Mails zu antworten oder Geschäftsanrufe zu erledigen, berufen Sie sich auf das Arztzeugnis. Antworten Sie dem Chef oder Kollegen, dass Sie krank sind, man Ihnen Ruhe verordnet hat und Sie auf keine Geschäftsmails oder Anrufe eingehen. Sagen Sie, dass Sie sich nach dem nächsten Arzttermin wieder bei Ihrem Vorgesetzten melden und ihn über Ihre Einsatzfähigkeit informieren. Reichen Sie notfalls ein detailliertes Arztzeugnis ein.
Meine Erkrankung ist nicht ansteckbar, sagt mein Chef. Ich könne deswegen trotzdem zur Arbeit kommen. Muss ich?
Ihr Chef ist kein Arzt. Ob Sie trotz Erkrankung zur Arbeit gehen, hängt auch vom jeweiligen Leiden ab und was der Arzt für Ihre Genesung als nötig erachtet. Sollte der Chef an Ihrer Arbeitsunfähigkeit zweifeln oder sollte er von einem Gefälligkeitszeugnis ausgehen, kann er Sie im extremsten Fall zur Vertrauensärztin schicken . Diese kann dem Arbeitgeber zurückmelden, ob eine Krankschreibung gerechtfertigt ist, in welchem Ausmass und für wie lange Sie nicht mehr arbeiten können und ob Sie vielleicht trotzdem bestimmte Arbeiten verrichten können.
Muss ich im Homeoffice arbeiten, wenn ich erkältet bin?
Wenn Sie ein Arztzeugnis eingeholt haben, gilt auch hier: Die Ärztin gibt anhand ihrer Diagnose vor, was möglich ist und was nicht. Wenn Sie von heute auf morgen krank werden und kein Arztzeugnis einholen, weil es Ihnen am folgenden Tag schon wieder besser geht, ergibt Arbeiten im Homeoffice wegen der Ansteckungsgefahr sicher Sinn. Doch ob Sie auch tatsächlich arbeitsfähig sind, ist wiederum eine medizinische Frage. Manche fühlen sich bei einer Erkältung elend krank, wiederum andere können trotz Fieber locker noch den halben Tag arbeiten. Wichtig ist, dass Ihre Arbeitgeberin Sie nicht zum Arbeiten zwingen kann, wenn Sie nicht arbeitsfähig sind. Die Chefin kann, gestützt auf ihre Fürsorgepflicht, eventuell gar ein Arbeitsverbot aussprechen (siehe Box «Pflichten des Arbeitgebers»).
Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich bei einer Erkältung nicht arbeiten gehe, andere jedoch schon. Führt deren Verhalten nicht noch zu mehr Druck unter den Mitarbeitern?
Ja, das ist so. Deshalb sollte der Arbeitgeber Präsentismus entgegenwirken und kranke Mitarbeiter nach Hause schicken. Es liegt auch in seinem Interesse, dass die gesunden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht angesteckt werden. Bleiben Sie deshalb konsequent und halten Sie sich vom Arbeitsplatz fern, wenn Sie sich nicht arbeitsfähig fühlen. Vergleichen Sie sich nicht mit anderen, die trotzdem ins Büro kommen.
Darf die Chefin kontrollieren, ob ich krank bin?
Kontrollanrufe oder sogar Kontrollbesuche von Vorgesetzten muss man nicht akzeptieren. Sie verletzen die Privatsphäre. Wenn Arbeitgeber Zweifel haben, können sie kranke Angestellte zu einem Vertrauensarzt schicken – auf Firmenkosten (siehe oben). Auch Vertrauensärzte sind ans Arztgeheimnis gebunden.
Gibt es keinen Lohn, wenn ich krank bin?
Auch wer krank ist, hat Anspruch auf Lohn – mit sämtlichen festen Zulagen. Man verdient also gleich viel, wie wenn man arbeiten würde. Wie lange Arbeitgeber zahlen müssen, hängt von den Dienstjahren ab. Das Gesetz macht keine genauen Angaben dazu, darum haben die Arbeitsgerichte von Basel, Bern und Zürich eigene Skalen entwickelt. Im ersten Dienstjahr gilt überall: für drei Wochen voller Lohn. Ab dem zweiten Jahr gibt es kleine Unterschiede. Diese Lohnfortzahlungspflicht kann auch in einem Gesamtarbeitsvertrag geregelt sein.
Hat ein Arbeitgeber keine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, entscheidet sich die Lohnfortzahlungsdauer anhand der Dienstjahre des erkrankten Mitarbeiters und nach welcher Skala sich diese anhand von Richtlinien verschiedener Arbeitsgerichte orientiert. Im Merkblatt «Wie lange bekomme ich den Lohn bei Arbeitsunfähigkeit?» sehen Beobachter-Mitglieder, was Ihnen bei Krankheit zusteht.
Wie steht es mit Krankentaggeld?
Viele Betriebe schliessen eine Krankentaggeldversicherung ab. Für den Lohn gelten dann die Police und die jeweiligen allgemeinen Versicherungsbedingungen. In der Regel zahlt die Versicherung ein Taggeld aus, das 80 Prozent des versicherten Verdienstes entspricht – während 720 oder 730 Tagen. Oft gibt es am Anfang eine Wartefrist, zum Beispiel 30 Tage. Während dieser Wartefrist muss die Arbeitgeberin den Lohn selber zahlen, und zwar mindestens eine gewisse Zeit lang gemäss Gesetz (siehe oben). Schriftlich darf vereinbart werden, dass die Firma dann nur 80 Prozent des Lohns bezahlt. Ohne Abmachung sind es 100 Prozent. Ein Arbeits- oder Gesamtarbeitsvertrag kann vorsehen, dass in den ersten drei Krankheitstagen kein Lohn geschuldet ist.
Kann man mir bei Krankheit kündigen?
Wer krank ist, dem kann für eine gewisse Zeit nicht gekündigt werden . Das hängt von den Dienstjahren ab. Im ersten Jahr beträgt die sogenannte Sperrfrist 30 Tage, vom zweiten bis zum fünften Jahr 90 Tage, ab dem sechsten 180 Tage. Jede neue Krankheit löst eine neue Sperrfrist aus. Wenn man krank war und später einen Rückfall erleidet, werden die Krankheitstage zusammengezählt. Eine Kündigung während dieser Fristen ist ungültig. Läuft schon eine Kündigungsfrist und werden Angestellte krank, verlängert sich das Arbeitsverhältnis um die Krankheitstage und endet am folgenden Monatsende. Achtung: Das gilt nicht, wenn Angestellte selber gekündigt haben.
Wer während der Kündigungsfrist krank wird oder verunfallt, sollte den Arbeitgeber notfalls selber darauf hinweisen, dass sich dadurch das Arbeitsverhältnis verlängert. Beobachter-Mitglieder erhalten hierfür eine nützliche Mustervorlage «Verlängerung der Kündigungsfrist wegen Arbeitsunfähigkeit», die man per Einschreiben dem Arbeitgeber überreichen kann.
Kann ich Ferien nachholen, wenn ich krank war?
Wer während der Ferien krank ist, kann die verpassten Urlaubstage nachholen. Wichtig ist, dass man die Arbeitgeberin sofort informiert und ein Arztzeugnis einholt. Umgekehrt kann die Arbeitgeberin Ferien kürzen, wenn man länger krank ist. Ab dem zweiten Monat der Krankheit darf sie die Ferien für jeden vollen Monat Abwesenheit um einen Zwölftel kürzen.
Was darf ins Arbeitszeugnis?
Ein Arbeitszeugnis muss in erster Linie wohlwollend und wahr sein. Die Firma darf darin eine Krankheit nur ausnahmsweise erwähnen – wenn sie sich gravierend auf die Leistung oder das Verhalten ausgewirkt hat oder wenn man deshalb nicht mehr fähig war, die Aufgaben zu erfüllen. Die Krankheit war dann ein sachlicher Grund, warum das Arbeitsverhältnis geendet hat. So hat es das Bundesgericht entschieden.
Krankheit: Pflichten der Arbeitnehmer
Sie müssen die Arbeit aussetzen,
- wenn Sie arbeitsunfähig sind.
- wenn die Arbeit der Heilung schadet – vor allem wenn sich die Krankheit verschlimmern kann, sie noch länger dauern oder chronisch werden könnte.
- wenn Sie an einer ansteckbaren Krankheit leiden.
Folgen einer Nichtbeachtung
Kämen Angestellte trotzdem zur Arbeit, wäre das eine «arbeitsvertragliche Pflichtverletzung», eine Verletzung der Treuepflicht. Im Extremfall könnte der Arbeitgeber auf die Idee kommen, bei einer verlängerten Arbeitsunfähigkeit die Lohnfortzahlung zu verweigern, weil die Krankheit nicht mehr unverschuldet ist. Hier ist aber klar, dass der Arbeitgeber alle zumutbaren Möglichkeiten vorher ausgeschöpft haben muss, die Angestellte vor sich selbst zu schützen. Auf keinen Fall darf die Chefin die Lohnfortzahlung verweigern, wenn sie dafür sorgte, dass die kranke Angestellte gearbeitet und so die Krankheit verschleppt hat.
Krankheit: Pflichten des Arbeitgebers
Diese Massnahmen sollen Chefs ergreifen, um Präsentismus zu verhindern:
- Die Arbeit so organisieren, das Arbeitnehmer bei Krankheit gelassen zu Hause bleiben können (etwa Stellvertretung organisieren, Ziele anpassen und auf unbezahlte Karenztage zu Beginn einer Absenz verzichten).
- Bei offensichtlicher Arbeitsunfähigkeit und fehlender Einsicht der kranken Person muss die Chefin von ihrem Recht Gebrauch machen und die Angestellte nach Hause schicken.
- Wenn nötig, ist auch die Weiterarbeit von zu Hause aus zu verbieten.
- In begründeten Einzelfällen kann es notwendig sein, den Computerzugang zum Firmennetzwerk sperren zu lassen.
Folgen einer Nichtbeachtung
Wer darunter leidet, dass sie oder er wegen Krankheit nie zu Hause bleiben kann, könnte vor Gericht klagen oder die Arbeit verweigern, bis das Management eine Lösung gefunden hat. Denkbar wäre auch, Schadenersatz oder eine Genugtuung zu verlangen. Was das für die weitere Zusammenarbeit bedeutet, ist eine andere Frage.
Bei einer Krankheit oder einem Unfall haben Arbeitnehmer Rechte und Pflichten. Für wie lange erhält man bei Arbeitsunfähigkeit noch den Lohn? Darf der Chef einfach kündigen? Was darf man mit einem Arztzeugnis noch in der Freizeit tun? Erhalten Sie als Beobachter-Mitglied Antworten auf diese und weitere Fragen.