«Dem Job nicht gewachsen?»
Frage: Nach einem Stellenwechsel mit gleichzeitigem beruflichem Aufstieg bin ich in ein psychisches Loch gefallen. Trotz Medikamenten sind Motivation und Lebensfreude am Tiefpunkt. Kann es sein, dass die neue Stelle eine Nummer zu gross für mich ist?
Veröffentlicht am 16. Juli 2007 - 18:12 Uhr
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Es kann sein, dass Ihre Selbstdiagnose zutreffend ist und Sie tatsächlich beruflich überfordert sind. Vielleicht haben Sie schon vom Peter-Prinzip gehört. Der Amerikaner Laurence J. Peter hat es vor bald 40 Jahren in satirisch-ironischer Form beschrieben. Er hat beobachtet, dass in hierarchisch aufgebauten Organisationen ein grosser Druck besteht, aufzusteigen. Wer eine Position gut ausfüllt, dem gelingt es in der Regel, einen weiteren Schritt nach oben zu machen. Dieser Prozess kommt leider erst zum Stillstand, wenn man auf einer Position angelangt ist, der man nicht mehr gewachsen ist. Die Arbeit wird dann von denjenigen Untergebenen erledigt, die noch nicht überfordert sind.
Sollte diese Beschreibung auf Sie zutreffen, ist Letzteres ein schwacher Trost, denn Sie leiden unter dem Gefühl der Überforderung und zeigen Symptome einer Erschöpfungsdepression. Da es sehr schwierig ist, ohne Gesichtsverlust auf der Karriereleiter abzusteigen, empfehle ich Ihnen, sich bei einer Fachperson ein Coaching zu gönnen. Gefühle der Überforderung und Stress hängen nämlich nicht nur von den tatsächlichen Aufgaben ab, sondern sehr stark auch von der persönlichen Deutung der Situation. Diese aber ist veränderbar.
Bewältigungsstrategien bringen Entlastung
Eine andere Einstellung zu Ihrem Job, aber auch neue konkrete Bewältigungsstrategien für die neuen Aufgaben können Sie entlasten und Ihnen die Lebensfreude zurückgeben. Wenn Sie etwa bisher erfolgreicher Fachmann auf einem Gebiet waren und jetzt in eine Führungsposition aufgestiegen sind, müssen Sie akzeptieren, dass jetzt Kommunikation mit den Mitarbeitern wichtiger ist als Detailkenntnisse des Fachgebiets.
Übermässiger Druck am Arbeitsplatz kann aber nicht mit dem Peter-Prinzip allein erklärt werden. Manche Angestellte fühlen sich auch überfordert, ohne weit aufgestiegen zu sein. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass es normal ist, als berufstätige Person in der Mitte des Lebens unter Überlastung zu leiden. Es sind die drei K, die dann in vielen Fällen drücken: Kinder, Karriere und Kredite. Kinder kosten viel, erfordern viel Zuwendung und eine grosse emotionale Präsenz. Am Arbeitsplatz muss man sich auch im Wettbewerb und im Konkurrenzkampf behaupten, wenn man nicht aufsteigen will, und wer sich ein Haus oder eine Eigentumswohnung zugelegt hat, muss nun die Hypothek amortisieren oder mindestens Hypothekarzinsen bezahlen.
Untersuchungen haben ergeben, dass die Lebens-Glückskurve U-förmig verläuft: Heute sind Junge und Alte deutlich glücklicher als Menschen um die vierzig herum. Wer sich damit nicht zufriedengeben will, muss sich in der Mitte des Lebens besonders sorgfältig um Psychohygiene, um einen gesunden Rhythmus zwischen Anspannung und Loslassen und um bewusste Antistressmassnahmen kümmern. Am wichtigsten ist es aber, zu spüren, wo die eigenen Grenzen sind, und diese nicht chronisch zu überschreiten.
Buchtipp
Laurence J. Peter und Raymond Hull: «Das Peter-Prinzip»; Rowohlt-Taschenbuchverlag, 2001, 188 Seiten, Fr. 14.60