Was stört den Unterricht?
Rund um Edelweisshemd und Kopftuch: Mit welchen Herausforderungen Schweizer Lehrpersonen im Klassenzimmer konfrontiert sind.
Veröffentlicht am 21. Dezember 2015 - 14:24 Uhr
Einheitlich in Edelweisshemden gekleidet erscheinen zehn Jugendliche in einer Sekundarschule im Kanton Zürich zum Unterricht – und werden so innert kurzer Zeit zum nationalen Gesprächsthema. Weil die Lehrerin das Outfit als «rassistisch» taxiert und einen Kleiderwechsel befiehlt. Prompt wird eine in regelmässigen Abständen auftauchende Diskussion wieder losgetreten: Welche Kleidung darf im Schulzimmer getragen werden? Und wer entscheidet das?
Fakt ist: Juristisch ist eine Kleiderordnung nicht durchzusetzen. Es gehört zur persönlichen Freiheit jeder Schülerin und jedes Schülers, sich zu kleiden wie man will. Ebenso wenig dürfen Make-up und Frisur vorgeschrieben werden. Denn grundsätzlich gilt im Schulzimmer:
«Erlaubt ist, was den Unterricht nicht stört.»
Aber was ist darunter zu verstehen? An welchen Kleidern stört man sich? «Dauerbrenner sind Dächlikappen oder Mützen, im Sommer zu knappe Kleidungsstücke, die Strings oder viel Bauch freilegen, oder auch Sportbekleidung während des normalen Unterrichts», sagt Jürg Brühlmann, Mitglied der Geschäftsleitung des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). Die Jugendlichen würden mit viel «Fantasie für Originalität» immer wieder versuchen, durch bestimmte Kleidung Reaktionen anderer zu testen oder die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu demonstrieren. «Manchmal durchaus auch etwas provokativ. Erfahrene Lehrpersonen haben aber schon viele Trends erlebt und wieder vorbeiziehen sehen. Das wird so weitergehen», so Brühlmann.
Streng verboten sind an vielen Schulen rassistische Symbole und Bilder (z.B. auf T-Shirts). Häufig ist zudem ein Dresscode von der Schule beschlossen und wird im Ermessen der Lehrperson durchgesetzt. Etliche Schulen erarbeiten die Richtlinien zur Kleiderordnung mittlerweile im direkten Austausch mit Schülerinnen und Schülern. Denn auch diese sind bisweilen der Ansicht, dass manche Klassenkameraden kleidungstechnisch gerne mal übertreiben.
Heikler wird die Umsetzung eines solchen Dresscodes, wenn religiöse Aspekte ins Spiel kommen. So hat das Bundesgericht jüngst zugunsten eines bosnischen Mädchens entschieden, das den Schulunterricht im sanktgallischen St. Margrethen nur noch besuchen wollte, wenn es dabei sein Kopftuch tragen durfte. Das Gericht liess verlauten, dass Disziplin und Ordnung im Unterricht nicht gestört würden, wenn eine Schülerin ein Kopftuch trägt – und wies die Beschwerde der Schulgemeinde St. Margrethen ab.
Einig ist man sich in der Lehrerschaft, dass eine sichere und wohlwollende Schulatmosphäre nicht durch Verbote gefördert wird, sondern durch konstanten Austausch zu heiklen Themen. Auch allgemeingültige Richtlinien machen gemäss Brühlmann nicht immer Sinn: «Im einen Quartier dominieren teure Kleidung und Gadgets die Szene, im anderen wird Geldmangel mit Auffälligkeiten kompensiert.» Und auch das kann nach drei Jahren schon bereits wieder ganz anders aussehen – wenn die nächste Schülergeneration ihre neuen Trends lanciert hat.
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