Skilehrer: Knochenjob im Pulverschnee
Sonne, Pulverschnee und jede Menge Verehrerinnen: Ski- oder Snowboardlehrer erscheint vielen Flachländern unter der winterlich-trostlosen Hochnebeldecke als Traumberuf. Doch das Ferienbild vom lockeren Winterjob trügt.
Veröffentlicht am 10. August 2000 - 00:00 Uhr
Er ist der Schwarm der Frauen auf der Piste. Braun gebrannt, mit bestem Material ausgestattet, zieht er elegant seine Schwünge durch den Tiefschnee.
Das Drehkreuz an der Liftstation umgeht er selbstbewusst. Fällt eine Schülerin um, greift er ihr helfend unter die Arme; weint jemand vor Verzweiflung, spendet er Trost und Aufmunterung. Ski- oder Snowboardlehrer müsste man sein!
«Das "Gigi vo Arosa"-Klischee hält sich bei Unterländern tatsächlich hartnäckig», sagt Pascal Altermatt, 28, aus Balsthal SO. «Nur stimmt es nicht.» Altermatt ist Turn- und Sportlehrer mit Spezialfach Schneesport. Vor zwei Jahren machte er sein Hobby zum Beruf und wurde Skilehrer in St. Moritz. Nach der Ausbildung unterrichtete er eine Saison, heute schult er Lehrer für den Schneesport.
Gut Ski fahren reicht nicht
«Skilehrer ist ein äusserst anstrengender Beruf», lässt Altermatt alle Illusionen platzen. Unabdingbare Voraussetzungen neben der Freude am Ski- oder Snowboardfahren sind eine tadellose Technik, Pflichtbewusstsein, Spass am Umgang mit Menschen, die Fähigkeit, eine Gruppe zu führen, Einfühlungsvermögen, Organisationstalent und Verantwortungsbewusstsein. Im Weiteren braucht eine Ski- oder Snowboardlehrerin Kenntnisse über Schnee- und Lawinenverhältnisse. Verlangt wird zudem mindestens eine Fremdsprache.
«Früher reichte es, ein guter Skifahrer zu sein», sagt Curdin Frischknecht, 32, aus Trin Mulin. Er ist einer der rund 7000 Ski- und Snowboardlehrer, die in der Hochsaison in rund 200 Schweizer Skischulen im Einsatz sind. «Heute ist das pädagogische Geschick mindestens ebenso wichtig. Das Wichtigste jedoch ist Geduld, Geduld und nochmals Geduld.» Schliesslich sind Anfänger die besten Kunden der Ski- und Snowboardschulen.
Für den Einstieg empfiehlt es sich, als Kinderskilehrer zu arbeiten oder den ersten J+S-Leiterkurs (Jugend+Sport) zu besuchen. So ist am besten abschätzbar, ob einem die Tätigkeit zusagt und sich die Ausbildung des Schweizerischen Interverbands für Skilauf (SIVS) zum Skilehrer auch wirklich lohnt. Diese kostet nämlich gegen 5000 Franken.
Wer weniger Geld, dafür mehr Zeit in die Ausbildung investieren kann, dem steht neben der SIVS-Ausbildung auch jene zum J+S-Leiter offen. «Der SIVS bildet Profis aus, wir die Amateure», erklärt Urs Rüdisühli, J+S-Fachleiter für Skifahren und Snowboard an der Eidgenössischen Sportschule in Magglingen. «Die Ausbildungen sind gegenseitig anerkannt. Dadurch ist der Ubertritt vom J+S-Milizsystem in den Profibereich des SIVS möglich.»
Maximal 6000 Franken im Monat
Die J+S-Ausbildung erfolgt wie jene des SIVS in drei Stufen, dauert aber länger, mindestens drei Saisons. Der Eintrittstest und der Kostenanteil an die Kurse belaufen sich im J+S-Verfahren je nach Kanton auf 300 bis 500 Franken. Danach kann man in die Profiausbildung des SIVS wechseln und den «Skilehrer Stufe III» absolvieren.
Aber auch nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung ist Ski- oder Snowboardlehrer kein «Schoggijob». «Sie haben eine immense Verantwortung. Die Eltern vertrauen ihnen schliesslich ihre Kinder an», gibt Marcel Paris, ehemaliger Skilehrer und heutiger Leiter der Skischule Bellwald im Goms, zu bedenken.
Die Anstellungsbedingungen für Ski- und Snowboardlehrer in der Schweiz unterscheiden sich von Region zu Region. «Grundsätzlich sind die Arbeitsbedingungen in Nobelgebieten wie beispielsweise in St. Moritz am vorteilhaftesten», sagt Riet Campell, Direktor des Schweizerischen Ski- und Snowboardschulverbands (SSSV) und Ausbildungschef beim SIVS. Die Ausgestaltung des Arbeitsvertrags ist aber weitgehend den Skischulen überlassen.
Ein vergünstigtes Saisonabonnement gehört überall dazu. Ublicherweise hilft einem die Skischule auch bei der Suche einer günstigen Unterkunft. Darüber hinaus gibt es kaum einheitliche Richtlinien. Bezahlt werden Ski- und Snowboardlehrerinnen normalerweise im Stundenlohn, doch auch Tages-, Wochen- oder Monatslöhne sind üblich. In St. Moritz kostet ein Tag Privatunterricht gemäss Riet Campell rund 280 Franken. «Also verdient ein Skilehrer maximal 6000 Franken im Monat. Vorausgesetzt, er kann jeden Tag arbeiten. Bleiben die Gäste aus oder ist das Wetter schlecht, gibt es keinen Lohn.»
Auch die hochwertige Ausrüstung wird einem in der Regel nicht geschenkt. Jacken und Hosen werden meist vermietet oder gratis ausgeliehen, Bretter und Stöcke sind vergünstigt im lokalen Sportgeschäft erhältlich. Doch selbst wenn es mit den Privilegien nicht weit her ist, Ski- und Snowboardlehrer lieben ihren Beruf: «Ich bin den ganzen Tag an der frischen Luft und lerne die unterschiedlichsten Menschen kennen», sagt etwa Curdin Frischknecht.
Oft führen Begegnungen sogar zu einer Heirat. So arbeitete Frischknechts Frau, die er eben erst geheiratet hat, am Info-Desk der «Weissen Arena» in Laax GR.