Architekt Guido Krucker macht sich auf den Weg in den Schülerhort. Der 68-jährige Rentner engagiert sich seit drei Jahren ohne Bezahlung im Schulhaus «Im Gut» in Zürich. Jeden zweiten Freitag ist er ganz für die 24 Kinder da. «Wir basteln oder malen gemeinsam, ich lese aus Büchern vor, oder wir gehen nach draussen», sagt Krucker, dessen Traumberuf Lehrer war. Er ist tätig im Rahmen des Pro-Senectute-Projekts «Generationen im Klassenzimmer», in dem letztes Jahr im Kanton Zürich 680 ältere Menschen dabei waren. «Mich faszinieren die Unbeschwertheit der Kinder und ihre Kreativität. Mir war klar, dass ich mich nach der Pensionierung einer neuen Herausforderung stellen möchte», sagt Krucker. «Jahre davor habe ich mir aufgeschrieben, was ich nach der Pensionierung unternehmen wollte, um meinen neuen Lebensabschnitt weiterhin aktiv zu gestalten.»

Die sogenannte Schoggigeneration: topfitte Neurentner, die es sich leisten können, unbezahlte Arbeit zu verrichten. Nur den Ruhestand zu geniessen erfüllt sie zu wenig. Deshalb engagieren sie sich in Institutionen, Vereinen oder in der Nachbarschaft. «Wir finden ohne Probleme Neurentner, die sich unbezahlt als Fachexperten engagieren wollen», sagt Anja Bremi, Präsidentin der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter in Zürich. Dort beraten und unterstützen 25 Senioren alte Menschen bei Konflikten im persönlichen Umfeld, mit Behörden oder Institutionen.

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Milliardenschwere Leistung
Es ist ein Erfolgsmodell. Im Jahr 2000 wendeten ehrenamtlich Tätige in der Schweiz laut Experten 740 Millionen Stunden für private Hilfeleistungen oder unentgeltliche Arbeit in Vereinen auf. Würde diese Arbeit entlöhnt, ergäben sich Kosten von 27 Milliarden Franken. Von der Gratisarbeit profitiert nicht nur die Allgemeinheit: Viele Pensionierte finden dadurch neue Lebensaufgaben. «Ohne Planung fallen einige nach 65 in ein Loch, plötzlich ist die Routine, der gewohnte Tagesablauf nicht mehr da», warnt Barbara von Escher, Präsidentin von Benevol Schweiz, der Dachorganisation der Deutschschweizer Fach- und Vermittlungsstellen für Freiwilligenarbeit. Suche jemand eine neue Herausforderung, bietet Benevol Unterstützung: «Unsere Fachstellen vermitteln Ehrenamtliche für geeignete Aufgaben», sagt von Escher.

38 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung leisteten 2007 unbezahlte Arbeit. Bei den 65- bis 74-Jährigen waren es gar 43,6 Prozent, also bald jede zweite Person. «Optimal ist es, vor der Pensionierung Teilzeit zu arbeiten und sich bereits ehrenamtlich zu engagieren», sagt Daniel Wirz von der Pro Senectute Zürich. Je mehr Hobbys und Kontakte jemand habe, umso leichter falle es auch, den Ruhestand ausgefüllt zu gestalten, so Wirz. Er empfiehlt, mit spätestens 55 Jahren nach vorne zu blicken, die finanzielle Situation zu überprüfen und die nötigen Weichen zu stellen. Interessenten bietet Pro Senectute auch Hilfe und ein Seminar «Kurs auf die nachberufliche Zukunft» an.

Schritt für Schritt aus dem Berufsleben ausgestiegen ist auch Marijke Frater: «Meine Pensionierung verlief irgendwie fliessend, ich habe das kaum gemerkt.» Sie ist heute Beraterin beim Projekt Innovage, das das Engagement von Pensionierten mit Führungs-, Management- oder Beratungserfahrung fördert. Frater hatte mit 55 Jahren noch eine eigene Firma gegründet, in der sie während sechs Jahren für Forschung und Entwicklung verantwortlich war. «Als ich 58-jährig war, wurde aus der Firma eine Start-up-Aktiengesellschaft. Ich war mir aber bewusst, dass ich da nicht mehr allzu lange dabei sein werde», erzählt sie. «Ab 61 Jahren habe ich dann verschiedene Kurse zur Persönlichkeitsweiterbildung besucht, in denen ich mir viele Gedanken über die Zeit nach meiner Pensionierung gemacht habe.» Zu Innovage stiess sie über einen Zeitungsartikel: «Ich bin ja erst 67-jährig und will mein Wissen und meine Erfahrung weitergeben.» Nun berät sie die Leitung eines Seminarhauses in Managementangelegenheiten.

Bei solcher Freiwilligenarbeit gehe es nicht um das Helfersyndrom, betont auch Rentnerin Denise Moser. Es gehe vielmehr darum, Wissen weiterzugeben, und «das ist auch ein Gewinn für mich selber», weiss die Vizepräsidentin des Forums Freiwilligenarbeit Schweiz und Präsidentin von Benevol Basel. «Jeder muss für sich allein überlegen, welche und wie viel ehrenamtliche Arbeit er leisten will und kann», sagt die 65-Jährige.

Investieren in die junge Generation
Statistische Tatsache ist: Heutige Neurentner haben noch mehr als 20 Lebensjahre vor sich. Das hofft auch der 68-jährige Guido Krucker: «Da ich noch gesund und unternehmungslustig bin, investiere ich gerne einige dieser Jahre in die junge Generation; die Tage im Hort sind eine Lebensbereicherung und bereiten mir sehr viel Freude. Es ist ein schönes Gefühl, dass die Kinder mich jeweils freudig empfangen», sagt er und schwärmt bereits vom nächsten Hortbesuch.