Vielen Thurgauern ist der Blust die liebste Zeit im Jahr. Wenn die Obstbäume aus der Ferne aussehen wie von einer dünnen Schneeschicht bedeckt, geht von den Plantagen ein besonderer Zauber aus. Thurgau Tourismus hat für diese Wochen eigens ein «Bluescht-Telefon» eingerichtet, das die Anrufer über den tagesaktuellen Stand der Obstbaumblüte informiert. Wenn sich die weiss-rosa-farbenen Blüten ins Grün der Landschaft mischen, ist es Zeit, die Wanderschuhe zu schnüren und Mostindien zu Fuss zu erkunden.

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Die satirische Wochenzeitschrift «Post-heiri» machte sich in den 1850er-Jahren einen Spass daraus, über 100 Ortschaften, Kantonen und Regionen Spitznamen zu verleihen. Die meisten verschwanden, «Mostindien» aber hat sich gehalten – ein Wortspiel, das auf die geografische Bezeichnung Ostindien für die Kolonien in Asien ebenso anspielt wie auf den Obstbau. Noch heute stammen jeder zweite Liter Most und jeder dritte Apfel in der Schweiz aus dem Thurgau.

Auf den Höhenzügen öffnet sich immer wieder der Blick auf das Blau des Bodensees.

Quelle: Herbert Haltmeier/Prisma
Ein Schloss aus dem 13. Jahrhundert

Auf den Hügelzügen über Amriswil ist die Zivilisation bald nicht mehr zu hören: Die grünen Felder und braunen Äcker gehen weit hinten in verschneite Berge über. Nur Stille und Weite – und Hunderte von Obstbaumkronen, die zur «Bluescht» in Weiss getüncht sind, als trügen sie Tüll, um den Frühling zu feiern.

Einige Kilometer weiter überqueren wir eine Holzbrücke. Und stehen im Wasserschloss Hagenwil, im kühlen Gemäuer aus dem 13. Jahrhundert. Wir setzen uns in die mit Blumen bemalte Stube mit der niedrigen Decke. Aus der Küche duftet es nach Mandelgipfeln, durch die Fenster weht das Schnattern der Enten hinein. Hier liesse es sich verweilen bei einem Krug Weisswein vom hauseigenen Rebberg oder einem kühlen Most aus Äpfeln von den knorrigen Bäumen in der Nachbarschaft – aber der Weg ist noch weit.

In der Gaststube schwärmen sie vom Naturschutzgebiet Hudelmoos. Dort leben 40 Vogel-, 210 Schmetterlings- und 29 Libellenarten. Es soll unser nächstes Ziel sein. Nur: Ganz so einfach ist dieses Hochmoor nicht zu finden. Wegweiser fehlen, und das Mädchen, das wir nach dem Weg fragen, scheint sich in Sachen Würste besser auszukennen als in Sachen Moor – es schickt uns zu einer Grillstelle.

Das Moor finden wir nicht. Schön ist es aber auch im Wäldchen, durch das wir nun gehen, es hat etwas Wildes, obwohl es eher licht als dicht ist.

Nach einem weiteren Kilometer erreichen wir den Weiler Räuchlisberg. Wir sind entzückt ob der Riegelbauten, für die der Kanton fast so bekannt ist wie für die Äpfel. Um 1810 waren 75 Prozent aller Bauten in der Region Riegelhäuser. Und noch heute stehen über eine halbe Million Fachwerkhäuser in der Nordostschweiz.

In einem Waldstück nach Schocherswil sehen wir nur noch blau. Vor uns breitet sich der Biessenhofer Weiher aus, den wir anfänglich für eine Sinnestäuschung halten, so unwirklich wirkt er auf diesem Hügel inmitten dicht stehender Baumriesen. Der Wind schüttelt das Schilf durch, er zaubert kleine Wellen auf das Wasser.

Und dann sind sie wieder da, die Obstbäume. Links und rechts des Weges ragen sie in den blauen Himmel, als stünden sie Spalier. Wir glauben, schon den sauren Most zu riechen, den uns die Wirtin in Götighofen in Tonbechern servieren wird. Mit seiner Hilfe werden wir den Abstieg nach Sulgen beschwingt in Angriff nehmen.

1. Schlossweg durch den Mittelthurgau

Route: Amriswil–Hagenwil–Hudelmoos–Räuchlisberg–Schocherswil-Biessenhofer Weiher–Götighofen–Sulgen

Charakter: leichte Wanderung

Wanderzeit: 3 Stunden und 50 Minuten

Distanz: 17 Kilometer

Karte: Landeskarte 1:50 000; Blatt 217, Arbon

Anreise: mit dem Zug nach Amriswil

Essen und Übernachten: Im Restaurant Wasserschloss Hagenwil kommen regionale Spezialitäten und Wein vom hauseigenen Rebberg auf den Tisch. Wer den Aufenthalt verlängern möchte, findet im Hotel Le Lion im nahen Bischofszell eine schöne Unterkunft für weitere Streifzüge.

Staunen: Die Blüte der Obstplantagen kann es locker mit der berühmten japanischen Kirschblüte aufnehmen. Auch das Wasserschloss Hagenwil, das Naturschutzgebiet Hudelmoos und der Biessenhofer Weiher sind einen Besuch wert.

«Bluescht-Telefon»: Einen tagesaktuellen Bericht über den Stand der Obstbaumblüte erhält man bei Thurgau Tourismus: Telefon 071 414 11 44

Quelle: Herbert Haltmeier/Prisma
Quelle: Herbert Haltmeier/Prisma
2. Panoramaweg

Route: Schönenbaumgarten–Belzstadel–Eggethof–Langrickenbach–Herrenhof–Schönenbaumgarten

Charakter: leichte Wanderung

Wanderzeit: 3 Stunden und 15 Minuten

Distanz: 13 Kilometer

Karte: Landeskarte 1:25 000; Blatt 1054, Weinfelden

Anreise: mit dem Zug nach Amriswil und mit dem Bus nach Schönenbaumgarten

Sehenswertes: Ab Schönenbaumgarten Selsmühle führt der Weg dem Stichbach entlang durch den Wald und dann über weite Felder. Von Belzstadel aus sieht man bis zum Alpstein und zu den Berner und den Vorarlberger Alpen.Kurz nach Eggethof erreicht man den Grillplatz Neuhof. Auf dem folgenden Streckenabschnitt sieht man bei guten Bedingungen bis zum deutschen Ufer des Bodensees.

Sehenswert ist auch der denkmalgeschützte Dorfkern von Herrenhof. Die Grillstelle auf dem alten Reservoir ist ein wunderbarer Ort, um nach dem Marsch etwas zu entspannen. Danach geht es zurück zum Ausgangspunkt.

3. Höhenrundweg Mammern

Route: Mammern–Chlingenegg–Ruine Neuburg–Mammern

Charakter: leichte Wanderung

Wanderzeit: 1 Stunde und 30 Minuten

Distanz: 6 Kilometer

Karte: Landeskarte 1:25 000; Blatt 1033, Steckborn

Anreise: mit der Bahn nach Mammern

Sehenswertes: Die Route führt entlang von Obstgärten hinauf zur Chlingenegg. Vom Höhenweg aus blickt man auf den glitzernden Untersee. Nachdem man sich in der Ruine Neuburg umgeschaut und vielleicht bei einer der zwei Grillstellen in der Nähe Rast gemacht hat, geht es weiter zum Neuburg-Weiher und dem See entlang zurück nach Mammern.