«Mit dem Falschen zusammen?»
Wie geht man mit dem Zweifel um, vielleicht mit dem falschen Partner zusammen zu sein?
Veröffentlicht am 14. Oktober 2014 - 09:53 Uhr
Frage von Maja B.: «Ich stecke in der Zwickmühle. Ich fühle mich von meinem Freund nach einem Jahr Beziehung noch immer heftig angezogen. Ich will ihn immerzu sehen. Es ist aber selten harmonisch, er hat mehrere Eigenschaften, die mich abstossen. Ruiniere ich mein Leben, weil ich mit dem Falschen zusammen bin?»
Das kommt drauf an, wie Sie weitermachen. Sie sollten sich bewusst entscheiden. Beide Varianten bringen einen Gewinn, aber haben auch ihren Preis: Wenn Sie in der Beziehung bleiben, erleben Sie starke Liebesgefühle mit den Nachteilen, die Sie in Ihrem Brief schildern. Wenn Sie aus der Beziehung aussteigen und auf etwas Solideres spekulieren, werden Sie sich weniger ärgern, aber es wird nicht mehr so romantisch und leidenschaftlich sein.
Ihre «Zwickmühle» erinnert an die Hitsingle von Pink, die ihrerseits aus einer ähnlichen Situation einen klaren Schluss zieht. Sie sagt zum Freund frei übersetzt: «Manchmal könnte ich dich ohrfeigen, aber ohne dich wäre mein Leben nichts wert: Also muss das wirklich Liebe sein.»
Auch Sie sind ganz offensichtlich verliebt. Das ist aber nicht einfach dasselbe wie Liebe. Die moderne Psychologie hat nämlich entdeckt, dass sich in der Liebe mindestens drei unterschiedliche Gefühlsströmungen unterscheiden lassen. Es gibt das sexuelle Begehren, das Gefühl der Verbundenheit und dann diese Blüte des Seelenlebens, die Verliebtheit. Seit Jahrhunderten haben Dichter alle möglichen Bilder beschworen, um der Intensität dieses Gefühls gerecht zu werden. «Stark wie der Tod ist die Liebe» heisst es schon im Alten Testament, und für Romeo in Shakespeares Drama ist Julia die «Sonne» seines Lebens schlechthin.
Die US-Forscherin Helen Fisher hat die Verliebtheit wissenschaftlich untersucht. Sie hat in New Jersey (USA) und Tokio (Japan) je über 400 Personen zu diesem Gefühl befragt. Es hat sich gezeigt, dass es sich dabei unabhängig von Kultur, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung und Alter um ein universelles Erleben handelt. Verliebtsein ist Teil der menschlichen Natur.
Sexuelles Begehren lässt sich grundsätzlich mit verschiedenen Partnern stillen; Gefühle der Verbundenheit kann man neben der Partnerschaft auch in Freundschaften und zu Kindern und Eltern erleben. Die Verliebtheit aber hat etwas Exklusives. Sie gibt der einen geliebten Person eine spezielle Bedeutung. Man muss immer an sie denken, wünscht sich, dass sie glücklich ist, möchte alles mit ihr teilen. Man ist in ihrer Gegenwart zuerst nervös, hat Angst, Fehler zu machen, hat unerklärliche Hemmungen. Aber das Zusammensein erfüllt einen auch mit grosser Energie, man braucht weniger Schlaf, hat weniger Appetit und fühlt sich lebendiger als je zuvor. Wird man wiedergeliebt, schwebt man gewissermassen auf Wolken. Verliebtheit macht tatsächlich auch etwas blind: Man sieht den Geliebten oder die Geliebte durch eine rosa Brille, überhöht die positiven Eigenschaften und übersieht die schlechten. Verliebtsein hat zudem durchaus Gemeinsamkeiten mit einer Sucht. Man ist unersättlich, kann nicht genug voneinander kriegen und hat bei Trennungen Entzugssymptome.
Verliebtheit ist keine Einbildung. Sie lässt sich messen. Fisher hat mit bildgebenden Verfahren nachgewiesen, dass im Gehirn von Verliebten bestimmte Hormone in höherer Konzentration vorhanden sind als bei Menschen im Normalzustand. Während Testosteron für das Begehren und Oxytocin für die Bindung verantwortlich sind, handelt es sich hier um Dopamin und um ein Hormon namens NGF. Auch auf dieser Ebene zeigen sich also die drei Komponenten der Liebe.
Allerdings: Das Begehren kann sich auf der Basis des Sexualtriebs immer wieder erneuern, die Verbundenheit wächst mit dem gemeinsamen Erleben. Nur die Verliebtheit ist vergänglich, das zeigen auch Fishers Untersuchungen. Auf Verliebtheit allein kann man keine lebenslange Partnerschaft – eventuell gar mit Familie – aufbauen. Dazu brauchts neben guter Sexualität und dem Gefühl von Verbundenheit auch realistische Vorbedingungen – wie etwa bei einer Geschäftsgründung: gleiche Ziele, gute Kommunikation, Solidarität.
Die romantische Verliebtheit ist zwar nicht von Dauer, aber sie ist wohl das schönste und stärkste Gefühl, das uns erfassen kann – und das manchmal auch mehrmals in einem Leben. Unabhängig vom Alter.