Wie spüre ich, dass die Liebe zu einem Mann echt ist?
Wieso schlägt Liebe manchmal so leicht in Überdruss um? Ist es dann richtige Liebe? Und was ist Liebe überhaupt?
Veröffentlicht am 19. Februar 2002 - 00:00 Uhr
Frage von Laura H.: «Ich habe Probleme mit der Liebe. Als sich mein Freund und ich kennen lernten, war es wie im Märchen. Weil ich aber viel Freiheit brauche, habe ich schon viermal mit ihm Schluss gemacht. War er dann weg und interessierten sich andere Frauen für ihn, wurde ich eifersüchtig. Doch sobald wir wieder beisammen waren, reizten mich andere Männer. Bin ich überhaupt beziehungsfähig – und wie erkennt man echte Liebe?»
Natürlich sind Sie beziehungsfähig, sonst würden Sie einsam in Ihrem Zimmer hocken und gar keinen Männern begegnen. Ihr Verhalten ist allerdings ungewöhnlich und ein Zeichen für so genannte ambivalente Gefühle: Mal wollen Sie den Mann, mal wollen Sie ihn nicht. Dieses Hin und Her kann ganz aufregend sein, wenn Sie beide den Reiz des Unsicheren mögen. Wenn Sie mehr Ruhe möchten, empfehle ich Ihnen einen Mittelweg: Treffen Sie sich bei funktionierender Beziehung weniger oft und für kürzere Zeit. Dann wird es Ihnen nicht zu viel, und Sie müssen nicht Schluss machen oder sich nach anderen Männern umsehen. Die Beziehung kann sich auf einer mittleren Ebene zwischen Nähe und Distanz einpendeln.
Ihre zweite Frage nach dem Wesen der wahren Liebe ist sehr viel schwerer zu beantworten. Grosse Dichter und Philosophen haben um Formulierungen gerungen. Denn gäbe es die Liebe nicht, wäre die Welt nicht nur grausam und trostlos. Es gäbe auch gar kein Leben, denn die Liebe ist die Antriebskraft der Fortpflanzung. Rein biologisch betrachtet gilt: ohne Begegnung der Geschlechter keine Arterhaltung.
Es scheint mir jedoch nicht sinnvoll, zwischen echter und unechter Liebe zu unterscheiden. Entweder man empfindet Liebe oder man empfindet keine. Liebe ist ein Gefühl, und es gibt keine falschen Gefühle. Nur falsche Gedanken – das Gehirn kann lügen, das Herz sagt immer die Wahrheit! Es gibt auch nicht die eine Liebe, sondern hundert oder tausend verschiedene Formen: mal intensiver, mal weniger intensiv. Mal eher körperlich, mal eher geistig. Mal fordernder, mal bedingungsloser. Mal kurz und vorübergehend, mal tief und lang anhaltend.
Ein gemeinsamer Nenner aller Formen der Liebe ist wohl, dass es um Bindung und Nähe geht. Die Liebe holt uns aus der Isolation der Selbstbehauptung und des Egoismus. Das «Ich» kann ein wenig in den Hintergrund treten, und das «Du» wird attraktiv. In alle sozialen Beziehungen mischt sich Liebe in unterschiedlicher Qualität und Intensität. Das Spektrum reicht von spontaner Sympathie bei einem kurzen Kaffeetischgespräch bis zum Gefühl, ohne einen bestimmten Menschen nicht mehr leben zu können.
Die Frage lautet also weniger: «Ist die Liebe echt oder unecht?», als: «Wie weit reicht diese Liebe, und was ermöglicht sie?». Es liegt auf der Hand, dass das Ziel, mit jemandem zusammenzuwohnen oder gar Kinder aufzuziehen, andere Gefühle erfordert als ein flüchtiges erotisches Ferienabenteuer.
Wenn ich persönlich prüfen will, ob ich geliebt werde oder jemanden liebe, achte ich darauf, wie weit das gegenseitige Interesse und Verständnis geht. Man fühlt sich geliebt, wenn der andere einen zentralen Zug der eigenen Persönlichkeit erkannt hat – und wenn man liebt, möchte man das innerste Wesen des andern erkennen.
Sicher ist, dass wir die Liebe so sehr brauchen wie Pflanzen das Sonnenlicht. Solange wir nur einen Hauch dieses Gefühls spüren können, sind wir lebendig und vor Depression und Verzweiflung geschützt.