«Alles nur Schein»
Die Modelagentur Fotogen verspricht jungen Frauen den Einstieg ins Modelgeschäft – dank ihren Kursen. Teilnehmerinnen sind enttäuscht.
Veröffentlicht am 12. März 2020 - 17:12 Uhr,
aktualisiert am 14. Juni 2021 - 07:32 Uhr
Sie nehmen an waghalsigen Fotoshootings teil und stolzieren in hohen Hacken über Laufstege: die Models von morgen, in den Shows, die heute im Fernsehen laufen. Die Teilnehmerinnen von «Switzerland’s next Topmodel» oder «Germany’s next Topmodel» kämpfen um einen Platz im begehrten Modehimmel – und sind Vorbilder für Mädchen ganzer Generationen. Topmodel ist für viele ein Traumberuf.
Das war auch für Aurelia Fischer* so. Ihr Traum schien in Erfüllung zu gehen, als sie von der Modelagentur Fotogen in Zürich aufgenommen wurde. «Falsch gedacht», sagt die junge Frau heute. «Alles nur Schein. Fotogen spielt mit unseren Träumen.» Aurelia Fischer vermutet, dass es der Agentur nur um das Geschäft geht. Zwei weitere betroffene Personen, die die Abläufe bei Fotogen kennen, äussern den gleichen Verdacht; sie möchten aber nicht namentlich genannt werden.
Die Agentur Fotogen gibt es seit über 50 Jahren. 2019 gründete sie zusätzlich die «Fotogen-Academy». Hier können Einsteigerinnen Modelkurse buchen. «Wenn sich junge Frauen bei Fotogen bewerben, wird ihnen der Kurs angedreht», sagt Aurelia Fischer. Die Kosten: 700 Franken für zehn Stunden Modeltraining inklusive Styling, Fotoshooting, Lauf- und Posierschulung sowie dem Vermitteln der wichtigsten Verhaltensregeln in der Branche.
«Das Absolvieren des Kurses ist freiwillig. Selbstverständlich nehmen wir nicht jede Bewerberin auf.»
Jad Hayek, Inhaber der Agentur Fotogen
«Der Geschäftsführer macht das geschickt, er schmiert den Mädchen Honig um den Mund. Er ist ein Charmeur», sagt Aurelia Fischer. Der Modelberuf habe seinen Reiz, und der Geschäftsführer wisse das. «Er verspricht, dass es gut investiertes Geld sei, dass danach die Aufträge und damit das grosse Geld reinkämen. Das stimmt aber nicht», sagt Aurelia Fischer weiter. «Da wird schlicht jedes Mädchen für den Modelkurs und danach angeblich in der Agenturkartei aufgenommen. Egal, ob es das Potenzial hat, Model zu werden oder nicht.» Jad Hayek, Inhaber der Agentur, weist die Vorwürfe zurück. «Das Absolvieren des Kurses ist freiwillig, und wir nehmen selbstverständlich nicht jede Bewerberin auf.»
Das Ziel sei, in möglichst kurzer Zeit die Basiskenntnisse als Model aufzuzeigen und zu professionalisieren, sagt Hayek. «Mit dem Workshop verfügen die Absolventinnen über ein umfassendes Startpaket. Damit können sie frei oder durch uns vermittelt in den Modelmarkt treten.» Immerhin hätten 20 von 30 Absolventinnen erfolgreich vermittelt werden können, sagt Hayek. «Wir prüfen das Potenzial einer Bewerberin natürlich vor der Aufnahme im Kurs oder in unserer Kartei.»
Aurelia Fischer bekam durch Fotogen keinen einzigen bezahlten Modelauftrag. Stattdessen posierte sie vor Fotografen, die sie selbst bezahlen musste. «Einmal fragte mich ein Fotograf, ob ich ihm das Honorar bar geben würde. Als ich ihm sagte, dass ich Hayek bereits bezahlt habe, war seine Reaktion: ‹Nicht schon wieder!›» Der Fotograf hätte 200 Franken weniger für das Shooting verlangt.
Alles nur Geldmacherei? «Fotogen gilt als renommierte Agentur im In- und Ausland», sagt Jad Hayek. Fragt man andere Schweizer Agenturen, zeigt sich ein anderes Bild. Es ist in der Branche bekannt, dass Fotogen solche Kurse anbietet. Diese seien aber wenig professionell, und das Versprechen von einem schnellen Erfolg sei etwas vollmundig.
«In der Branche wird man hellhörig, wenn von solchen Kursen gesprochen wird», sagt Bettina Schaefer von der Scout Model Agency. Es käme vor, dass sich Mädchen bei ihr melden und sagen, dass sie bereits einen Kurs absolviert haben. «Wenn wir sie uns dann anschauen, müssen wir leider sagen: Sie haben keine Chance auf dem Markt. Die Agentur wollte wohl einfach den Workshop verkaufen – egal, wie die Mädchen aussehen.»
Dass ein Model in Kurse investieren müsse, sei ungewöhnlich. «In Mailand, Paris oder Hamburg bezahlt man nicht dafür, dass man in einer Agentur aufgenommen wird. Auch bei seriösen Schweizer Agenturen nicht», sagt Bettina Schaefer. «Wenn ein Mädchen Potenzial hat, investiert man mit dem Ziel, dass es Modeljobs bekommt.»
Das bestätigt Barbara Eberle, Chefin der Agentur Option Model: «Ein Model muss nichts bezahlen, um bei uns aufgenommen zu werden. Falls es unser Interesse weckt, laden wir das Model in unsere Agentur ein. Kurse bieten wir keine an.»
* Name geändert
Der Beobachter schreibt: "Es ist in der Branche bekannt, dass Fotogen solche Kurse (Modelkurse für Einsteigerinnen) anbietet. Diese seien aber wenig professionell, und das Versprechen von einem schnellen Erfolg sei etwas vollmundig. Dass ein Model in Kurse investieren müsse, sei ungewöhnlich. «In Mailand, Paris oder Hamburg bezahlt man nicht dafür, dass man in einer Agentur aufgenommen wird. Auch bei seriösen Schweizer Agenturen nicht», sagt Bettina Schaefer.
Das ist falsch. Richtig ist: Auch bei Fotogen müssen Models nichts für die Aufnahme, Aufbau und Vermittlung bezahlen. Der Workshop ist freiwillig und wird nur wenigen angeboten. Von ca. 200 Bewerber im Monat erhalten vielleicht 5% das Angebot. Ausserdem hält der Vertrag schriftlich fest, dass es weder Garantien noch sonstige Versprechungen bei einer Teilnahme gibt. Die Erfolgsquote spricht für sich. Über 80% der Teilnehmer haben kurz darauf bereits sehr gute Jobs erhalten. Mittlerweile bieten die bekanntesten Agenturen weltweit Modelworkshops für ihre Newcomer an.
Jad Hayek, Fotogen AG, Zürich
2 Kommentare
ich habe durch Zufall den Artikel gelesen und musste mich äussern.Modeln ist für mich seid Kindesbeinen ein Traumjob. Ich bin gross, schlank und sehe gut aus. Ich habe mich bei Agenturen beworben und wurde aufgenommen. Ich war happy und stolz als Model arbeiten zu können. Leider bekam ich keine Unterstützung und sollte alle Shootings selber organisieren hiess es. Nach 1 Jahr ohne Job oder Shooting bin ich ausgetreten. Ich habe ein weiteres Jahr damit verbracht Shootings für mein Portfolio zu organisieren und habe jedes einzelne bezahlt. Kein einziges Shooting war wirklich zu gebrauchen. Ich war kurz vor dem aufgeben als meine Freundin mir von der Modelagentur fotogen erzählt hat und dass sie ihre Models selber aufbauen. Ich wollte das als letzte Chance nutzen und habe mich beworben. Da ich das Potential hatte wollte ich den Workshop. Ehrlich gesagt waren die Kosten sehr gering im Vergleich zu was ich schon alles ausgegeben hatte. Mir wurde weder was versprochen noch garantiert. ich habe durch den Workshop extrem viel gelernt und war so froh endlich Profis an meiner Seite zu haben. Ich bekam auch viele retuschierte Top Aufnahmen und wurde schon 1 Woche danach auf der Webseite aufgeschaltet. Ich habe inzwischen tolle Jobs und weitere Shootings bekommen und bin sehr glücklich meinen Traum noch ausleben zu können. Für mich hat es sich gelohnt aber wenn ich bedenke was ich mir hätte an zeit und geld ersparen können, dann bedauere ich das aber es war ein Lernprozess.
Ist es ein Traum der Frau "Aussehen" und promenieren, als Traumgirl. Wimpern, Haare, Schminke, Kleidchen, enge Hosen, Figurbetonen, also nur für sie selber ? So höre ich oft. "Ich bin es mir wert". Ohhh ich bin eine Mann, nicht sehr Traummann, aber es ist alles graesslich.