Hotelfachschulen: China-Connection im Visier der Behörden
Mit Studentinnen und Studenten aus China verdienen die Hotelfachschulen gutes Geld. Doch nicht alle Institute haben einen guten Ruf. Jetzt überprüft die Luzerner Bildungsdirektion deren Qualität.
Veröffentlicht am 4. April 2001 - 00:00 Uhr
Fürs Titelbild muss das Matterhorn herhalten, das Vorwort schreibt der Schweizer Botschafter in Beijing, Dominique Dreyer. Das Produkt: eine siebzig Seiten starke Broschüre in chinesischer Sprache über die Privatschulen der Schweiz. Die Broschüre soll den Chinesen helfen, eine passende Schule zu finden. Nur: Sehr objektiv geht es im Blatt trotz Botschafter-Vorwort nicht zu: All jene Schulen, die sich an den Kosten der Broschüre beteiligten, durften sich darin selbst vorstellen.
Viel Eigenlob, wenig Substanz Auch das International Hotel und Tourism College (IHTC) in Weggis LU packte die Gelegenheit beim Schopf, sich selbst ins beste Licht zu rücken. Selbstbewusst lässt die 1999 gegründete Schule vernehmen, sie geniesse ein hohes Ansehen, werde von Schülern aus vier Nationen besucht und ihre Abschlüsse würden von verschiedenen Universitäten überall in aller Welt anerkannt.
Das Eigenlob ist wohl das einzige Lob, dass die IHTC bisher in der Öffentlichkeit erntete. So stand zum Beispiel im «Tages-Anzeiger», das College biete den chinesischen Studenten zu wenig für ihr Geld.
In einer chinesischen Zeitung war gar zu lesen, die Diplome seien nicht einmal das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind.
Schulleiter Mark Götte wehrt sich vehement gegen solche Angriffe. Die schlechten Kommentare beträfen allein Antonius Erb, der bis zum Frühjahr 1999 im gleichen Gebäude das Hospitality College Lützelau (HCL) geführt habe. Erb sei dann plötzlich verschwunden. Zurückgelassen habe er einen Schuldenberg. Sogar bei der AHV stehe er in der Kreide.
Aber auch über die heutigen Zustände beim IHTC gehen die Meinungen auseinander.
So sagt etwa die ehemalige Studentin Chen Juan, die ihr Diplom letztes Jahr von Mark Götte erhalten hat: «Wir haben in der Ausbildung nie einen Computer benützt, und die praktische Ausbildung war total ungenügend. Von Erb zu Götte habe ich keinen Unterschied gespürt.»
Kritische Schülerin lebt in Angst
Chen Juan hat auch das Luzerner Bildungsdepartement auf den Plan gerufen. Das Amt will jetzt die privaten Hotelfachschulen überprüfen. Aus Furcht vor Repressalien lebt die Chinesin nicht mehr in Luzern. «Diese Angstgefühle sind für uns, auch aufgrund früherer Erfahrungen, nachvollziehbar», schreibt der Vorsteher der Rechtsabteilung des Bildungsdepartements. Von wem die Bedrohung ausgeht, will er nicht sagen.
Ist Chen Juans Kritik berechtigt? Dass die praktische Ausbildung Mängel hat, zeigt ein Vergleich mit andern Fachschulen wie etwa der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern oder dem International Hotel Management Institute in Kastanienbaum LU. Dort sind Küche und Speisesaal so eingerichtet, dass die Studenten in realistischen Verhältnissen in die Praxis eingeführt werden können.
Das IHTC kann nichts gleichwertiges bieten. Zwar wurde das baufällige Hotel Lützelau renoviert, doch deswegen eignet es sich noch lange nicht als Schulungsgebäude. Immerhin: Computer sind mittlerweile vorhanden, und einige Lehrer sagen, der Unterricht sei besser als zu Antonius Erbs Zeiten.
Der Praxismangel wirkt sich auch auf das erste Praktikum in Service oder Küche aus. Die Chinesen müssen meist mit dritt- und viertklassigen Restaurants Vorlieb nehmen. Doch dieses Manko schert Mark Götte wenig. «Meine Studenten werden im Managementbereich ausgebildet. Sie sind nicht da, um Rüebli zu rüsten.»
Ein weiteres Problem: Viele Studenten haben zu geringe Englischkenntnisse, um dem Unterricht folgen zu können. Renommierte Hotelfachschulen verlangen von ihren Schülern, dass sie nebst der Hochschulreife über das Cambridge Proficiency oder das amerikanische Pendant verfügen. Die Bénédict-Hotelfachschule und das IHTC jedoch verlangen das nicht. Und dass 95 Prozent der über hundert IHTC-Schüler aus China stammen, macht die Sache auch nicht besser. Erfahrungsgemäss sprechen die Studenten unter sich natürlich lieber ihre Muttersprache.
Erstaunlich ist auch, dass das luzernische Amt für Migration überhaupt Aufenthaltsbewilligungen für Studenten erteilt, die aus sprachlichen Gründen dem Schulunterricht nicht folgen können. Doch das Amt hat ein elegantes Argument: Man stütze sich eben auf eine «Prüfung», die die Studenten in der Schweizer Botschaft in China abgelegt haben. Wer dort den Eintrag «genügend» schaffe, erhalte eine Aufenthaltsbewilligung.
Es wird nur ungenügend geprüft
In Tat und Wahrheit nimmt die Botschaft gar keine Prüfung ab. Sie führt lediglich ein Gespräch mit den Studenten und stellt fest, ob die Sprachkenntnisse «ungenügend», «genügend», «gut» oder «sehr gut» sind. «Genügend» heisst laut Botschaftssprecher Daniel Zehnder, dass sich der Bewerber in der Schweiz durchschlagen kann, dass er etwas zu essen kaufen und sich ein Hotelzimmer mieten kann. Das reicht wohl kaum für ein Studium.
Die Chinesinnen und Chinesen brächten praktisch keine Reklamationen an, sagt IHTC-Leiter Mark Götte. Tatsache aber ist, dass den Studenten die Hände gebunden sind. Denn das Schulgeld von 22'000 Franken pro Jahr müssen sie bereits in China bezahlen, um ein Einreisevisum zu erhalten. Und ohne Diplom will niemand nach China zurückkehren. Eine Studentin zum Beobachter: «Ich sage nichts Negatives über die Schule. Wenn das Institut aufgrund negativer Aussagen geschlossen werden müsste – was geschähe dann mit meinen Landsleuten?» Dann gibt sie eine Kostprobe des bisher Gelernten – und kippt ein paar Eiswürfel in den schweren Rotwein.