Die Do-it-yourself-Lehre
UX-Designer, SEO-Texter oder Social-Media-Manager sind gefragt. Doch klassische Studiengänge sind rar. Wer den Einstieg sucht, setzt auf Onlinekurse und Learning by Doing.
aktualisiert am 17. Juli 2017 - 09:56 Uhr
Die Digitalisierung krempelt private und berufliche Lebensbereiche radikal um. Firmen suchen verzweifelt entsprechende Spezialisten, damit sie im Markt bestehen können. SEO-Manager zur Optimierung von Suchmaschinen, Social-Media-Manager, User-Interface-Designer sind nur drei der gängigsten IT-Berufe. Jobs, die es bis vor wenigen Jahren noch gar nicht gab, die nicht geschützt sind und deren Aufgabenbeschreibung alle paar Monate ändert.
Thomas Veit ist einer, der bei der St. Galler Kantonalbank einen solchen Beruf ausübt. Der 28-Jährige arbeitet dort als UX-Designer – User-Experience-Designer. Was das ist, wissen die wenigsten, obwohl sie jeden Tag zigmal damit in Berührung kommen – über das Smartphone, am Bancomaten, am Billettautomaten.
Veit entwickelt Apps und E-Banking-Lösungen. Das klingt kompliziert und nach viel Ausbildung. Aber:«Ich habe mir fast alle Fähigkeiten im Selbststudium über Onlinekurse und Tutorials angeeignet.»
Klassische Weiterbildungen oder gar ein staatlich anerkanntes Studium im Bereich UX-Design sucht man in der Schweiz vergebens. Auch daher ist Veits beruflicher Lebenslauf unüblich. «Weil der Beruf relativ neu ist, kann ich meine Fähigkeiten nur mit Projekten belegen, die auch für die Firmen Neuland sind», erzählt er. «Wenn man von einer Weiterbildung in New York absieht, kommt mein Know-how ausschliesslich aus der Praxis.»
Den Job hat der gelernte Mediamatiker damals über eine normale Stellenausschreibung gefunden – eine der ersten in dieser Form aus der HR-Abteilung der Bank. «Statt eines Lebenslaufs habe ich meiner Bewerbung ein Portfolio beigelegt, in dem ich meine Denkprozesse, Methoden und Projektschritte dokumentiert habe. Ich hätte ja gar keine Referenzen von anderen Firmen gehabt, weil es diesen Berufszweig noch nicht lange gibt», so Veit.
Seit über drei Jahren ist er nun bei der Kantonalbank und bildet sich über Onlinekurse auf internationalen Plattformen wie Udemy, Treehouse oder Udacity weiter. Die Anforderungen an seinen Beruf verändern sich dauernd. Neue Impulse kommen aus Hochburgen wie Berlin oder dem Silicon Valley.
Profil | Ausbildung | Inhalt | Wo |
Als User-Experience-Designer (UX-Designer) weiss man, wie User «ticken», und entwickelt daraus Prototypen von Software oder Apps. | Master in Human- Computer-Interaction-Design | Der Studiengang führt Spezialisten aus den Gebieten Informatik, Design und Psychologie zusammen; also aus denjenigen Berufen, die für gutes UX-Design entscheidend sind. | Universität Basel → unibas.ch |
CAS Usability und User-Experience erfolgreich umsetzten | Die Studierenden lernen Methoden kennen, wie sie Projekte in Unternehmen vorantreiben und in Usability- und UX-Engineering-Prozesse einbetten. | Fachhochschule Nordwestschweiz → fhnw.ch |
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Master in Digital- Experience- Design |
Das Studium an der Hyper Island School (GB) beleuchtet vor allem den Design-Aspekt von UX. | Hyper Island (Manchester) → hyperisland.com |
Das kennt auch Neslihan Steiner. Die 31-Jährige war bis vor kurzem als Head of Social Media bei Manor in Basel tätig. Zu diesem Job kam sie als Vorreiterin auf dem Gebiet der sozialen Medien in der Schweiz. Bereits 2008 hatte Steiner einen Lifestyle-Blog gegründet und über das damals noch junge Phänomen Social Media bekannt gemacht. Grossfirmen taten das soziale Netzwerk als Randerscheinung ab.
Auch für Steiner waren Social Media zu dieser Zeit Neuland. Mit einem Studium in Publizistikwissenschaften und einem Master in Kommunikationsmanagement hatte sie einen klassischen Bildungsweg absolviert. «Durch den Blog habe ich mir dann alles selbst beigebracht: Schreiben, Fotografieren, Publizieren, Netzwerken.» Gepaart mit ihrem methodischen Wissen aus dem Studium, füllte dieses Hobby nach und nach ihren beruflichen Rucksack. Als sie noch studiert habe, hätten alle gesagt: «Später mache ich irgendwas mit Medien.» Heute heisst es immer öfter: «Irgendwas mit Social Media.»
«Durch die Digitalisierung ist es aber auch unabdingbar, ein unternehmerisches Verständnis in den neuen IT-Berufen mitzubringen, um sie in der Firma auf Managementebene zu verankern.»
Neslihan Steiner, Head of Social Media bei Manor
Bei Manor startete Steiner als Onlineredaktorin. «Als ich mich bewarb, war mein Ausbildungsweg zweitrangig, wenn nicht sogar ein Stolperstein.» Die Gefahr, in einem so jungen Berufszweig als «überdiplomiert» aussortiert zu werden, bestehe nach wie vor.
«Viele meiner bisherigen Tätigkeiten waren neu geschaffene Positionen. Ich musste das Stellenprofil jeweils mit den Vorgesetzten erst einmal formen.» Heute könne jeder mit dem Smartphone Inhalte produzieren, sagt Steiner. «Durch die Digitalisierung ist es aber auch unabdingbar, ein unternehmerisches Verständnis in den neuen IT-Berufen mitzubringen, um sie in der Firma auf Managementebene zu verankern.» 
Steiner hat inzwischen den Schritt in die Selbständigkeit gewagt – mit ihrem relativ grossen Erfahrungsschatz in einem jungen Tätigkeitsfeld sicher eine realistische Option. Neubewerbern in der digitalen Berufswelt sagt Steiner: «Neben dem Lebenslauf sind die ‹passion projects› von Kandidaten wichtig. Dinge, die man aus Leidenschaft realisiert hat, geben Einblick in die Persönlichkeit. Und sie weisen auf ein Know-how hin, das über rein fachliche Fähigkeiten hinausgeht – zumal sich diese sowieso andauernd ändern.» Beliebigen Diplomkursen und Zertifikaten steht die Social-Media-Managerin dagegen kritisch gegenüber. «Diese Ausbildungen sind schnell veraltet und bieten wenig Innovatives.»
Profil | Ausbildung | Inhalt | Wo |
Wo Social-Media-Manager betreuen soziale Netzwerke, veröffentlichen News, moderieren Diskussionen und überwachen Massnahmen. | CAS Digital-Marketing-Spezialist/-in | Weiterbildung im Bereich Social Media, Content-Marketing, SEO, E-Commerce, Performance-Marketing und Mobile Marketing | Fachhochschule Nordwestschweiz → fhnw.ch |
CAS Social-Media-Management | In dieser Weiterbildung lernt man Social-Media-Strategien, Monitoring, Community- und Shitstorm-Management sowie Gamification. | Hochschule für Wirtschaft Zürich → fh-hwz.ch |
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Master Digital Business | Man lernt Digital Leadership, Mobile Business und Multichannel-Management und schliesst mit Zertifikatsarbeit und mündlicher Prüfung ab. | Hochschule für Wirtschaft Zürich → fh-hwz.ch |
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CAS Social Media und Management von Wissens-netzwerken | Man erlernt – auch online – Social-Media-Strategien, E-Commerce, Recht und Marketing sowie Corporate Blogging. | Institut für Kommunikation und Führung → ikf.ch |
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Online-Marketing-Manager/-in (inklusive Social Media) | Absolventen erlernen die Grundlagen des Onlinemarketings, von Social Media und SEO sowie Onlinewerbung. | KV Business School → kvz-weiterbildung.ch |
Auch der Bund sieht sich bei der Entwicklung von Ausbildungsgängen zu IT-Berufen mit verschiedenen Interessen konfrontiert. Auf Anfrage heisst es beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, man veröffentliche im Spätsommer einen Bericht, wie man der Digitalisierung auf allen Bildungsstufen begegnen möchte. Höchste Zeit.
Weiter heisst es beim Bundesamt, dass die Schweizer Hochschulen in engem Austausch mit Wirtschaftsverbänden seien. «Hochschulen müssen Schlüsselqualifikationen wie Handlungskompetenz, Methoden- und Entscheidungsgrundlagen lehren und nicht nur auf den technologischen Aspekt eingehen», so ein Sprecher. Einen Studienabschluss in Snapchat dürfte es also kaum je geben.
Ein anpassungsfähiges Bildungssystem muss den Anforderungen des digitalen Zeitalters entsprechen. In einem bestimmten Beruf sind heute andere Fähigkeiten gefragt, als das in fünf Jahren der Fall sein wird. Die Folge sind Berufe pro Lebensabschnitt, die sich einfacher der Nachfrage von Wirtschaft und Gesellschaft anpassen lassen. Für Bildungsinstitutionen könnte das bedeuten, sich von einer Hauptausbildung zu verabschieden und alle paar Jahre eine Weiterbildung anzubieten. Das heisst, man löst ein Bildungsabonnement, statt dass man am Anfang der Karriere ein Studium macht.
Bei neuen IT-Berufen ist dieser Trend bereits jetzt erkennbar: SEO-Wissen, Grundlagen für Social Media oder UX werden in der Schweiz fast nur in CAS-Lehrgängen (Certificate of Advanced Studies) angeboten. Das sind berufsbegleitende Weiterbildungskurse an Fachhochschulen oder höheren Fachschulen, die nur wenige Semester dauern, flexibel sind und daher rasch implementiert werden können.
In der digitalen Welt verlieren Bildungsinstitutionen und Lehrpersonen ihr Vermittlungsmonopol. E-Learning wird selbstverständlich, weil es globale Themen wie Social Media oder User-Interface-Design umfassender betrachten kann. Für digitale Autodidakten sind Onlineplattformen in einer Welt, in der Wissen immer schneller veraltet, oft die einzige Möglichkeit, sich Fähigkeiten anzueignen. Diese Entwicklung wird durch den Do-it-yourself-Trend und das Angebot von Onlinekursen begünstigt. 
Profil | Ausbildung | Inhalt | Wo |
Man betreibt Keyword- Analysen und erarbeitet Strategien für die Suchmaschinen-optimierung (SEO). Ziel: möglichst viele User auf Produkte aufmerksam machen. |
Master Digital Business | Neben Digital Leadership erhalten die Absolventen Kenntnisse im Management von Multichannel-Strategien und Social Media sowie in disruptiven Technologien. | Hochschule für Wirtschaft Zürich → fh-hwz.ch |
CAS Disruptive Technologies | Die Absolventen lernen, wie man disruptive Technologien wie Big Data, 3-D-Printing oder Schwarmintelligenz gewinnbringend einsetzt. | Hochschule für Wirtschaft Zürich → fh-hwz.ch |
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Zertifikats- lehrgang Suchmaschi-nenmarketing |
Die Absolventen lernen SEO in allen Facetten kennen: Recht für SEO, SEO-Risk-Management, Webanalyse oder Storytelling. | Fachhochschule Salzburg (A) → fh-salzburg.ac.at |
1 Kommentar
Und jetzt lerne ich, wie man Logos für Unternehmen erstellt. Ich denke, dass ich damit gutes Geld verdienen kann.