Beobachter: Gibt es bei euch in der Schule ein Kleiderverbot?
Yasemin: Militärkleider sind tabu. Verboten sind sie zwar nicht explizit, die Lehrer zeigen aber mit Kommentaren, dass sie solche Kleidung nicht schätzen. Auch Käppis oder Kapuzen auf dem Kopf sind während der Schulstunden nicht erlaubt.
Elbasan: Ich kam einmal im ärmelfreien Netz-T-Shirt in die Schule. Mein Lehrer forderte mich auf, etwas darüber zu ziehen. Es störe ihn, während des Unterrichts meinen nackten Oberkörper anzuschauen. Ich hatte aber keine Jacke dabei. Das T-Shirt ziehe ich jetzt nur noch in der Freizeit an, ich möchte deswegen nicht noch einmal vom Lehrer angemacht werden.
Mylena: Manchmal fordern die Lehrer uns auf, das T-Shirt weiter nach unten zu ziehen und die Hose über die Hüfte zu schieben. Doch grundsätzlich wissen wir alle, wo die Grenzen sind. Es ist zwar nicht klar definiert, aber die Sprüche der Lehrer sind unangenehm genug – wir müssen uns einfach anpassen.
Beobachter: In einigen Schulen ist das Tragen von Strings und bauchfreien Tops ausdrücklich verboten. Findet ihr das gut?
Mylena: Einige Schülerinnen übertreiben es manchmal. String-Unterhosen sind in Ordnung, aber man muss sie ja nicht noch extra hochziehen, so dass jeder sie sehen kann. Grundsätzlich soll aber jede anziehen, was sie will. Wir mäkeln ja auch nicht an der Kleidung der Lehrer rum. Unsere Lehrerin zieht sich ähnlich körperbetont an wie wir – sie ist über 50 Jahre alt.
Elbasan: Es stimmt nicht, dass wir Jungs vom sexy Outfit unserer Mitschülerinnen abgelenkt werden während der Schulstunde. Das behaupten nur die Lehrer. Wir sind uns diese Anblicke schliesslich gewohnt. Ich finde es schön, wenn sich ein Mädchen körperbetont anzieht. Es macht uns Jungs aber nicht speziell an.
Yasemin: Ich glaube, das Problem haben nicht wir, sondern die Lehrer. Sie sind irritiert von offenherziger Kleidung. Sie fühlen sich schlecht, wenn sie einen Blick zu viel in den tiefen Ausschnitt einer Schülerin werfen. Es gibt bei uns Schülerinnen, die es richtig darauf anlegen, die Lehrer zu provozieren, und extra mit rosaroten Hot Pants in die Turnstunde kommen.
Beobachter: Wieso kleidet ihr euch denn so sexy?
Mylena: Es geht mir nicht darum, Männer anzumachen oder aufzufallen. Ich style mich gerne wie ein Model, und die zeigen sich halt oft in hautenger Kleidung. Mir gefällt das. Mein Vorbild ist das deutsche Model Heidi Klum. Ich trage gern Strings, weil sie praktisch und bequem sind.
Yasemin: Für mich geht es zu weit, wenn jemand hochhackige Stiefel mit einem Mini und einem Bikinitop kombiniert. Da ist mir einfach alles zu kurz, das finde ich billig. Wenn man sich sexy anzieht, reduziert man sich auf den Körper. Mädchen, die sich so kleiden, müssen sich nicht wundern, wenn dann nur noch auf ihren Body geschaut wird. Man muss einfach wissen, wo man sich wie anzieht. In die Schule gehen wir zum Lernen, sie ist der falsche Ort für sexy Kleider.
Beobachter: Würde dir deine Mutter denn solche Kleidung verbieten?
Yasemin: Das ist bei uns kein Thema. Ich kaufe meine Kleider selber und bekomme dafür Geld. Meine Kleider sind farbig, aber sicher nicht sexy. Ich weiss nicht, was meine Mutter sagen würde, wenn ich plötzlich aufreizend herumlaufen würde.
Elbasan: Meine Mutter kauft mir meine Kleider, und ich ziehe sie gerne an. Sie hat einen guten Geschmack und weiss, was im Trend liegt. Das erwähnte Netz-T-Shirt zum Beispiel hat sie mir gekauft. Ich habe gerne Markenlabels, mein Gürtel ist zum Beispiel von Gucci.
Mylena: Mir bringt meine Mutter manchmal Kleider heim, meistens gehe ich aber selber einkaufen. Meine Eltern sagen nie, dieser Mini sei zu kurz oder diese Absätze seien zu hoch. Sie setzen mir keine Grenzen, sondern lassen mich alles selber ausprobieren. Ich merke ja selber, wenn ich einmal zu weit gegangen bin. Dann fühle ich mich unwohl.
Beobachter: In vielen Ländern tragen Kinder Schuluniformen. Würde das für euch in Frage kommen?
Elbasan: Ja, warum nicht, dann hätten wir diese Kleiderprobleme nicht mehr. Man kann ja immer noch die Knöpfe des Hemdes offen lassen und seine Brust zeigen.
Yasemin: Es wäre interessant, das einmal auszuprobieren. Doch mit der Zeit wäre es wohl langweilig, wenn alle gleich aussähen. Mit der Kleidung will man auch zeigen, zu welcher Gruppe man gehört.
Mylena: Ich finde nicht die knappe Kleidung ein Problem. Schlimmer finde ich Schüler, die mit extra zerschnittenen Klamotten in die Schule kommen. Oder nur Schwarz tragen. Die Punks sind zwar mutig, aber weil sie so extrem auffallen, werden sie auf dem Schulhof sowohl von den Schülern als auch von den Lehrern dauernd fertig gemacht.
Yasemin: Unsere sexy Kleidung ist nur ein Problem der Erwachsenen. Für uns Jugendliche sind Strings oder sichtbare BHs normal. Die Diskussionen um den Dresscode sind ohnehin total übertrieben. Wir haben grössere Probleme, beispielsweise das Kiffen oder die Jugendgewalt. Da sollten die Erwachsenen zusammen mit uns nach Lösungen suchen und uns klare Grenzen setzen.
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Birthe Homannschreibt am liebsten über soziale Themen, über Menschen und ihre Geschichten. Und über Berge und Fussball, anders.Mehr erfahren
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