Um Klassen verbessern
Harzt es in der Schule, wirkt Nachhilfeunterricht oft Wunder. Wem das zu teuer ist, der kann im Internet gratis nachsitzen.
Veröffentlicht am 5. Januar 2004 - 16:10 Uhr
«Note 1». Rot auf weiss stand die Zensur in Adrianas Mathematikheft. «Das war ziemlich niederschmetternd», erzählt die 15-jährige Schülerin aus dem aargauischen Bremgarten von ihrer ersten Begegnung mit der miesen Note.
Nach dem zunächst reibungslosen Übertritt in die Bezirksschule kam es in Mathematik plötzlich zu einem Totalabsturz. «Auf einmal kapierte ich gar nichts mehr.» Statt Vieren und Fünfen brachte Adriana nur noch Einsen und Zweien nach Hause. Der plötzliche Leistungsabfall nagte schwer am Selbstwertgefühl des Teenagers, alles Pauken und Repetieren half nichts. Für Adriana und ihre Eltern war bald klar: Nachhilfe muss her (siehe Nebenartikel «Schulprobleme: Worauf Eltern achten sollten»).
Seit zwei Jahren besucht die Schülerin nun einmal pro Woche das Privatinstitut Studienkreis. Seither sind schlechte Noten passé. «In Mathematik habe ich jetzt eine Fünf. Der Nachhilfelehrer nimmt sich mehr Zeit für mich und geht individuell auf meine Probleme ein.» Die besseren Zensuren sind aber nur ein Grund, dass Adriana nicht mehr auf Nachhilfe verzichten will. «Die regelmässige Unterstützung gibt mir Sicherheit.»
Klassen werden immer grösser
Wie Adriana nimmt laut Schätzungen jedes dritte Schweizer Schulkind irgendwann in seiner Schulkarriere Nachhilfeunterricht. «Die meisten kommen nach dem ersten Schulwechsel», sagt Stephan Nüesch, Leiter von Studienkreis Schweiz, hierzulande einer der Branchenleader.
Eine Entwicklung, die nicht überall gern gesehen wird. Urs N. Kaufmann, geschäftsführender Sekretär des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, meldet grundsätzliche Bedenken an: «Der normale Unterricht sollte eigentlich so gut sein, dass kein Schüler Nachhilfe braucht. Defizite müssten vor allem von der Volksschule aufgefangen werden können.» Doch auch er weiss, dass die Realität im Schulalltag anders aussieht: An allen Ecken und Enden wird gespart, die Schülerzahlen pro Klasse werden erhöht, Stütz- und Förderkurse gestrichen. «Gerade bei grossen Klassen haben die Lehrer einfach zu wenig Zeit, um individuell auf ein Kind einzugehen», klagt Kaufmann.
Nicht selten sind dann auch die Eltern mit ihrem Latein am Ende. An Erfahrung steht ihnen meist nur die eigene Schulzeit zur Verfügung. Viele Lerninhalte und -methoden haben sich seither aber geändert – Zoff und strapazierte Nerven sind programmiert. Da liegt es auf der Hand, das Glück in Nachhilfestunden zu suchen.
Dass dies gar nicht der schlechteste Weg ist, zeigt eine Studie der deutschen Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg: Während neun Monaten beobachtete der Erziehungswissenschaftler Ludwig Haag 122 Schüler, die Zusatzunterricht erhielten. Im Durchschnitt konnten sie sich alle um fast eine Note verbessern. Nach Haags Auffassung steigerten die Schüler ihre Leistung vor allem deshalb, weil im Nachhilfeunterricht dafür gesorgt wird, dass die Hausaufgaben vollständig erledigt werden. Ausserdem hätten die Nachhilfelehrer den Schülern klar vor Augen führen können, dass derjenige, der sich mehr anstrengt, auch die besseren Noten bekommt. Dies habe die Schüler besonders motiviert und ihre Einstellung zum «Problemfach» verbessert.
Der Haken an der Sache: Längst nicht alle Eltern, deren Kind in der Schule Probleme hat, können sich den teuren Zusatzunterricht leisten. Bis zu 100 Franken kann eine Lektion kosten, so etwa im Lernstudio Zürich. Im Studienkreis, wo in kleinen Gruppen von zwei bis fünf Schülern gepaukt wird, kostet die Einzellektion vergleichsweise günstige 30 Franken – aber auf Dauer ist auch das für viele Budgets zu viel.
Private Initiativen sind hilfreich
Wer nur wenig Geld zur Verfügung hat, muss sich aber glücklicherweise nicht allein durch den Bildungsdschungel kämpfen. Zu verdanken ist dies initiativen Leuten wie Lorenz Derungs, Deutschlehrer im Kanton Bern. In unzähligen Stunden Nachtarbeit hat er sein gesamtes Übungsmaterial für den Deutschunterricht ins Internet gestellt. «Die Übungen sind so aufgebaut, dass auch weniger geübte Lehrerinnen und Lehrer damit arbeiten können.» Das Material eignet sich vor allem für Gymnasiasten und Studenten, die Nachhilfe erteilen wollen. Aus Erfahrung weiss Derungs, dass die «günstigeren» Nachhilfelehrer selten über professionelles Lehrmaterial verfügen – «ihnen möchte ich eine Chance geben».
Lorenz Derungs unterstützt aber auch Eltern und Schüler, die sich an irgendeinem Problem die Zähne allein ausbeissen müssen: Auf seiner Website steht er ihnen per E-Mail mit Rat und Tat zur Seite. Sein Angebot stösst mittlerweile auf grosse Resonanz: Täglich werden rund 8000 seiner Übungen heruntergeladen. «Ein grosser Erfolg», freut sich der Mittelschullehrer. Deshalb will er seine Site noch weiter ausbauen, was aber ohne finanzielle Unterstützung durch Sponsoren nicht möglich sein wird.
Neben der Website von Lorenz Derungs finden sich im Internet zahlreiche weitere Angebote für die Nachhilfe zum Nulltarif (siehe unten: «Online-Nachhilfe»). Zu empfehlen sind insbesondere jene Sites, auf denen nicht bloss Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt wird, sondern auch eine Interaktion mit Fachlehrern möglich wird – etwa eine Lösungsvermittlung per E-Mail oder Online-Hausaufgabenchecks.
Kontrolle beim Surfen muss sein
In solchen Fällen ist das, was nichts kostet, durchaus etwas wert, findet der Medienpädagoge Heinz Moser. Zwar lasse sich im Internet nicht gleich der verpasste Stoff der letzten paar Jahre nachholen, «doch als Lernunterstützung kann das Angebot im Netz nützlich sein». Die Eltern sollten aber darauf achten, dass sich ihr Kind nicht im Netz «verliert».
Dieses Phänomen kennt Lehrer Derungs nur zu gut: «Anstatt zu lernen, beginnen die Schüler schnell einmal herumzusurfen. Britney Spears und Eminem sind manchmal eben doch interessanter als die Konjunktivregeln.»
Online-Nachhilfe
- Lehrgänge im Web: Lectures4U
- Nebst einer umfassenden Linksammlung finden Schüler hier auch Lerntipps: Lernen mit Spass
- Die Site eines Luzerner Mathematiklehrers bietet eine Reihe von Anwendungen und Unterrichtshilfen sowie alte Maturaprüfungen: mathematik.ch
- Im Angebot von Lehrer Lorenz Derungs finden sich 750 Arbeitsblätter für den Deutschunterricht: mittelschulvorbereitung.ch
- Zahlreiche Adressen von Nachhilfelehrern in allen Kantonen: Nachhilfe-Vermittlung