«Wegschmeissen? Nein!»
Den Blitzschlag überlebte Nicola Iacaruso ohne grössere Blessuren. Doch dass dabei sein geliebter Alfa Romeo draufging, schmerzt ihn tief in der Seele.
Veröffentlicht am 23. November 2004 - 16:45 Uhr
Nichts mehr drin. Alles verbrannt. Wenn ich unter die Motorhaube schaue – das ist bitter. Aber ich kann ihn einfach nicht wegschmeissen. Das bringe ich nicht übers Herz. Für mich sieht er immer noch schön aus. Ein Alfa Romeo 75 Turbo, Jahrgang 1986. Es gab nur 500 Stück davon, eine limitierte Serie. Ich habe ihn als Wrack gekauft und mit viel Geduld wieder hergerichtet. Und jetzt schau dir das an. Die verkohlte Farbe der Karosserie sieht aus wie Herbstlaub. Am Wochenende nehme ich ihn zu mir nach Hause. Dann werde ich weitersehen.
Es war der 8. Oktober, 22 Uhr 40. Diese Uhrzeit werde ich nie vergessen. Ich fuhr auf dem Autobahnzubringer von Grenchen in Richtung Solothurn, hatte abgemacht mit Kollegen. Als ich in der langen Linkskurve vor dem Sportflugplatz war, hörte ich, wie ganz in der Nähe ein Blitz einschlug. Dann kam heftiger Regen. Ich bin total erschrocken, habe den Fuss vom Gas genommen. Das hat mir wahrscheinlich das Leben gerettet. Denn nur deswegen habe ich nichts Metallisches berührt. Es gab einen Riesenknall, plötzlich war es taghell, aus der Heizung schoss eine Stichflamme. Zum Glück hat da niemand gesessen. Ich: Türe auf, raus. Wenn ich das noch einmal machen müsste – ich wüsste nicht wie. Der Alfa brannte.
Und keiner hielt an
Da stand ich nun, auf der Landstrasse, allein, in T-Shirt, Sandaletten und leichter Hose. Das Gewitter war weitergezogen, es regnete. Ich musste zusehen, wie mein alter Alfa verbrannte. Erst flackerte er nur ein bisschen und knisterte, dann begann er zu sieden und tosen. Ich wollte Hilfe rufen, aber mein Handy funktionierte nach dem Blitzschlag nicht mehr. Bestimmt zehn Minuten habe ich da im strömenden Regen neben meinem brennenden Alfa gestanden – keiner hat angehalten, um mir zu helfen. Keiner! Da sind bestimmt 15 Autos vorbeigefahren. Irgendwann hat eine junge Frau gestoppt und mir ihr Handy geliehen, damit ich die Feuerwehr rufen konnte. Da stand der Alfa aber schon in Vollbrand. Als die Feuerwehr gegen elf Uhr endlich eintraf, war die Frau verschwunden. Ich weiss weder, woher sie kam, noch wie sie heisst. Sie erwähnte nur, dass sie manchmal im «Löwen» in Grenchen sitze. Ich habe sie nie wieder gesehen. Dabei hätte ich mich gerne bei ihr bedankt. Schliesslich hat sie mich ein bisschen gerettet.
Dass ein Blitz in ein Auto einschlägt, ist extrem selten. Der Brandermittler der Kantonspolizei Solothurn hat mir gesagt, dass er das in seinen über 20 Dienstjahren noch nie erlebt hat. Man sagt, das Auto sei einer der sichersten Orte während eines Gewitters. Das stimmt. Aber der Blitz kann gleichwohl einschlagen. Und wehe, du berührst etwas Metallisches. Dann hats dich.
Mein Alfa brannte aus, die Feuerwehr konnte ihn nicht retten. Mir war kalt, ich wärmte mich am Feuer. Am nächsten Tag musste ich mir im Spital den schwarzen Russ aus den entzündeten Augen waschen lassen. Man hat sie mir einen Tag lang verbunden.
Erst um Mitternacht war das Feuer endlich aus. Die Polizei hat dann meinen Alfa zur Spurensicherung gebracht. Mein Onkel hat den Abschleppwagen in der Freitagnacht gesehen. Er war besorgt, versuchte, mich zu erreichen. Aber eben: Mein Handy war tot. Weder meine Freundin noch meine Kollegen in Solothurn konnte ich anrufen. Ich hatte ja sämtliche Telefonnummern im Handy gespeichert.
Als ich meiner siebenjährigen Tochter Luana vom Blitzeinschlag erzählte, musste sie weinen. Sie hatte mir einen kleinen Teddybären geschenkt, der neben dem Lenkrad gehangen hatte. Von dem Glücksbringer ist nur der kleine Anhängerring übrig geblieben. Luana fragte mich, ob ich Angst gehabt habe in der Nacht. Ich glaube schon. Ich weiss es nicht. Ich glaube, ich habe nicht recht begriffen, was passiert ist. Oder besser gesagt, wovor mich meine Schutzengel bewahrt haben.
Seither nur Ärger
Ich habe grosses Glück gehabt. Aber nicht nur. Seit dem Blitz schlage ich mich mit allerlei Ärger herum. Mein Chef hat mir gekündigt. Es hat ihn geärgert, dass ich in der Woche nach dem Unfall nur zweieinhalb Tage gearbeitet habe. Dabei hätte ich überhaupt nicht zur Arbeit gemusst. Ich war krankgeschrieben. Dann die Versicherungen. 16000 Franken habe ich in den schönen Alfa gesteckt. 4500 Franken hat mir die Fahrzeugversicherung ausbezahlt. Der Wagen sei falsch versichert, die Quittungen seien nicht konform gewesen, hat mir der Versicherungsexperte erklärt. Weil es ein Liebhabermodell war, hätte ich den Alfa schätzen lassen müssen. Vorher hat mir das natürlich niemand gesagt. Die Hausratversicherung will für die verbrannten Gegenstände im Auto überhaupt nichts vergüten. Da bezahlt man jahrelang Versicherungsprämien, und wenn man einmal einen Schaden hat, bezahlen die Versicherungen nicht. Das macht mich wütend.
Jedenfalls werde ich kein Geld mehr für Autos ausgeben. Ist mir verleidet. Vielleicht kaufe ich mir bei Gelegenheit einen Kleinwagen. Einen wie derjenige meiner Freundin, den ich nun hin und wieder brauchen darf. Es ist ein Citroën Saxo. Aber ein Ersatz für meinen Alfa ist das natürlich nicht. Das sind Welten.