«Los, los, los!», schreit die aufgeregte Stimme. Die Soldaten in voller Tarnausrüstung robben mit entschlossenem Hüftschwung über den heimischen Waldboden, kämpfen sich durch Farngewächse und Gestrüpp. Dann knallts - und hinter einem knorrigen Baumstrunk steigt ein Räuchlein auf.

Die Szene stammt aus dem Film «Infanterie-Waldkampf», gedreht zu Demonstrationszwecken. Veranschaulichen soll der Kurzstreifen das Kampftraining mit einem sogenannten Laserschuss-Simulator. Dieser soll eine realitätsnahe Kampfsimulation ohne scharfe Munition ermöglichen und sei ein «zentrales Element in der gesamten Ausbildung der Armee», wie das Verteidigungsdepartement in der Botschaft ans Parlament zum Rüstungsprogramm 2005 schrieb.

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Gestützt auf die Informationen aus besagter Botschaft, bewilligten die Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Jahr 2005 die Beschaffung von 1160 Systemen. Kostenpunkt: 38 Millionen Franken, was einem Stückpreis von rund 33'000 Franken entspricht. Den Zuschlag erhielt die Ruag Electronics, eine Geschäftseinheit des Rüstungsbetriebs Ruag AG, der dem Bund gehört.

«Ein Preisvergleich ist nicht zulässig»Angesichts eines solchen Preises kann das Team der Femswiss AG nur noch staunen. Spezialität der in Spreitenbach beheimateten Firma sind nämlich Laserschuss-Simulatoren. Das Familienunternehmen beschäftigt 20 Angestellte und kann auf eine 20-jährige Tätigkeit in den Hightechbereichen Kommunikation und Lasertechnik zurückblicken.

«Bei einem Simulator für Handfeuerwaffen gehe ich von einem Marktwert von 6000 Franken aus. Die Anpassung unseres Systems an die Bedürfnisse der schweizerischen Armee dürfte − grosszügig geschätzt − weitere 6000 Franken kosten. Ich könnte also zu einem Stückpreis von rund 12'000 Franken liefern», sagt Geschäftsführer Rahim Fardin. Gesamtersparnis gegenüber dem Ruag-Produkt: mehr als 20 Millionen Steuerfranken.

Vor diesem Hintergrund muten die Ausführungen des Verteidigungsdepartements in der Beschaffungsbotschaft an das Parlament befremdend an: «Die Planung für den Simulator LASSIM PAB begann 2002. Da auf dem Markt kein entsprechender Laserschuss-Simulator erhältlich war, wurde die Entwicklung eingeleitet.» Merkwürdig: Im Jahr 2001 lieferte Femswiss via Oerlikon Contraves Laserschuss-Simulatoren an Spanien und auch an die USA. Weiter heisst es in der Botschaft: «Nach der Prüfung der Konzepte mehrerer Firmen ging der Auftrag an die Firma Ruag Electronics als Generalunternehmerin.» Um welche Firmen es sich dabei handelt, darüber schweigt sich Armasuisse, das Beschaffungs- und Technologiezentrum des VBS, aus. So viel steht jedenfalls fest: Die Spreitenbacher Femswiss AG gehörte nicht dazu.

Kaj-Gunnar Sievert, Leiter Kommunikation bei Armasuisse, sagt: «Beim LASSIM PAB handelt es sich nicht um eine ‹Stand alone›-Lösung. Ein Preisvergleich ist deshalb nicht zulässig. Bei der Auftragsvergabe wurden die Bestimmungen und die Kriterien für öffentliche Beschaffungen eingehalten.»

Schon die zweite BeschaffungsaffäreImmer wieder gerät die Beschaffungspraxis von Armasuisse wegen mangelnder Transparenz in die Kritik. Zuletzt just ebenfalls in Zusammenhang mit dem Rüstungsprogramm 2005. Neben dem Schiesssimulator sah das Programm auch den Kauf von 20 Helikoptern der Firma Eurocopter vor. Deren Beschaffung sorgte im Parlament für ausgedehnte Kontroversen. Die unterlegene Konkurrenzfirma Agusta schaltete die Wettbewerbskommission ein. Ein Entscheid steht noch aus. Die Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte beschlossen Ende Mai 2006, die Parlamentarische Verwaltungskontrolle mit einer Untersuchung des Falls zu beauftragen. Ihr Schlussbericht wird voraussichtlich im dritten Quartal 2007 vorliegen.

Auch sonst ist die Heli-Affäre noch nicht ausgestanden. Die Berner SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen reichte vergangene Woche eine Motion ein mit dem Ziel, die rechtlichen Möglichkeiten von Anbietern militärischer Güter im Beschaffungsverfahren zu verbessern. Bisher ergehen solche Entscheide nicht als Verfügungen. Sie sind daher vom Rechtsschutz ausgeschlossen, wie Agusta schmerzlich erfahren musste.

Die Heli-Affäre nahm auch Roland Borer, SVP-Nationalrat und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats, zum Anlass für eine parlamentarische Intervention. In einem Postulat forderte er die Unterstellung von Rüstungskäufen unter das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen. Damit sollte mehr Transparenz erreicht werden. Die bestehenden Verfahren hätten sich bewährt, befand hingegen der Bundesrat in seiner Stellungnahme dazu.

Zweifel an dieser Aussage sind angebracht, zumindest im Fall des Laserschuss-Simulators. Das Femswiss-System ist nicht nur um mehr als die Hälfte günstiger als das Ruag-Produkt, sondern hat noch einen weiteren Vorteil: Es funktioniert. Bei den Armeen der grössten Länder - etwa in den USA, in Russland und China - steht es laut Fardin erfolgreich im Einsatz: «Die Funktionstüchtigkeit des Systems kann jederzeit überprüft werden.»

Das Ruag-Produkt fällt haushoch durchAnders das Ruag-Produkt LASSIM PAB. Nach einer mehrjährigen Entwicklungszeit fanden im Herbst in Walenstadt Truppentests statt. Danach teilte Armasuisse mit: «Bei der Erprobung der Vorserie der 1160 Simulatoren hat sich gezeigt, dass das System nicht allen Anforderungen entspricht.» Eine sehr wohlwollende Formulierung. Insider wissen: Das Ruag-Produkt fiel haushoch durch. Von 19 geforderten Punkten erreichte es gerade einmal vier.

Die Ruag hat eine um 18 Monate verspätete Auslieferung in Aussicht gestellt. Im Jahr 2010 soll das System nun bei der Truppe sein. «Die Verpflichtungen zwischen der Armasuisse und der Ruag sind vertraglich geregelt. Sollte die Erfüllung der Verträge sich weiter verzögern, kann die Armasuisse ohne Kostenfolge vom Vertrag zurücktreten», so Armasuisse-Sprecher Sievert.

Viel vollmundiger klang es in der Botschaft zum Rüstungsprogramm vor zwei Jahren. Die Rede war von einem «Simulator der neuesten Generation», der «alle Funktionalitäten» biete, um «den Soldaten in seinem Umfeld nach modernsten Richtlinien realitätsnah auszubilden». Der ganze Text der Botschaft war so formuliert, dass der durchschnittliche Leser davon ausgehen musste, dass es sich um ein existierendes und funktionierendes System handle. Mehrere Parlamentarier bestätigen diesen Eindruck. «Aufgrund der schriftlichen Angaben in der Botschaft durfte man annehmen, dass sich das Beschaffungsrisiko in Grenzen hält», sagt Roland Borer.

Das VBS wird nun bald erneut die Gelegenheit erhalten, sich mit dem Vorwurf der mangelnden Transparenz bei der Beschaffung von Rüstungsgütern auseinanderzusetzen.

SP-Nationalrat Boris Banga hat aufgrund der Beobachter-Recherchen eine Anfrage beim Bundesrat eingereicht. Insbesondere möchte er wissen, warum das Angebot der Femswiss AG nicht berücksichtigt wurde. Banga: «Ich bin erschüttert. Es ist nicht auszuschliessen, dass wir hinters Licht geführt wurden.»