Atemschlauch war zu viel für Wirtin
Luigi Arcuri braucht ein Atemgerät. Im Restaurant Zum Steinbock in Tägerwilen TG wollte man ihn deshalb von den «normalen Leuten» separieren.
Veröffentlicht am 16. August 2019 - 13:14 Uhr
Seit seiner Kindheit ist Luigi Arcuri wegen einer Muskeldystrophie auf einen Rollstuhl und ein Atemgerät angewiesen. Gelegentliche Blicke ist er sich gewöhnt. «Aber so etwas habe ich noch nie erlebt», sagt der 44-Jährige.
Im Juni reservierte sein Assistent Fabio Sorg im Restaurant Zum Steinbock in Tägerwilen TG einen Tisch. Man bestätigte, dass das Restaurant rollstuhlgängig ist. Als er gegen Abend mit Arcuri und dessen Mutter ins Restaurant kam, eilte die Wirtin auf sie zu. Sie erklärte Sorg, Arcuri könne, «so, wie er aussieht», nicht im grossen Gästeraum Platz nehmen. Das wolle man den «normalen Leuten» nicht zumuten.
Der Hauptraum war nur teilweise belegt, der Nebenraum, in den Arcuri verwiesen wurde, ganz leer. Sorg forderte die Wirtin auf, das Arcuri persönlich zu sagen. Das habe sie nach mehrmaliger Aufforderung getan und erklärt, er würde mit seinem Atemschlauch die anderen Gäste verscheuchen. Auf das Essen hat Arcuri daraufhin verzichtet.
Die Wirtin erklärte auf Anfrage zuerst, Arcuri habe kein Verständnis dafür gehabt, dass man als Gastbetrieb Rücksicht auf «normale Leute» nehmen müsse. Dann bestritt sie die Schilderung. Die drei hätten Diskriminierung gesehen, wo keine war. Der Hauptraum sei voll gewesen, der Nebenraum habe sich später noch gefüllt. Man sei auf keinen Fall gegen Behinderte, habe sogar ein behindertes Kind. «Wieso sollten wir so etwas machen?», fragte auch der Wirt.
«Menschen mit Behinderungen werden leider immer noch in vielen Lebenslagen diskriminiert und ausgeschlossen», sagt Silvia Raemy von der Behindertenorganisation Agile.ch. Offensichtliche Diskriminierung werde zwar nur selten gemeldet. «Das heisst aber nicht, dass es nicht weitere Fälle gibt.» Die Gesetzeslage reiche nicht aus. Heute ist nur staatliche Diskriminierung verboten, nicht aber private.
4 Kommentare
Es sind doch die sogenannten 'normalen Gäste' im Restaurant, die sich über den etwas speziellen Gast aufgeregt haetten! Und genau das wollte die Wirtin verhindern!! Ich bin aber der Meinung, das man das nicht sollte!! Behinderte gehören zu uns und nicht in einen separaten Raum!!
Sollte sich dies wirklich so zugetragen haben, entsetzt und schockiert mich dies zutiefst. Es macht mich traurig und wütend zu lesen, wie in der scheinbar so fortschrittlichen und modernen Schweiz mit behinderten Menschen umgegangen wird. Dass diese Leute nach wie vor diskriminiert und ausgeschlossen werden, ist eine grosse Schande und darf nicht sein :(. Menschen mit Beeinträchtigungen sind doch keine Menschen zweiter Klasse, sondern Leute, die wie alle anderen uneingeschränkt in unseren Alltag, unsere Gesellschaft und unser Leben gehören! Sie brauchen weder Mitleid noch zusätzliche Hürden und Hindernisse, sondern mehr Hilfe, Unterstützung, Achtung, Wertschätzung und Akzeptanz - das haben sie mehr als verdient! Denn, was diese Menschen täglich leisten und wie sie ihr Leben meistern, ist bewundernswert. Da kann sich manch Gesunder eine grosse, dicke Scheibe abschneiden und dankbar für die übrigens nicht selbstverständliche Gesundheit sein!
Wie kann man nur so ängstlich sein?
Die Maske sieht zwar schon etwas wie ein Alien aus, aber die strahlenden Augen und die Lebensfreude dieses jungen Mannes sind einen Blick wert.
Wir waren selbst mit unserem deutlich sichtbar behinderten Teenager, der weder alleine gut essen konnte und zudem das Essen nur püriert zu sich nahm, dort. Wir wurden ganz vorzüglich , höchst freundlich und zuvorkommend von der Chefin im Restaurant „Zum Steinbock“ in Tägerwilen bedient. Selbst als wir noch für unser Kind ein Dessert bestellen wollten und kein passendes auf der Karte fanden, wurde in der Küche eigens für unser Kind ein feines Dessert zubereitet, dass wir dann sogar noch geschenkt bekamen.
Wir können das Restaurant definitiv nur empfehlen.