«Schützen Sie Ihr Vermögen und Ihre Privatsphäre!» – «Bewegen Sie sich anonym durch fremde Länder.» – «Verschaffen Sie sich Vergünstigungen, von denen Sie nicht zu träumen wagten!» So vollmundig ködern Anbieter von so genannten Camouflage-Pässen ihre Kunden im Internet.

Der Handel mit falschen Identitäten boomt. Die Suchmaschine Google findet zum Begriff «Camouflage Passports» nicht weniger als 4690 Treffer. Schon die ersten Links führen zu einschlägigen Anbietern. Für einige 100 Dollar kann man sich bei ihnen eine neue Identität kaufen und sich fortan mit einem Reisepass als Bürger von Rhodesien, Sansibar, Burma oder den West Indies ausweisen.

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Der Fiskus wird ausgetrickst
Alle diese Länder haben eines gemeinsam: Es gibt sie nicht mehr. Aber welcher Europäer weiss das schon? Umgekehrt kann man davon ausgehen, dass ein Bankangestellter auf den Bahamas einen tschechoslowakischen Pass akzeptieren wird, obwohl auch dieser Staat Geschichte ist.

Der häufigste Einsatzzweck von Camouflage-Pässen ist allerdings nicht das Reisen unter falschen Namen, sondern das Eröffnen eines anonymen Kontos in einer Steueroase. Über so genannte Offshore-Centers lassen sich Gelder waschen oder parkieren. Von dieser Möglichkeit machen nicht nur Drogen- und Menschenhändler Gebrauch: Eine steigende Zahl von Steuerhinterziehern versucht, ihr Erspartes so am Fiskus vorbeizuschleusen.

Spezialisierte Anbieter offerieren dazu gleich auch die Einrichtung einer persönlichen Postadresse, meist ein Postfach, dessen Inhalt einmal pro Woche an den Inhaber weitergeleitet wird. Wer zusätzlich Telefon- und Faxnummer an seinem «Wohnort» braucht, bezahlt – inklusive Weiterleitung – jährlich 100 Dollar.

Die Camouflage-Pässe beschäftigen zunehmend auch die Schweizer Behörden, wie Marc Henauer vom Dienst für Analyse und Prävention im Bundesamt für Polizei bestätigt: «In den Katalogen der Urkundenlabors sind zahlreiche Pässe nicht mehr existierender Länder abgebildet.»

Richtiggehend zum Memory-Spiel wird die Arbeit der Beamten durch den Umstand, dass ständig neue Pseudopässe dazukommen. «Welcher Frontbeamte kennt schon alle weltweit zirkulierenden Ausweisdokumente?», heisst es in einem Fachartikel des kriminalistischen Instituts des Kantons Zürich.

Polizisten, Zöllner und Bankangestellte werden für das Erkennen solcher Dokumente geschult. Die Anbieter warnen ausdrücklich davor, einen Camouflage-Pass beim Grenzübertritt einzusetzen. «Ein aufmerksamer Grenzbeamter wird nicht darauf hereinfallen», heisst es auf der Website eines Anbieters. Aber bei Banken funktioniere das gut: «Deren Hauptinteresse gilt in der Regel dem Geld des Kunden.»

Obwohl die falschen Dokumente oft für illegale Machenschaften benutzt werden, ist deren Beschaffung in den meisten Ländern nicht strafbar. Denn Camouflage-Pässe sind keine amtlichen Dokumente, sondern Imitationen. Strafbar ist erst die missbräuchliche Verwendung, beispielsweise zur Erschleichung einer Leistung.

Camouflage-Pässe sind nicht die einzigen Dokumente, die auf den Websites angeboten werden. Die Palette reicht von internationalen Führerausweisen über Journalisten-, Reiseagenten- und andere Berufsausweise bis hin zu Adelstiteln und «echten» Diplomatenpässen von angeblich anerkannten Ländern.

Jeder kann Reporter spielen
«Ein Presseausweis verzeiht viele Sünden», berichtet ein zufriedener Kunde auf der Internetseite eines Anbieters. Zu haben sind nicht etwa nur Ausweise von frei erfundenen oder exotischen Agenturen. So kann man bei einem Anbieter eine britische Presscard der National Union of Journalists bestellen, wie sie auch echte englische Reporter auf sich tragen.

Damit das Ganze glaubhaft wirkt, gibt es passend zum Presseausweis eine britische Identitätskarte. «Die laminierte Karte wirkt überaus echt und identifiziert Sie eindeutig mit Namen und Adresse als Bürger des Königreichs.» Prima. Da ist nur noch ein kleines Problem: In Grossbritannien gibts gar keine Identitätskarten. Aber wer weiss das schon?