Dorfposse: Schlamperei stinkt dem Güselsheriff gewaltig
Im aargauischen Seon tobt seit Jahren ein «Abfallkrieg»: Ein selbst ernannter Güseldetektiv kämpft unaufhaltsam gegen den Schlendrian bei der gebührenpflichtigen Kehrichtentsorgung.
Veröffentlicht am 18. Mai 2001 - 00:00 Uhr
Ulrich Lüscher, schweizweit bekannter Abfalljäger aus Seon AG, ist mit dem Gemeinderat im Clinch. Immer noch im Clinch. Schon vor zwei Jahren hatte er dem Schlendrian bei der Müllentsorgung den Kampf angesagt. Dutzende Male hatte er sich frühmorgens in sein Auto gesetzt und mit dem Fotoapparat dokumentiert, wie lokale Gewerbetreibende und Privatpersonen ihren Unrat ohne oder mit zu niedrigen Gebührenmarken auf die Strasse stellten. Und wie – noch empörender – die Kehrichtabfuhr der Gemeinde diesen Güsel unbesehen entsorgte.
Die «Ungereimtheiten» und die politische Biegsamkeit des SVP-dominierten Gemeinderats hatte der selbst ernannte Güselsheriff in saftigen Leserbriefen und an Gemeindeversammlungen angeprangert und dabei für lokalpolitischen Zunder gesorgt (Beobachter Nr. 8/99). Inzwischen ist viel Wasser den Aabach hinuntergeflossen, und die Staatsanwaltschaft Aargau hat ein von Lüscher angestrengtes Strafverfahren gegen die Gemeinde eingestellt, da «sich keine rechtsgenüglich relevanten Straftatbestände» ergaben.
Doch die Verantwortlichen drücken gegenüber den Abfallsündern immer noch das eine oder beide Augen zu, findet Lüscher. So reichte er letzten Sommer erneut eine Anzeige wegen «Veruntreuung von Steuergeldern» ein. «Ich wage zu behaupten», hielt er darin fest, «dass bis heute über 100'000 Franken betrogen und ergaunert wurden.» Vor allem störten ihn die «vertrödelten Stunden» der Kehrichtmänner. Diese genehmigten sich «eine Znüünizeit von 40 Minuten sowie eine Zoobigzeit von 35 Minuten», fand der Abfalldetektiv heraus. Er hatte durch das Strafverfahren Einsicht in die Tachoscheiben des Kehrichtlastwagens erhalten.
Schon früher hatte er sich über die Seoner Kehrichtentsorgung als «unsere Freizeitwerkstatt» mokiert. Kein Wunder, dass bei den Abfuhrleuten inzwischen die Nerven blank liegen und ein Kameramann des Privatfernsehsenders TV3 einen Müllsack an den Kopf geschleudert erhielt.
Anfang dieses Jahres wies die Aargauer Staatsanwaltschaft auch Lüschers zweite Strafanzeige mit der gleichen Begründung ab. Gemeindeammann Rolf Lüscher hat in der Zwischenzeit genug. Er schrieb dem Müllsheriff, der Gemeinderat beaufsichtige das Abfuhrwesen «mit aller Sorgfalt»: «Und wir verzichten in Zukunft darauf, mit Ihnen darüber zu diskutieren.»
Doch der Güseljäger will nicht klein beigeben. Mitte Mai sammelte er Unterschriften für eine Petition ans Aargauer Departement des Innern: «Wir Einwohner/innen von Seon fordern eine kostengerechte Kehrichtentsorgung.» Fortsetzung folgt.