Der Rechtsstreit sprengt alle Grenzen: zeitliche, finanzielle - und jene des gesunden Menschenverstands. Dreimal berichtete der Beobachter über die Machenschaften von zwei Thurgauer Bauunternehmern. Die Berichte haben eine absurde Flut an Verfügungen, Prozessen und Strafverfahren ausgelöst. Die Unternehmer hatten im Vorfeld alles darangesetzt, die Berichterstattung verbieten zu lassen, und stiessen beim Arboner Bezirksgerichtspräsidenten Ralph Zanoni auf offene Ohren: Er gewichtete die Interessen der beiden konsequent höher als das Interesse der Öffentlichkeit, über ihr unheilvolles Treiben informiert zu werden - und untersagte die Publikationen. Der Beobachter wehrte sich entschieden gegen die richterliche Gängelung - und hat nun in einem ersten Verfahren letztinstanzlich obsiegt. Die Berichterstattung, so bestätigte das Bundesgericht ein Urteil des Thurgauer Obergerichts, ist in allen Teilen korrekt, zulässig und hätte von Richter Zanoni nicht verboten werden dürfen.

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Am Ende war die Familie ruiniert
Und so fing alles an: Siegfried Hellbrück, deutscher Staatsbürger, beginnt im Jahr 2002 in der Ostschweiz bauwillige Familien mit scheinbar extrem günstigen, in Wirklichkeit aber wirtschaftlich völlig unrealistischen Einfamilienhausprojekten zu ködern. Was die Bauherren nicht wissen konnten: Hellbrück ist gelernter Kaufmann, vom Bauhandwerk hat er keine Ahnung. Ebenso wenig wussten sie, dass Hellbrück in Österreich bereits mit einer Baufirma Konkurs gemacht hatte, dass der Masseverwalter dabei unbeglichene Forderungen in der Höhe von 4,5 Millionen Euro anerkannt hatte und dass Hellbrück wegen betrügerischer Krida (Gläubigerbegünstigung) verurteilt worden war.

In der Ostschweiz wird unter anderen die Familie von Andreas A. (Name der Redaktion bekannt) ein Opfer des Bauunternehmers. Am Ende der geschäftlichen Verbindung mit Hellbrück ist die Familie ruiniert. Das neue Haus, laut Experten eine «bautechnische Katastrophe»: zwangsversteigert. Die gesparten Pensionskassengelder: verloren. Der Lohn: gepfändet.

Von sieben Bauprojekten führte Hellbrück mit seiner Firma Trend Haus 2000 AG sechs nicht zu Ende. Für alle Bauherren wurde der Traum vom Eigenheim zum Alptraum: Terminverzögerungen, Schludereien, haarsträubender Baupfusch. Das spricht sich herum. Immer schwieriger wird es für Hellbrück, mit dem Namen Trend Haus 2000 AG auf Kundenfang zu gehen. Deshalb gründet er im Oktober 2003 eine weitere Firma, die Trend Haus nach Mass T. Hinrichs + S. Hellbrück, und macht in bewährter Manier weiter.

Einige Monate später will der Beobachter die Betreibungsregisterauszüge der beiden Firmen publik machen: Rund 450'000 Franken an offenen Forderungen weist der Auszug der Trend Haus 2000 AG auf, 475'000 Franken jener der Trend Haus nach Mass T. Hinrichs + S. Hellbrück. Als Hellbrück und sein neuer Geschäftspartner, der Architekt Thomas Hinrichs, vom Beobachter um eine Stellungnahme gebeten werden, schalten sie den Zürcher Anwalt Christian Rohner ein. Dieser legt sich ins Zeug. Rohner schreibt Brief um Brief an den Beobachter, wird nicht müde, die Ehrbarkeit des Duos Hellbrück/Hinrichs zu betonen, beantragt Verfügungen, macht Strafanzeigen.

Beim Bauen die Kanalisation vergessen
Bei Richter Zanoni rennt Rohner damit offensichtlich offene Türen ein: So urteilt Zanoni, mit der Publikation der Betreibungsregisterauszüge würden Hellbrücks Firmen «in ein falsches Licht gerückt». Begründung: Einer der Auszüge sei bereits acht Monate alt. Und weiter: «Die Höhe der in Betreibung gesetzten Forderungen lässt nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Vermögenslage der Firma zu.»

Besonders stossend fand Richter Zanoni, dass der Beobachter es nicht bei der ersten Berichterstattung über Hellbrück belassen wollte, sondern erneut «alten Kaffee aufgerührt und neu aufgekocht hat», zumal das einzig Neue im zweiten Artikel die Auszüge aus dem Betreibungsregister seien. Zudem habe der Beobachter bewusst «die Augen verschlossen vor den zwischenzeitlich erfolgten Bemühungen von Siegfried Hellbrück und Thomas Hinrichs, einigermassen Ordnung in ihre Geschäfte zu bringen». Er verbietet die Publikation.

Der Beobachter wiederum legt gegen diese Verfügung beim Thurgauer Obergericht Rekurs ein. Mit Erfolg: Zanonis Argumentation wird vom Obergericht regelrecht zerzaust. «Im Rechtsleben», so urteilt die Berufungsinstanz, «kommt dem Betreibungsregisterauszug ein hoher Stellenwert zu.» Wer innert derart kurzer Zeit, mithin innerhalb von zwei Jahren seit der ersten eingeleiteten Betreibung, in diesem Ausmass Betreibungen zu verzeichnen habe, stelle nach den Erfahrungen des Lebens eine Gefahr für seine aktuellen und künftigen Gläubiger dar. «Darüber darf die Öffentlichkeit durchaus informiert werden.» Das Urteil ist vor rund zwei Wochen rechtskräftig geworden: Das Bundesgericht hat Hellbrücks Rekurs abgewiesen. Und wie sieht es damit aus, dass Hellbrück und Hinrichs «einigermassen Ordnung in ihre Geschäfte» gebracht haben? Ein Blick in das aktuelle Betreibungsregister vermag Zanonis Beurteilung nicht zu stützen. Die Gläubigerschar der Unternehmer ist bunt gemischt: Banken, Gemeinden, Unfallversicherungen, Ausgleichskassen, Leasingfirmen, Gewerkschaften, Bauherren, Lieferanten. Gesamthöhe der Forderungen: rund 4,6 Millionen Franken.

Am Samstag vor zwei Wochen berichtete die «Basler Zeitung» unter dem Titel «Abgezockt und ausgenommen» über zwei Baustellen der Unternehmer - die eine in Giebenach BL, die andere in Hornussen AG. Das Bild vor Ort wie gewohnt, wenn Hellbrück und Hinrichs Hand anlegen: Wassereinbrüche im Keller, miserable Malerarbeiten, Terminschlampereien, obskure Geldflüsse, Verdacht auf Veruntreuung. Und in Hornussen - ein nicht ganz unwichtiges Detail - ging schlicht die Kanalisation vergessen.

Rund anderthalb Jahre vor der «Basler Zeitung» wollte der Beobachter über die katastrophalen Zustände auf der Baustelle der Neubausiedlung in Giebenach berichten. Im Sinne der Transparenz stellte die Redaktion den Artikel mit Aussagen von Bauherren, Handwerkern und Bauexperten Gerichtspräsident Zanoni vor dem Druck zur Verfügung. Dieser leitete ihn umgehend an Hellbrücks und Hinrichs Anwalt Christian Rohner weiter. Der beantragte ein Publikationsverbot. Zanoni kam dem Begehren sofort nach.

Das richterliche Eigengoal
Der betreffende Artikel vom Oktober 2006 ist nie erschienen. Ein Bericht über das Verbot konnte hingegen sechs Wochen später publiziert werden, weil das von Zanoni verfügte Verbot, über das Verbot zu schreiben - mithin sein drittes -, erst eintraf, als die betreffende Ausgabe bereits gedruckt war. Das Heft wurde ausgeliefert, obwohl der Justizmann alle Register seiner richterlichen Macht gezogen hatte: Dem Beobachter untersagte er die Publikation, der Post die Zustellung, dem Kioskunternehmen Valora den Verkauf. Damit schrieb Ralph Zanoni, wohl unfreiwillig, Mediengeschichte: Ein Verbot für die Post und die Valora war einmalig. Zu diesem drastischen Mittel hatte bislang in der Schweiz noch nie ein Richter gegriffen.

Auf der Giebenacher Baustelle - um eine solche handelt es sich immer noch - sind die Bauherren inzwischen längst eingezogen. Notgedrungen, denn Hellbrück macht keine Anstalten, die Bauten fertigzustellen. Das brachte ihm eine Strafanzeige sämtlicher Bauherren ein.

Auch Richter Zanoni hat mitbekommen, dass in Giebenach nicht alles zum Besten steht. Er schreibt in seiner Verfügung zurückhaltend von «geänderten Verhältnissen». Die Publikationsverbote von Oktober und Dezember waren superprovisorisch ausgesprochen worden, das heisst, ohne Anhörung der Gegenseite. Die Thurgauer Zivilprozessordnung sieht vor, dass die Parteien nach einer superprovisorischen Verfügung angehört werden müssen. Dann fällt der Richter seinen endgültigen Entscheid. Dies hat Zanoni vor zwei Wochen getan: Er hat bestätigt, dass der Beobachter bestimmte Aussagen über Hellbrück und Hinrichs nicht publizieren darf.

Diesen Entscheid publizierte Zanoni mittels einer Medienmitteilung, in der er die Aussagen nennt, die der Beobachter nicht verbreiten darf - und bringt sie genau damit doch noch in Umlauf. Das ist Justiz ad absurdum geführt.

Der Beobachter wird auch gegen diese beiden Verfügungen des Arboner Richters Rekurs einlegen.