Entwicklungshilfe: Bundesgelder für T-Shirts verschleudert
Faire Löhne für T-Shirt-Hersteller in Kenia – eine gute Sache, befand der Bund und unterstützte das Entwicklungshilfeprojekt mit rund 670'000 Franken. Doch das Geld verpuffte im Leeren.
Veröffentlicht am 21. November 2000 - 00:00 Uhr
Am Anfang war eine gute Idee. Dass billige T-Shirts von ungebildeten Arbeitskräften zu Hungerlöhnen hergestellt werden, muss nicht sein. Also lancierte Paul Ketterer das «Double Income Project» (DIP). Den Angestellten in den Textilfabriken in Kenia sollte zusätzlich zum landesüblichen Lohn nochmals gleich viel Geld für Projekte zur Verbesserung ihrer Arbeits- oder Lebensbedingungen zur Verfügung gestellt werden. Weil selbst die verdoppelten Lohnkosten nur einen geringen Anteil an den Gesamtkosten ausmachten, erhöhe sich der Verkaufspreis bei uns kaum.
Das Projekt stiess auf grosses Echo. Der Textildetaillistenverband machte mit, und auch der Beobachter lobte die Idee (Nr. 7/95). Rund 150 Fachgeschäfte verkauften die T-Shirts für 15 Franken pro Stück. Trotzdem: Das Projekt ist heute, fünf Jahre später, gescheitert. Die Stiftungsaufsicht des Bundes hat die Stiftung aufgelöst.
Brisant dabei: Die Stiftung lebte nicht nur vom Engagement und den privaten Mitteln von Paul Ketterer, sondern auch vom Bund. 405500 Franken flossen in den Jahren 1995 und 1996 als Förderhilfe für den Handel mit Entwicklungsländern in das Projekt, dazu kommen 265000 Franken an Bundesgeldern für Vorarbeiten.
Löwenanteil floss in die Bürokratie
Wie das Geld genau eingesetzt wurde, ist unklar. Fest steht, dass es nur zum kleinsten Teil für Hilfsprojekte eingesetzt wurde. Der Löwenanteil wurde offenbar für Vorbereitungs- und Koordinationsarbeiten in der Schweiz und vor Ort ausgegeben. Vor allem aber hat die Stiftung nie ordnungsgemäss funktioniert. «Die Stiftungsaufsicht erhielt nie Unterlagen, die eine fundierte Beurteilung der Aktivitäten erlaubt hätten», sagt Alvar Spring von der Stiftungsaufsicht. «Wir wissen nicht, wofür das Geld verwendet wurde.» Zwar habe man regelmässig detaillierte Unterlagen angefordert, aber ausser schönen Prospekten nichts Substanzielles erhalten. Nach vier Jahren wurde es der Aufsichtsbehörde zu bunt: Sie schloss den Laden, weil die Stiftung kein Geld mehr hatte.
Verdachtsmomente gab es allerdings schon lange. Bereits im März 1996 kam der unabhängige Fachmann Hans Conraths zum Schluss, dass «vor allem der Führungsstil der Stiftung» verantwortlich dafür sei, dass das Projekt zum Scheitern verurteilt sei. Das Ganze sei wenig durchdacht und ungenügend vorbereitet, berichtete Conraths den Bundesbehörden. Massnahmen wurden jedoch nicht ergriffen.
Auch die vierteljährlichen Berichte, die der Werbefachmann Ketterer dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zukommen liess, verhiessen wenig Gutes. «Wir haben schnell gemerkt, dass das Projekt nicht lief wie geplant, aber wir haben uns auf die seriösen Partner im Stiftungsrat verlassen», sagt Remigi Winzap, Seco-Chef für Handels- und Umwelttechnologiekooperation. «Zudem sind wir nicht für die finanzielle Aufsicht zuständig, dafür gibt es ja die Stiftungsaufsicht.»
Bei der Stiftungsaufsicht will man davon nichts wissen und findet, das Seco sei zuständig für den sachgerechten Einsatz der Bundesgelder. «Wir wussten nicht einmal sicher, dass der Bund die Stiftung finanziell unterstützt hatte», sagt Alvar Spring von der Stiftungsaufsicht. Am 13. Oktober 1997 löste das Seco die Zusammenarbeit mit der Stiftung auf ohne die Stiftungsaufsicht zu informieren.
670000 Franken sind für den Bund wenig Geld; es handelt sich aber um einen der grössten Beträge für ein einzelnes Projekt. Immerhin: Der Bund zieht Lehren aus dem Flop. Seco-Mann Remigi Winzap: «Künftig verlangen wir eine klare Trennung zwischen Stiftungsrat und Geschäftsführung.» Denn genau deswegen scheint das Projekt Schiffbruch erlitten zu haben: Der frühere Migros-Manager Ketterer leitete DIP wie seine Privatangelegenheit; der prominent besetzte Stiftungsrat hatte wenig zu sagen. Christoph Stückelberger, Zentralsekretär von «Brot für alle» und DIP-Stiftungsrat von 1995 bis 1997: «Ketterer war nicht bereit, Entscheide des Stiftungsrats umzusetzen.» So habe er etwa das DIP-Label entgegen der Abmachung unter seinem eigenen Namen eintragen lassen. Aufgrund der Querelen warfen immer mehr Stiftungsräte das Handtuch.
Afrika-Nüsse für Schweizer Brote
Doch Ketterer, der heute in Nairobi lebt, lässt sich vom Misserfolg nicht beeindrucken. Für sein neustes Vorhaben ebenfalls unter dem Namen DIP lässt er biologisch produzierte Macadamia-Nüsse zu Schweizer Broten verarbeiten. Weil er den Zwischenhandel ausschalte, könne er den Erlös für Tuberkulosekranke in Kenia einsetzen, preist er seine neuste Idee.
Zum T-Shirt-Flop hingegen will er sich gegenüber dem Beobachter nicht äussern. Seltsam, wenn man sich seine Worte beim Start des Projekts in Erinnerung ruft: «Es liegt nun nicht zuletzt an den Medien, uns auf die Finger zu schauen und unsere Versprechen von gerechteren Löhnen für die Ärmsten der Welt zu kontrollieren und hartnäckig Transparenz zu fordern.»