Zusammengekrümmt lag Olympia im Bett. Die Anderthalbjährige schrie und schlug sich immer wieder mit den Fäustchen gegen den Bauch. Die Mutter erkannte instinktiv: Mein Kind ist in Gefahr!

Doch Olympias Ärztin war in den Ferien. Per Telefonbeantworter wurde die Mutter an einen ihr unbekannten Kinderarzt verwiesen. Dieser verordnete nach kurzer Untersuchung Ohrentropfen. Doch das Kind beruhigte sich nicht.

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Auch ein zweiter Termin am selben Abend machte den Arzt nicht hellhörig. Ein Gehörgang sei leicht entzündet, und das schlage dem Kind wohl etwas auf den Magen, beruhigte er die Mutter. Wenn es nicht besser werde, solle sie am nächsten Tag nochmals vorbeikommen.

Durchbohrte Magenwand
Doch die Mutter liess sich nicht abspeisen und fuhr mit Olympia ins Kinderspital Zürich. Nach gründlicher Untersuchung war die Ursache der Schmerzen bald erkannt: Das Kind hatte eine sieben Zentimeter lange Haarnadel verschluckt.

Diese war in der Speiseröhre in zwei Stücke auseinander gebrochen. Der eine Teil hatte die Magenwand durchstossen und sich gefährlich hinter dem Herzen festgesetzt. Die andere Spitze hatte das Zwerchfell durchbohrt und war in Lungennähe vorgestossen.

Die Fremdkörper wurden sofort entfernt. Nach der Operation litt Olympia noch tagelang unter Fieber. Da nicht sicher war, ob der von den Nadelspitzen zweimal durchbohrte Magen Komplikationen hervorrufen würde, musste das Kind zwei Wochen im Spital bleiben. Nach der Entlassung waren weitere Kontrollen nötig.

Wäre der Kinderarzt bereit gewesen, ehrlich zu seiner im Schnellverfahren getroffenen Fehldiagnose zu stehen, hätte Olympias Mutter die Sache vergessen. Als der Kinderarzt dann aber eine Rechnung über Fr. 85.50 schickte, war das Mass voll. Uber ihren Anwalt liess sie dem Arzt mitteilen, dass sie die Rechnung weder selbst bezahlen noch der Krankenkasse weiterleiten werde.

Pfusch muss nicht bezahlt werden
Doch der Arzt ging mit keinem Wort auf das diagnostische Fehlurteil und die unsachgemässe Therapie ein. Ganz im Gegenteil: Er schrieb, es sei ihm bei der ersten Rechnungsstellung entgangen, dass nicht nur eine, sondern zwei Konsultationen stattgefunden hätten – und erhöhte die Rechnung auf Fr. 150.25.

Der Rechtsanwalt intervenierte. Erstens sei das Verhältnis zwischen Arzt und Patient laut Obligationenrecht ein einfacher Vertrag. Zweitens schulde der Patient dem Arzt kein – oder zumindest kein ganzes – Honorar, wenn eine Behandlung nicht pflichtgemäss durchgeführt worden sei. Dazu gebe es eine ganze Reihe von Bundesgerichtsentscheiden.

Die kleine Lektion in Patientenrecht wirkte. Der Kinderarzt stellte keine weiteren Forderungen mehr. Auf eine Entschuldigung wartet Olympias Mutter jedoch noch immer.