Zur Kasse, bitte!
Wir zahlen Zehntausende von Franken Gebühren für alles Mögliche – und es wird immer noch mehr: Gemeinden und Kantone können die Tarife willkürlich erhöhen. Unsere interaktive Karte zeigt die immensen Unterschiede je nach Gemeinde.
Bei Geburt sind alle gleich, heisst es. Aber sicher nicht im Gebührenland Schweiz! Wenn ein Baby in Basel oder Altdorf zur Welt kommt, kostet das Ausstellen der Geburtsurkunde 30 Franken. In Freiburg müssen für den gleichen amtlichen Vorgang 33 Franken abgeliefert werden. Zwar gelten im Zivilstandswesen landesweit Einheitstarife, aber es gibt, gut föderalistisch, Interpretationsspielraum. So können nach Gutdünken zum Beispiel «die Kosten für das Porto oder für die Hülle zur Aufbewahrung der Urkunden» draufgeschlagen werden, steht in der Verordnung.
Klar: Die drei zusätzlichen Freiburger Franken sind Peanuts angesichts dessen, wofür das Neugeborene in seinem weiteren Leben noch zur Kasse gebeten werden wird. Aber Begriffe wie «Interpretationsspielraum» oder «Gutdünken» tauchen oft auf, wenn es um Gebühren in der Schweiz geht. Je nach Ort variieren die Kosten für genau die gleiche Dienstleistung teils enorm. Und wer nach Erklärungen für die Unterschiede sucht, verliert sich schnell einmal im Nebel der Intransparenz.
Das ist Gift für die Idee des Verursacherprinzips, das letztlich hinter der Erhebung von Gebühren steht: Sie sind das Entgelt für eine bestimmte Amtshandlung, die der Staat für einen einzelnen Bürger erbringt (siehe «Gebühren: Honorare für Behörden und Beamte»). «Aber das geht nur dann gut, wenn man bei der Kostenwahrheit ist», sagt der St. Galler Ökonom Franz Jaeger. Doch diese sei «in 90 Prozent der Fälle» nicht nachvollziehbar: «Eine Unterschrift plus Stempel, das soll 50 Franken kosten?» Der frühere Professor für Wirtschaftspolitik belegte 2002 in einer umfassenden Studie erstmals die schleichende Verlagerung der Staatseinnahmen weg von den allgemeinen Steuern und hin zu den individuellen Abgaben. Jaeger verfolgt die Entwicklung bis heute; sein Warnruf ist unverändert: «Wenn die Transparenz fehlt, wird das Gebührenwesen vom Staat als Einnahmekanal missbraucht.»
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Was welche Gebühr beinhaltet, erfahren Sie in diesen Erläuterungen (PDF)
Eine aktuelle Erhebung des Beobachters bestätigt die Vermutung: Der Wildwuchs hält an. In einer Stichprobe wurde in den Hauptorten der 21 Deutschschweizer Kantone (Ausnahme: Wallis; Brig statt Sitten) nachgefragt, welche Verwaltungs- und Benutzungsgebühren für öffentliche Aufgaben fällig werden. Als Leitfaden dienten Dienstleistungen, die die Einwohnerinnen und Einwohner typischerweise im Lauf ihres Lebens beanspruchen.
Drastisch ist das Gebührengefälle etwa bei den Kinderhorten. Hier zahlt es sich aus, wenn man in der Stadt Zug wohnt: Der Tarif für die Betreuung eines Zweitklässlers an wöchentlich zwei Tagen beträgt 836 Franken pro Schuljahr. Möglich ist das, weil die Zuger Horttarife politisch gelenkt werden. «Zu einem umfassenden Bildungsangebot gehört nach unserer Überzeugung auch eine qualitativ gute Betreuung», sagt Regula Roth, Leiterin der städtischen Abteilung Kind Jugend Familie. Wie die schulische Bildung wird in Zug die eigentliche Betreuung deshalb gratis angeboten; die Eltern bezahlen nur noch Mahlzeiten und Administration.
Am oberen Ende der Skala steht die Stadt Luzern. Hier zieht die exakt gleiche Dienstleistung eine mehr als sechsmal so hohe Rechnung nach sich – 5254 Franken. Auch wenn man den Sonderfall Zug weglässt, müssen die Luzerner für den Hortplatz über Gebühr tief in die Tasche greifen; die vergleichbar grosse Stadt St. Gallen etwa verlangt nur 2400 Franken. Solche Ausreisser nach oben sind schwieriger zu begründen: Man lege in Luzern Wert auf Qualität, etwa auf einen hohen Betreuungsfaktor, und das schlage sich beim Tarif nieder, heisst es auf der städtischen Bildungsdirektion etwas ratlos.
Besonders üppig wuchert der Gebührendschungel, wenn eine Liegenschaft den Eigentümer wechselt. Pech hat wiederum der Freiburger, der schon als Kleinkind ein Supplément für den Geburtsschein bezahlen musste. Hat er es in seinem Leben zu einem Ein-Millionen-Haus gebracht, schenkt es nun so richtig ein: Für Handänderung und Beurkundungen sacken die involvierten Ämter und der Notar 33'705 Franken ein. Im nahen Bern käme er bei der gleichen Konstellation mit 22'485 Franken davon. Freilich ist auch das immer noch genug, so dass er sich vielleicht wünschte, das Haus stünde in Glarus (5000 Franken) oder Schaffhausen (7000 Franken) – oder in den Kantonen Zürich oder Schwyz, wo nur für die Beurkundungen Kosten anfallen.
Derartige Bandbreiten zwischen fast nichts und ganz viel sind nicht nur aus Konsumentensicht ein Unding, sondern auch staatspolitisch. Denn während über die Einnahmen aus den Steuern überall punktgenau Buch geführt wird und jedes Prozent Steuersatz eine heftige Debatte auslöst, können Gemeinden und Kantone bei der Gebührenfestlegung freihändig agieren. «Es ist höchst bedenklich, wenn so viel Geld ohne demokratische Legitimation eingetrieben wird», kritisiert Gebührenfachmann Franz Jaeger.
Der Anreiz, sich über Gebühren Mittel zu beschaffen, sei in Zeiten leerer Kassen umso grösser, so der Ökonom. Das zeigte sich vor allem in den neunziger Jahren, als die Gebührenlast in der Schweiz sprunghaft nach oben schnellte. Auch heute gibt es Anzeichen dafür. Etwa im Wallis: Wie der Staatsrat Anfang Februar freimütig mitteilte, sollen durch die Tariferhöhung von Gerichts- oder Verwaltungsbehörden zusätzliche 2,5 Millionen Franken eingenommen werden. Bei gleichbleibenden Dienstleistungen, notabene.
Auch Preisüberwacher Stefan Meierhans, der bei seinem Amtsantritt 2008 den Kampf gegen undurchsichtige Abgaben zur «Daueraufgabe» erklärt hat, ist «schockiert über das Ausmass und die Selbstverständlichkeit, mit der man Gebühren erhöht. Offensichtlich ist die Quelle zu einfach.» Zur Abfederung gab die Preisüberwachung in den letzten fünf Jahren allein in den klassischen Abgabenbereichen Wasser, Abwasser und Abfall 120 formelle Empfehlungen ab und besiegelte zwölf einvernehmliche Regelungen.
Daneben hatte es Meierhans bisher mit etwa 2200 Meldungen von Privatpersonen zu tun, in denen direkt eine überrissene Gebühr beanstandet wurde. Die Anzahl der Leute, die sich wehren, ist also überschaubar.
Und das ist eine Krux: Faktisch wird die Einhaltung des Kostendeckungsprinzips, nach dem die Abgabe grundsätzlich nur dem effektiven Aufwand der Behörde entsprechen darf, nämlich nur dann kontrolliert, wenn ein Bürger eine Verfügung vor Gericht anficht.
Dass das nur wenige auf sich nehmen, hat damit zu tun, dass es in den meisten Fällen nur um Kleinbeträge unter 1000 Franken geht. Doch Kleinvieh macht auch Mist. Der Vergleich der aktuellen Beobachter-Stichprobe mit ähnlich gelagerten Umfragen vor fünf respektive zehn Jahren zeigt: Die Tarife sind praktisch überall und teils deutlich angestiegen, selbst wenn man die Teuerung (5,1 Prozent seit 2004) einbezieht. Massiv mehr kostet etwa das Heiraten, im Durchschnitt rund 60 Prozent mehr als 2004. Auch Hunde zu halten ist teurer geworden. Den Vogel schiesst dabei der Nidwaldner Hauptort Stans ab – mit einem Aufschlag um 700 Prozent innert zehn Jahren (von 15 auf 120 Franken).
Die steigenden Erträge aus den Gebühren sind im Verhältnis zu den relativ stabilen Steuern für die Staatskassen längst zur festen Grösse geworden. Im Kanton Zürich etwa betrugen die Gebühreneinnahmen im Jahr 2010 rund 4,5 Milliarden Franken – satte 42 Prozent des Gesamtertrags. Ein ungesundes Verhältnis, findet Hans Egloff, SVP-Nationalrat und Präsident des Zürcher Hauseigentümerverbands (HEV). «Die wachsende Höhe und Menge der Gebühren rührt daher, dass es an der Kontrolle mangelt», sagt er.
Das soll sich ändern. Egloffs HEV hat gemeinsam mit dem kantonalen Gewerbeverband zwei parallel laufende Volksinitiativen – je eine für die Ebene Kanton respektive Gemeinden – unter dem Titel «Ja zu fairen Gebühren» eingereicht. Ein Ziel ist, sämtliche Gebühren alle vier Jahre vor Beginn der Legislatur zu erfassen und den Gemeindeparlamenten beziehungsweise -versammlungen vorzulegen. Egloff: «So kann nicht mehr die Verwaltung die Gebühren in Eigenregie festlegen.»
Der jährlich publizierte Indikator der Gebührenfinanzierung, hier von 2011, zeigt, zu welchem Anteil die Kantone die öffentliche Versorgung und andere Dienstleistungen durch Gebühren finanzieren. Untersucht werden vier Bereiche: Abfallwesen, Wasserversorgung/Abwasser, allgemeines Rechtswesen und Strassenverkehrs-/Schifffahrtsamt.
Der jährlich publizierte Indikator der Gebührenfinanzierung, hier von 2011, zeigt, zu welchem Anteil die Kantone die öffentliche Versorgung und andere Dienstleistungen durch Gebühren finanzieren. Untersucht werden vier Bereiche: Abfallwesen, Wasserversorgung/Abwasser, allgemeines Rechtswesen und Strassenverkehrs-/Schifffahrtsamt.
Der Abstimmungstermin steht noch nicht fest, wohl aber die Haltung der Zürcher Regierung: Kommt nicht in Frage, «zu bürokratisch, schwerfällig und kostspielig». Dass sich die Gebührenmacher nur ungern kontrollieren lassen, überrascht wenig und zeigte sich auch in der Erhebung des Beobachters. So wollte das Bezirksgericht Plessur (Chur) partout seinen Scheidungstarif nicht herausrücken. «Selbstverständlich haben wir einen Standardtarif», so Gerichtspräsident Urs Raschein, «aber ich will nicht, dass nachher jeder kommt und sich darauf beruft, dass seine Scheidung nicht mehr kosten darf, als im Beobachter steht.» Etwas Beinfreiheit muss sein, wenns ums Inkasso geht.
Absolute Zahlen über den gesamtschweizerischen Gebührenfluss sind aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungsmodelle schwer zu eruieren. Experte Franz Jaeger schätzt aus hochgerechneten Erfahrungswerten, dass pro Jahr etwa 35 Milliarden Franken an Abgaben erbracht werden. Wagt man mit diesem Wert ein Zahlenspiel, ergibt das 4300 Franken pro Kopf und Jahr. Aufgerechnet auf ein 80-jähriges Leben, kommen so etwa 350'000 Franken zusammen, die Herr und Frau Schweizer an Gebühren abliefern.
Ein Entrinnen gibt es nicht. Selbst wenn das Leben zu Ende ist, greift Vater Staat noch einmal zu. Mit beiden Händen tut er das im Baselbiet. So kostet in Liestal eine Erdbestattung 2100 Franken, eine Kremation gar 3100 – mit die höchsten Tarife der Beobachter-Erhebung. Bei ihnen sei halt «all inclusive», erklärt René Plattner, Leiter des Bereichs Betriebe. «Sämtliche Nebenleistungen sind in der Gebühr enthalten, bis hin zum Sigristendienst.» Das sei anders als anderswo. Stimmt: Unser so arg geschröpfte Einwohner aus Freiburg darf für ganze 70 Franken abtreten. Und in Basel-Stadt wird gar zum Nulltarif beerdigt. Dass beim Tod alle gleich sein sollen, gilt also schon lange nicht mehr. Am wenigsten im Gebührenland Schweiz.
Was ist eine Gebühr?
Gemäss verwaltungsrechtlicher Definition ist die Gebühr das Entgelt für eine Amtshandlung oder die Entschädigung für die Benutzung einer öffentlichen Anlage. Mit anderen Worten: Sie ist quasi das Honorar für Arbeiten, die eine Behörde oder ein Beamter für eine Person erledigt. Ob diese Arbeit nun in deren Interesse ist (Baubewilligung) oder nicht (Gerichtsgebühr), spielt keine Rolle.
Die staatliche (Gegen-)Leistung ist denn auch der Hauptunterschied zwischen der Gebühr und den Steuern. Letztere verlangt der Staat in der Regel, um Aufgaben für das gesamte Gemeinwesen zu finanzieren. Anders als bei den Gebühren werden damit aber keine speziellen Leistungen oder besondere Vorteile für Einzelne erbracht.
Wofür dürfen Gebühren verlangt werden?
Je nach ihrer Zweckbestimmung lassen sich drei Arten von Gebühren ableiten:
1. Verwaltungsgebühren: Sie sind das Entgelt für eine staatliche Tätigkeit. Typische Beispiele für Verwaltungsgebühren sind Gerichts-, Prüfungs- oder Kanzleigebühren; Letztere etwa für die Erteilung von Auskünften oder Bestätigungen.
2. Benutzungsgebühren: Wer eine öffentliche Einrichtung wie ein Schwimmbad benutzt, muss der Gemeinde als Betreiberin in der Regel etwas bezahlen. Weitere typische Benutzungsgebühren sind Flughafen- oder Spitaltaxen, Studien-, Abwasser- oder Kehrichtgebühren.
3. Konzessionsgebühren: Wer ein öffentliches Gut wie Luft oder Wasser über den normalen Rahmen hinaus für seine Zwecke (etwa Radiosender, Wasserwerk, Steinbruch) nutzen möchte, braucht dafür eine Konzession und muss im Gegenzug eine entsprechende Gebühr bezahlen.
Wie hoch dürfen Gebühren sein?
In der Regel bemessen sich die Gebühren nach dem Wert der staatlichen Leistung. Entsprechend dürfen Gebühren grundsätzlich nie die Kosten übersteigen, die der betreffenden Behörde durch ihre Leistungen entstehen. Dieses Kostendeckungsprinzip gilt allerdings nicht absolut: Es gibt Gebühren, die vom Gesetz ausdrücklich für kostenunabhängig erklärt werden können, etwa Parkgebühren. Dies, um ihnen eine gewisse Lenkungswirkung zu geben.
Wie auch immer: Alle Gebühren müssen verhältnismässig sein – so will es das Äquivalenzprinzip. Dieses besagt, dass die Gebühr im Einzelfall in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert der Gegenleistung stehen muss. Ist dies nicht der Fall, kann ein Gericht eingreifen. So pfiff etwa das Bundesgericht ein Bezirksgericht zurück, das in einem erbrechtlichen Verfahren für 944 erstellte Kopien eine Gebühr von 1888 Franken verlangt hatte. Dieser Betrag stehe in einem offensichtlichen Missverhältnis zum Wert der Leistung, befand «Lausanne».
Kann man sich gegen Gebühren wehren?
Die Gebühr stellt eine staatliche Anordnung dar. Entsprechend müssen die Behörden diese in Form von Verfügungen einfordern – spätestens dann, wenn man dies ausdrücklich verlangt. Anhand der Rechtsmittelbelehrung können betroffene Bürger die Gebühr anfechten. Auf vielen Gebührenrechnungen ist die Rechtsmittelbelehrung bereits aufgeführt.
Ist dies nicht der Fall, gelangt man mit seinen Argumenten am besten schriftlich an die betreffende Amtsstelle. Hält diese an der Gebühr fest, ist für eine Anfechtung eine beschwerdefähige Verfügung mit Begründung (inklusive Rechtsgrundlagen) und Rechtsmittelbelehrung einzufordern.
Was geschieht, wenn man Gebühren nicht bezahlt?
Mit Nichtstun ist die Sache aber nicht erledigt. Denn die Behörden können verfügte Gebühren auf dem Betreibungsweg eintreiben, wie Private ihre Geldforderungen. Konkret: Nach einer oder mehreren Mahnungen müssen säumige Zahler mit der Zustellung eines Zahlungsbefehls und danach mit der Pfändung rechnen.
Wer die fällige Gebühr im Moment nicht oder nicht vollständig bezahlen kann, sollte sich umgehend mit der betreffenden Behörde in Verbindung setzen. Erfahrungsgemäss sind – je nach Situation und Gebühr – auch Ratenzahlungen oder andere Lösungen möglich. Es gibt aber auch Ämter, die nicht mit sich diskutieren lassen und zusätzlich noch Konsequenzen androhen. So kann das Gemeinwesen etwa bei offenen Strom- und Wassergebühren veranlassen, dass auf Kosten des säumigen Kunden ein Vorkassenzähler installiert wird: Ohne Münzeinwurf gibt es dann weder Strom noch Wasser.
Daniel Leiser
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