Alle waren sich einig – sowohl die Berner Gemeinde Rapperswil als auch die Tectra AG, die Besitzerin der Liegenschaft direkt an der Strasseneinmündung nach Seewil: Das so genannte Doktorhaus mit dem bröckelnden Sandsteinsockel, löchrigem Dach und Decken kurz vor dem Einsturz sollte abgerissen werden. Weil das rund 150-jährige baufällige Gebäude auch «verkehrstechnisch sehr ungünstig in einem Strassendreieck liegt und die Sicht behindert» – so Bauverwalter Adrian von Gunten –, waren schon bei der Sanierung der Ortsdurchfahrt beträchtliche Mehrkosten entstanden. 20 Prozent höhere Investitionen dürfte eine Renovation im Vergleich zu Abriss und Neubau verschlingen. Die hohe Lärmbelastung ist ein zusätzlicher Malus für ein Wohnhaus.

Das alles interessierte die kantonale Denkmalpflege nicht wirklich. Sie pochte auf das Bauinventar. Dort wird dieses Abbruchhaus als «schützenswerter wohlproportionierter Riegbau unter Viertelwalmdach» und als «typologisch interessanter» Zeitzeuge geführt.

Der Verfall schien trotzdem seinen Lauf zu nehmen. Bis die Denkmalpflege in Absprache mit der Besitzerin selber einen Käufer suchte. Ende 2003 wurde man fündig: Zwei Bauhandwerker erstanden die Ruine und wollen vieles selber renovieren. Vom Verkehrslärm lassen sich die Käufer zum Glück für die Denkmalschützer nicht beeindrucken: Beide sind gehörlos.

Die Leitsätze gelten nicht immer
«Wer in ein denkmalgeschütztes Objekt investiert, hat sich eben vor dem Kauf über die Auflagen zu informieren», meint Philipp Maurer, Geschäftsführer beim Schweizer Heimatschutz (SHS), zum Vorwurf des schützerischen Übereifers. Maurers Organisation bildet mit ihren Kantonalsektionen die Lobby der Kulturgut-Bewahrer. Im SHS-Leitbild tönt das viel kompromissbereiter: «Heimat entsteht dort, wo gelebt wird. Und wo gelebt wird, finden Veränderungen statt. Eine offene und andauernde Auseinandersetzung mit Neuem ist unerlässlich. Der Einbezug von schützenswerten Objekten in das Alltagsleben ist wichtiger als die reine Konservierung.»

Doch Veränderungen scheinen für Denkmal- und Heimatschutz meist mehr rotes Tuch denn Chance zu sein. Beispiel Globus-Provisorium in Zürich: Obwohl es für das im Jahr 1960 ausdrücklich als Zwischenlösung erstellte Gebäude an der Bahnhofbrücke noch kein konkretes Bauvorhaben gibt, gehen die Wogen bereits auf Vorrat hoch. Den Sturm an der Limmat hat eine private Initiative ausgelöst. Vier internationale Architektenteams wurden mit einer Projektstudie beauftragt.

Für den geplanten neuen städtebaulichen Akzent gibt es Hiebe vom Stadtzürcher Heimatschutz. Das Behelfsgebäude – für viele Zürcher ein Schandfleck – mutiert nun zu einem der «besten Bauten des Architekten Karl Egender, mit leichter Hand hingezaubert, wie ein Schiff in der Limmat ankernd». Wenn schon ein Neubau, dann solle dieser «nicht an Stelle, sondern neben und oberhalb des Globus-Provisoriums entstehen». Sukkurs kommt auch von SHS-Geschäftsführer Maurer: «Das Gebäude repräsentiert mit den Globus-Krawallen auch ein Stück Zürcher Sozialgeschichte. Es steht für eine grosse Wende in der Stadt.» Mit diesem Argument wird jeder irgendwann mal besetzte Altbau zum schützenswerten Objekt.

Die Subventionen werden knapper
Als der heutige Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergeber noch dem Hochbaudepartement vorstand, stellte er eine nüchterne Rechnung auf: «In den vergangenen Jahren wurde vom zuständigen Amt mehr Geld für Archäologie und Denkmalpflege ausgegeben als für die gestalterischen Zukunftsaufgaben wie Städtebau, Architektur und Planung.» Dieses Verhältnis sei nicht stimmig, kritisierte Ledergerber.

Daran hat sich nicht viel geändert. Rund zehn Prozent aller Gebäude auf Zürcher Stadtgebiet gelten immer noch als potenziell schützenswert.

Das Freiluftmuseum Ballenberg lässt in Schweizer Städten und Dörfern heftig grüssen. SHS-Geschäftsführer Maurer widerspricht: «Wir haben in der Schweiz nicht zu viel, sondern immer weniger Denkmalschutz.» Präziser müsste es allerdings heissen: immer weniger subventionierten Denkmalschutz. Im Rahmen des Sparprogramms des Bundes sind in diesem Bereich zwischen 2004 und 2007 Ausgabenkürzungen um rund 36 Prozent auf noch 24 Millionen Franken pro Jahr vorgesehen. Das Doppelte des Betrags schiessen in der Regel die Kantone zu.

Weniger öffentliche Mittel zwingen zu haushälterischem Umgang und Konzentration aufs Wesentliche. Darin mag Maurer keine Chance erkennen. «Wertvolle Bausubstanz geht für immer verloren, der Unterhalt wird vernachlässigt, und Renovationen erfolgen unsachgemäss.» Bereits heute ist jedoch klar: Der Ärger über die Denkmalschützer wird zunehmen, wenn sie ihre Auflagen für Bauherren wegen geringerer Subventionen finanziell nicht oder nur teilweise ausgleichen können.

Auch in Basel gibts Zoff, wenn Bauherren an altehrwürdige Gemäuer Hand anlegen wollen. Wie beim Haus «Zum Vergnügen» an der Bäumleingasse 14. Seinem Namen machte das Gebäude – der Kernbau stammt aus dem Jahr 1327 – in den letzten Jahrzehnten wenig Ehre. Auf den Zimmerböden wuchs Moos, Tauben hinterliessen ihren Dreck. Das Haus mit seinem Stilsammelsurium von gotischem Täfer, barocken Treppengeländern und reich verzierten, marmorierten Zimmerdecken war in erbärmlichem Zustand. Mehrere Projekte – etwa ein Neubau der Bank Sarasin – scheiterten in den letzten Jahren am Widerstand des Heimatschutzes.

Das alte Haus ins neue gepackt
Anfang 2000 kaufte Jeansfabrikant Edwin Faeh die Liegenschaft und plante einen Neubau mit Wohnteil und Geschäftsräumen. Die Stadtbaukommission wie auch der Regierungsrat gaben ihren Segen. Dem Objekt wurde keine besondere Schutzwürdigkeit attestiert. Denkmal- und Heimatschutz opponierten und bekamen vom Appellationsgericht teilweise Recht: Die bemalte Balkendecke im dritten Stock und das Treppenhaus wurden ins Denkmalverzeichnis aufgenommen. Offen liessen die Richter, ob weitere Teile und die Fassade schützenswert seien. Der Heimatschutz warnte vor «Potemkinschen Dörfern» und drohte mit dem Gang ans Bundesgericht.

Die Bauherrschaft gab nun klein bei. Es wurde eine Lösung ausgehandelt, die man als geglückte Verbindung von Denkmalpflege und Stadterneuerung präsentierte. In Tat und Wahrheit entsteht ein Stück Disneyland mitten im alten Basel: Über das alte wird ein neues Haus gestülpt. «Schaut man durch die Glasscheiben, kann man in den Geschossen die Fassade des alten Hauses erkennen», erklärt Architekt Roger Diener. An der Bäumleingasse darf man sich also im wahrsten Sinn des Wortes nicht blenden lassen. Zu den Kosten des Hauses im Haus äussert sich Diener doppeldeutig: «Der Neubau ist durch das Einbeziehen des alten Hauses nicht teurer, aber wohl nicht billiger geworden.»

Als Veränderungen beim Landessender Beromünster ruchbar wurden, gingen die Denkmalpfleger in Stellung. Der Sender wird Ende 2008 endgültig abgeschaltet. Das freut die Anwohner, denn die Strahlenbelastung in der Umgebung ist zu hoch. Die SRG verzichtet auf eine Sanierung. Doch das 215 Meter hohe Metallgerüst dürfte der Nachwelt erhalten bleiben. So will es zumindest der Luzerner Denkmalpfleger Georg Carlen, der den überdimensionalen Zahnstocher als «Denkmal von nationaler Bedeutung» einstuft.

Dass ein Abbruch ausdrücklich begrüsst wird, ist die Ausnahme. Wie beim 70 Meter hohen Sendeturm der Swisscom auf dem Höhronen bei Zürich. Der SHS feiert den Abbruchentscheid als «Meilenstein im Landschaftsschutz». Dieser Turm hat keine Lobby – er steht mitten in einem Schutzgebiet. Da sind weder die «Konstruktionsart noch die Gestaltung des Bauwerkes von besonderer Bedeutung».

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