Macht und Krach
Beim Schweizerischen Blindenbund liegen sich der Geschäftsführer und der Präsident in den Haaren. Es geht um Strategien, Einfluss und Familienbande.
Veröffentlicht am 12. April 2005 - 15:39 Uhr
Mit rund 900 Mitgliedern ist der Schweizerische Blindenbund (SBb) beileibe keine riesige Organisation. Gross genug allerdings für einen veritablen Hauskrach: Präsident Kurt Pfau und Geschäftsführer Claudio Del Degan sowie ihre jeweiligen Gefolgschaften sind sich spinnefeind. Das war vor kurzem noch anders: Ende 2003 stellte sich Pfau schützend vor Del Degan, als der Beobachter berichtete, wie der Geschäftsführer einem Ex-Angestellten die Auszahlung von Krankentaggeldern verweigerte.
Ursprung des Streits ist unter anderem ein Strategiepapier, das Präsident Kurt Pfau Anfang 2003 dem Vorstand vorlegte. «Ziel war es, unsere Rolle als Selbsthilfeorganisation und die Strukturen von Verein und Geschäftsstelle kritisch zu überdenken», sagt Pfau. Zur Diskussion standen auch Korrekturen am Image des SBb, der in den vergangenen Jahren gegenüber dem dynamischer auftretenden Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband ins Hintertreffen geraten war.
Del Degan will zur Angelegenheit keine Stellung nehmen. Das zuständige Gremium des SBb habe beschlossen, sich nicht mehr zu äussern, erklärt er. Kein Blatt vor den Mund nimmt hingegen Kurt Pfau: «Der Geschäftsführer liess die Diskussion über das Strategiepapier bewusst im Sand verlaufen», erklärt der Präsident. «Würde an den jetzigen Strukturen etwas verändert, müsste Herr Del Degan zwangsläufig Macht abgeben. Davor fürchtet er sich.»
Tatsächlich kann der Geschäftsführer bei der Diskussion um neue Strukturen und Ziele nur verlieren: Die Position und das Beziehungsnetz, das er sich in den vergangenen 15 Jahren aufgebaut hat, suchen ihresgleichen.
Der klassische «Padrone»
Er nimmt an den Vorstandssitzungen teil, ist Stiftungsrat der SBb-eigenen «Stiftung für Solidarität mit Sehgeschädigten» und sass bis vor kurzem auch im Vorstand der Firma Invasupport, die Hilfsmittel für Sehbehinderte und Blinde vertreibt. Zudem ist Del Degan stimmberechtigtes Mitglied der so genannten «Referate». Diese Gremien, innerhalb des Vorstands in verschiedene Fachbereiche aufgeteilt, sollen die Arbeit der Geschäftsstelle begleiten und kontrollieren. Der Geschäftsführer ist damit in der komfortablen Lage, sich in gewissen Bereichen quasi selber kontrollieren zu können.
Del Degan konnte zudem an den zentralen Stellen im Blindenbund Familienmitglieder und Getreue um sich scharen. Sein Schwager Joe Zoellig ist für die Finanzen verantwortlich. Sohn Dominic Del Degan präsidiert neu den Verwaltungsrat von Invasupport, die Freundin eines weiteren Sohnes arbeitet im Sekretariat des SBb. Zudem sind die Partnerinnen von zwei Vorstandsmitgliedern ebenfalls mit kleineren Pensen bei der Geschäftsstelle angestellt. «Claudio Del Degan ist der klassische ‹Padrone› und führt den Betrieb entsprechend», sagt ein Kenner der Szene. Ähnlich tönt es in zwei Berichten von externen Beratern, die die Organisation und insbesondere die Geschäftsstelle analysiert hatten.
Ob sich in der Selbsthilfeorganisation schliesslich die Modernisierer oder die Bewahrer durchsetzen, wird sich an der Delegiertenversammlung vom 28. Mai entscheiden. Kurt Pfau, vor vier Jahren von Geschäftsführer Del Degan portiert und als einziger Kandidat gewählt, wird diesmal mit Widerstand zu rechnen haben. Zwei Vorstandsmitglieder, die sich offen zum Geschäftsführer bekennen, wollen sich als Kopräsidenten bewerben.