Die hohe Schule des Abkassierens
Während an den Hochschulen Sparzwang herrscht, bessern die Professoren ihre Löhne mit lukrativen Mandaten auf. Die Unis könnten ihren Anteil einfordern – verzichten jedoch darauf.
Veröffentlicht am 12. März 2004 - 13:05 Uhr
Der voll besetzte Hörsaal wartet auf den Auftritt des Professors. Vergeblich. Eine Assistenzkraft tritt ins Auditorium und beginnt die Vorlesung. Der Professor muss gerade ein Gutachten schreiben, ein Unternehmen beraten oder an einer Verwaltungsratssitzung teilnehmen. Der Vortragende müht sich redlich und die Studenten nehmen ohne Murren mit dem Ersatz vorlieb, Unialltag eben.
Erst wenn es ums Geld geht, ist es unter der Studentenschaft vorbei mit der Gelassenheit. Um zusätzliche Professorenstellen zu schaffen, wurde der Vorschlag lanciert, die Studiengebühren auf 5000 Franken pro Jahr zu vervierfachen. Die Studenten wollen sich das nicht bieten lassen und haben nach neuen Einnahmequellen für die vom Spardruck geplagten Universitäten Ausschau gehalten.
Fündig wurden sie bei den häufig in lukrativen Nebenjobs engagierten Professoren. Der Verband der Schweizer Studierendenschaften verlangt in einem Grundsatzpapier, «die externen Einkünfte der Professoren (Mandate et cetera) miteinzubeziehen». Diese Mittel müssten als Beitrag zu den Uni-Etats «bedingungslos dem Bildungsbereich» zukommen.
Beträchtliche Gehaltsaufbesserung
Für die durchschnittlich 200000 Franken Jahreslohn müssen die Professoren nur 80 Prozent ihrer Arbeitszeit aufwenden. Die übrige Zeit dürfen sie ihren Nebenbeschäftigungen nachgehen.
Vor allem Juristen, Ökonomen und Mediziner können ihr Grundgehalt wesentlich aufbessern. So sind etwa im Verwaltungsrat der Swiss Re mit Rajna Gibson und Präsident Peter Forstmoser gleich zwei Professoren von der Universität Zürich vertreten. Die Swiss Re vergütete im Jahr 2002 die Tätigkeit des neunköpfigen Verwaltungsrats mit 1,1 Millionen Franken und einem Paket von knapp 30000 Aktien. Insgesamt entspricht dies einem Wert von rund 4 Millionen Franken. Forstmoser, der in weiteren sieben Unternehmen im Verwaltungsrat sitzt, betont allerdings, dass er nur Professor im Halbamt sei und seine «universitären Verpflichtungen in der Lehre wie auch publizistisch mehr als erfülle».
Auch der Wirtschaftsprofessor Conrad Meyer von der Uni Zürich ist in mehreren Verwaltungsräten engagiert. Ausser im VR der NZZ und der Jacobs AG sitzt er bis zum angekündigten Rücktritt im kommenden April auch im heiss umkämpften obersten Gremium der in heftige Turbulenzen geratenen Temporärfirma Adecco. Diese Mandate, die zusammen einen grösseren sechsstelligen Betrag einbringen dürften, seien für seine Professur «von grossem Nutzen». Auch er hat sein Professorenpensum reduziert.
Nationalräten mit Anzeige gedroht
Ein viel beschäftigter Mann ist auch Felix Gutzwiller, FDP-Nationalrat und Direktor des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin. Fünf Verwaltungsratsmandate sowie der Einsitz im Beirat der Credit Suisse Group bescheren auch ihm einen beachtlichen Nebenverdienst. Bis letzten Frühling wurde die CS-Beiratstätigkeit mit geschätzten 120000 Franken jährlich entschädigt.
Grüne Parlamentarier drohten im März 2003 im Rahmen des neuen Korruptionsstrafrechts gegen die im CS-Beirat einsitzenden Nationalräte Anzeige zu erstatten, weil dieser «unzulässigen Klimapflege» keine entsprechende Gegenleistung gegenüberstehe. Die freiwillige Beschränkung folgte rasch. Heute kassieren die Beiräte für Beratungsleistung und zwei ordentliche Sitzungen pro Jahr immerhin noch rund 30000 Franken.
Zu Gutzwillers VR-Tätigkeit kommen noch etwa ein Dutzend Stiftungs- und Beiratsmandate. Diese Aufgaben erfülle er an seinem «arbeitsfreien» Tag, liess Gutzwiller, der sein Universitätspensum auf 80 Prozent reduziert hat, die NZZ wissen. Seine Freizeit lukrativ zu nutzen weiss auch Nobelpreisträger Rolf M. Zinkernagel von der ETH Zürich. Unter anderem ist er Mitglied des Verwaltungsrats der Novartis AG. Allein dort brachte ihm seine Teilnahme an neun Sitzungen letztes Jahr 210000 Dollar und knapp 8000 Aktien ein, was etwa 700000 Franken entspricht.
Bei 17 der 26 grossen börsenkotierten Schweizer Firmen ist ein Professor Berater oder sitzt im Verwaltungsrat (siehe «Lohnender Nebenerwerb). Doch während den Studenten der grosse Sparzwang verkündet wird, geniessen die Professoren mit ihren Nebeneinkünften grosszügige Nachsicht der Universitäten.
«Es sind keine Abgaben für Zusatzeinkünfte vorgesehen», schreibt die ETH auf Anfrage des Beobachters. Auch an der Universität Luzern besteht weder eine Abgabe- noch eine Offenlegungspflicht. Rektor Paul Richli begründet das damit, dass die Gehälter «erheblich tiefer sind als in Basel, Bern und Zürich».
Gleich argumentiert auch Rektor Hans-Heinrich Nägeli von der Universität Neuenburg. Obwohl das neue Universitätsgesetz Abgaben für Nebenbeschäftigungen vorsieht, ist er persönlich dagegen. Nur so könne man die nicht konkurrenzfähigen Löhne kompensieren und fähige Professoren nach Neuenburg holen. An der Uni Bern wird nur dann eine Abgabe eingefordert, wenn nebenbeschäftigte Professoren die Infrastruktur benutzen.
Recht eindeutig ist die Regelung in Zürich. Wenn Professoren mehr als 20 Prozent ihres ordentlichen Bruttolohns mit Nebenbeschäftigung verdienen, müssen sie laut Personalverordnung einen «angemessenen Teil», den die Universitätsleitung festlegt, abliefern. Obwohl die Einnahmen zu deklarieren sind, war es dem Generalsekretariat der Uni Zürich «unmöglich, das gewünschte Zahlenmaterial zu beschaffen». Auch die Uni Bern weiss nicht, wie viel ihre Lehrkräfte im Nebenamt dazuverdienen. Es ist dort auch kein Thema, einen Teil der Nebeneinkommen abzuschöpfen.
In Basel besteht zwar eine Abgabepflicht, wenn die Nebentätigkeit 20 Prozent der Arbeitszeit überschreitet. Wie viele Mittel der Uni dadurch zufliessen, ist aber auch hier unbekannt. Einzig die Uni Genf hat wenigstens summarisch einen Überblick, aber am Lac Léman können Dozierende bis zu 30 Prozent ihres Gehalts zusätzlich einnehmen, ohne abgabepflichtig zu werden. Insgesamt nahm die Uni im vergangenen Jahr etwa 2,5 Millionen Franken aus Nebeneinkünften ein.
Millionengehälter nicht gefährdet
Es muss nicht immer ein Sitz im Verwaltungsrat sein. Auch Chefärzte an öffentlichen Spitälern verdienen mit der Behandlung von Privatpatienten ein stolzes Zubrot, obwohl sie einen Teil dem Staat abgeben müssen. Im Kanton Bern lieferten Mediziner an öffentlichen Spitälern aus privatärztlicher Tätigkeit im Jahr 2002 etwa 35 Millionen Franken ab. Bei Einkommen von über 450000 Franken beträgt der Abgabesatz 662⁄3 Prozent, darunter 40 Prozent. Grob geschätzt dürften den Ärzten 20 bis 30 Millionen verblieben sein.
Im Kanton Zürich lieferten allein die Ärzte des Universitätsspitals zehn Millionen Franken ab – gleich viel durften sie behalten. Wie viel das für den ganzen Kanton Zürich ausmacht, teilte die Gesundheitsdirektion nicht mit. Die Gesundheitsdirektion des Kantons Basel-Stadt wiederum sah sich ausserstande, einen Betrag aus den Abgaben der privatärztlichen Tätigkeit zu nennen. Durchschnittlich beträgt der Abgabesatz bei stationärer Behandlung ebenfalls 50 Prozent. In der Medizin fallen also ganz erkleckliche Summen an, die die Spitalrechnung verbessern.
Die Professorenschaft muss vorerst nicht um ihre lukrativen Pfründen fürchten. Die Millionengehälter werden mit dem globalen Wettbewerb um die geistigen Eliten begründet. Die Studenten werden mit ihrer Forderung, die Professoren stärker zur Kasse zu bitten, kaum Gehör finden. Oder erst dann, wie André Hurst, Rektor der Uni Genf, ironisch meint, wenn etwa bei der Reduktion des Armeebudgets auch Militärpersonen mit Nebeneinkünften die Löcher stopfen müssten.