Sekten: Finstere Zeiten für die Lichtgestalt
Uriellas Sekte Fiat Lux zeigt Auflösungserscheinungen. Die Spendenbereitschaft hat nachgelassen, und langjährige Mitglieder wenden sich von der Gemeinschaft ab.
Veröffentlicht am 23. Juli 2002 - 00:00 Uhr
Ende März sollte nun definitiv die Welt untergehen. Das verkündete die Schweizerin Erika Bertschinger Eicke, 72, besser bekannt unter dem Namen Uriella und als Chefin der Weltuntergangssekte Fiat Lux. Alle «Geistgeschwister» ihrer Gemeinschaft, die sich in der Nähe der Stadt Ulm befänden, sollten eiligst in das Sektenzentrum nach Ibach in den südlichen Schwarzwald flüchten. Nur dort könne man das Inferno überleben. Solchermassen aufgeschreckt, pilgerten Fiat-Lux-Anhänger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ins Sektenzentrum nach Ibach. Dort wurde gebetet und gehofft, denn schliesslich, so eine der vielen Prophezeiungen von Uriella, würden Fiat-Lux-Mitglieder den Weltenbrand unbeschadet überstehen.
Doch nichts geschah. Uriella und ihr Ehemann Icordo hatten dafür schnell eine Erklärung parat. Durch Indiskretion sei Uriellas göttliche Eingebung an die Medien gelangt, und die internationalen Verschwörer hätten dann von ihrem Vorhaben abgelassen, um das «Sprachrohr Gottes» als Lügnerin darzustellen.
Seit fast zwei Jahrzehnten beschreibt die Sektenchefin nun schon das drohende Inferno in den schillerndsten Farben. Aber seit mehreren Monaten tritt sie nicht mehr in der Öffentlichkeit auf und bemängelt intern die nachlassende Solidarität ihrer Anhänger. Es finden keine «Heilungen» mehr statt, zu denen Uriellas Anhänger früher aus nah und fern anreisten. Die Ausgabe des von Uriella persönlich angerührten «Athrumwassers» wurde eingestellt.
Auch die Spendenbereitschaft habe leider nachgelassen, beklagt Uriella. In den letzten Monaten haben langjährige Mitglieder der Gemeinschaft den Rücken gekehrt. Uriella selbst spricht gegenüber dem Beobachter hingegen von nur einem Mitglied, das Fiat Lux verlassen habe.
Prozesse verloren
Auch das Geld wird langsam knapp: Erst kürzlich hat das Bundesgericht in Lausanne entschieden, dass Uriella einer ehemaligen Anhängerin aus dem Kanton Zürich rund 625000 Franken zurückzahlen muss. Uriella hatte der Frau erklärt, sie und einige ihrer Familienmitglieder seien sterbenskrank und nur bei Fiat Lux gäbe es Heilung. Die Frau überwies ihr Vermögen auf ein Fiat-Lux-Konto, klagte aber nach ihrem Sektenausstieg auf sofortige Rückzahlung. Der Erfolg der Klägerin ist ein herber Schlag für Uriella.
Bereits Ende 1998 war die Sektenchefin vor dem Mannheimer Landgericht wegen Steuerhinterziehung und Heilmittelschmuggels rechtskräftig verurteilt worden. Das lukrative Geschäft mit dubiosen Fiat-Lux-Präparaten kam weitgehend zum Erliegen. Mehrmals startete Uriella Spendenaufrufe: «Holt eure Moneten ab und packt euer Notköfferchen.»
Für die 25-jährige Sabine K. sind das Anzeichen massiver Auflösungserscheinungen. Sie wurde in Uriellas Sekte hineingeboren, und erst seit rund einem Jahr versucht sie, sich in der Gesellschaft wieder zurechtzufinden. «Das ist nicht einfach, denn ich war über 20 Jahre lang einer Gehirnwäsche unterzogen.»
Die Mitglieder würden terrorisiert, eingeschüchtert und bespitzelt. Viele seien «völlig apathisch und psychisch deformiert, manche stark suizidgefährdet». Die Sektenchefin bestreitet das: Es gebe keine Kontrolle der Mitglieder, und von Suizidgefährdeten sei ihr nichts bekannt.
Mehrmals wöchentlich, erzählt dagegen Sabine K., müssten enge Vertraute vor Uriellas verschlossener Tür knien und über die Vorgänge innerhalb der Gruppe berichten. «Der Druck auf Einzelne wächst ständig. Wenn das so weitergeht, ist bei Fiat Lux eine Tragödie wie im Fall der Sonnentempler durchaus vorstellbar.»