Urheberrechte: Gala für arme Autoren
Nur drei Viertel der Copyright-Einnahmen landen in den Taschen der Schweizer Autoren. Der Rest versickert in der aufwändigen Geschäftsführung der Urheberrechtsgesellschaft Pro Litteris.
Veröffentlicht am 10. August 2000 - 00:00 Uhr
Das Ausland machts besser: «Von jeder Mark gehen 93 Pfennig an unsere Autoren», schreibt die VG Wort selbstbewusst im Internet. Bei der Verwertungsgesellschaft der schreibenden Zunft Deutschlands belaufen sich die Kosten für Verwaltung und Verteilung der Urheberrechtsgelder nur auf sieben Prozent.
Ähnlich billig funktioniert die österreichische Litera-Mechana. «Wir sind deutlich unter zehn Prozent», sagt ihr Chef, Franz-Leo Popp. Nur die Schwester in der Schweiz kann das nicht. «Absolut unmöglich.» Pro-Litteris-Direktor Ernst Hefti schüttelt den Kopf. Unmöglich?
Pro Litteris – der Name verspricht Schöngeistiges. Die Gesellschaft setzt sich für Journalisten und Autorinnen ein und sorgt dafür, dass deren Urheberrechte abgegolten werden: Wer Adolf Muschg oder diesen Beobachter-Artikel auf den Fotokopierer legt, muss zahlen.
Zirka 100'000 Fotokopierer stehen in der Schweiz. Deren Besitzer überweisen der Pro Litteris für die getätigten Kopien jährlich zwischen 30 und 150'000 Franken. 18 Millionen kamen so 1998 zusammen.
Am 4. September wird Ernst Hefti Rechenschaft darüber ablegen müssen, was er mit dem Geld getan hat. Und das ausgerechnet im Genfer Luxushotel «Noga Hilton», wo sonst Wirtschaftsgrössen wie etwa die Winterthur-Versicherung ihre Veranstaltungen durchführen.
Der Pro-Litteris-Anlass wird mit einem lukullischen Buffet enden. Und auch die Zugfahrt ist bezahlt: SBB 2. Klasse. «Weil wir viele arme Mitglieder haben», erklärt Ernst Hefti.
Unsinniger Verwaltungsaufwand
1997 sahen die armen Mitglieder von jedem Franken, den die Pro Litteris aus Fotokopierrechten einnahm, nur 56,3 Rappen. Die Administration schluckte also beinahe die Hälfte der Einnahmen. Berücksichtigt man andere Verwertungsrechte, die ebenfalls bei der Pro Litteris sind, sinkt der Spesensatz auf durchschnittlich 31,8 Prozent – immer noch viermal mehr als bei den ausländischen Gesellschaften.
Hefti hat dafür eine triftige Erklärung: «Das Gesetz.» Anfang der neunziger Jahre hatte das Parlament das Gesetz über die Urheberrechte mit unmöglichen Tarifbestimmungen durchgedrückt – gegen den Willen der Pro Litteris. Seit 1996 muss Ernst Heftis Crew 100'000 Rechnungen jährlich an die Besitzer der Fotokopierer verschicken – ein gewaltiger Verwaltungsaufwand.
Viele klemmen bei den Gebühren
Weil aber manches Baugeschäft eher Lohnabrechnungen oder die Bestellung für 20 Kilo Nägel kopiert als Goethes Oden an die Natur, glänzen viele Schuldner durch Saumseligkeit. «1999 verschickten wir 16'000 Mahnungen», sagt Ernst Hefti. «Deshalb erhalten die Schreibenden dieses Landes so wenig.»
Sehr viel effizienter funktioniert die Rechteverwertung in Deutschland und Österreich: Hier werden die Copyright-Gebühren einmalig erhoben – beim Kauf des Fotokopierers. Entsprechend gering ist der Verwaltungsaufwand.
Gut möglich, dass den Pro-Litteris-Mitgliedern an der diesjährigen Generalversammlung der Kragen platzt. «Solange das Gesetz so ist, können wir wenig machen», beschwichtigt Hefti. Für Opposition ist die Urheberrechtsgesellschaft in seinen Augen die falsche Adresse.
Immerhin kann der Pro-Litteris-Direktor an der diesjährigen GV etwas bessere Zahlen präsentieren: Der Spesensatz für die Fotokopierrechte sank von 43,7 auf 26,1 Prozent. Am Inkassoprinzip und am Verwaltungsaufwand hat sich jedoch nichts geändert; zum besseren Ergebnis führten in erster Linie höhere Einnahmen und gestiegene Wertschriftenerträge.
Erst ein Systemwechsel nach deutschem oder österreichischem Vorbild könnte die Lage ändern. «Doch das wird noch Jahre dauern», sagt Hefti. Bis dahin bleiben die Schreibenden die Leidtragenden.
Der «Schwarze Peter» geht zurück an die Parlamentsmehrheit, die auf Druck des Gewerbeverbands und des Vororts für die komplizierte Inkassolösung entschieden hatte. Die Wirtschaft glaubte, auf diese Weise mehr Gerechtigkeit bei den Urheberrechtsgebühren gewährleisten zu können. Der Entscheid erweist sich heute als Bumerang – nur trifft er nicht das Gewerbe, sondern die Poetinnen und Poeten.
Könnte die Pro Litteris aus Spargründen wenigstens ihre Generalversammlungen in etwas bescheidenerem Rahmen durchführen?
Ernst Hefti runzelt die Stirn: «Das haben wir einmal versucht, da platzte den Mitgliedern wirklich der Kragen.» Wenn schon wenig Geld, dann wenigstens einmal im Jahr einen gefüllten Teller, lautet offenbar die Devise.