Der «schwarze Block» der Tierschützer
Die Tierschutzbewegung wird zunehmend zum Sammelbecken radikaler Gruppen und Einzelkämpfer. Die anerkannten Vereine geben sich unbesorgt - distanzieren sich aber von gewaltbereiten Aktivisten. Diese sind inzwischen ins Visier des Staatsschutzes geraten.
Veröffentlicht am 30. April 2010 - 08:41 Uhr
Sie nennen sich Animal Liberation Hallmarks, Aktion Zirkus ohne Tiere oder Vegan Planet, und es werden immer mehr. Allein im Zürcher «Vegan Café» treffen sich jede Woche 50 bis 80 linksautonome Tierrechtler und -befreier, und in jeder grösseren Stadt existiert eine aktive Gruppe. Ihr Ziel: die Tiere aus den «Klauen der menschlichen Ausbeutung» befreien, egal ob aus Zirkussen, Zoos, Ställen oder den Labors der Pharmaindustrie.
«Die Schweizer Tierrechtsbewegung ist in den letzten Jahren stark gewachsen und organisierter geworden», sagt Bill Müller von der Bewegung Animal Liberation Hallmarks. Derzeit machen die Aktivisten vor allem mit Demonstrationen vor Zirkussen oder Schlachthöfen auf sich aufmerksam. Auf die Frage, ob es in ihren Reihen auch Militante gebe, die aktiv Tiere befreien, schreibt ein Angehöriger der Tierrechtsgruppe Zürich ausweichend: «Solche Menschen gibt es schon lange und wird es immer geben.»
«Höhepunkte» ihres Aktivismus waren der Brandanschlag auf das Jagdhaus von Novartis-Chef Daniel Vasella im Sommer 2009 in Österreich und die Schändung des Grabs von dessen Mutter in Chur. Auch sonst sind die Radikalen seit einigen Jahren ziemlich aktiv: Zwischen Januar 2006 und August 2008 registrierte der Staatsschutz laut «Basler Zeitung» 123 Aktionen und 78 Demonstrationen. Und für 2009 rapportierten die Aktivisten auf der Webseite von ALF selber rund ein Dutzend Aktionen. Besonders radikal ist eine Tessiner Gruppe, die im Dezember 2009 damit gedroht hat, Lebensmittel zu vergiften, und auch schon Zootiere befreit und Lastwagen angezündet hat. «Dass diese Extremen in den Medien immer wieder als ‹Tierschützer› betitelt werden, stört uns», sagt Mark Rissi. Das lasse den gesamten Tierschutz in einem schiefen Licht erscheinen.
Immer wieder für Schlagzeilen sorgt auch Erwin Kessler, Präsident des Vereins gegen Tierfabriken (VgT). Zwar hat er in den letzten Jahren etliche Tierquälereien aufgedeckt und den Konsumenten aufgezeigt, welch katastrophale Zustände in einigen Mastbetrieben herrschen. Doch seine Methoden sind nicht gerade zimperlich: Bauern oder Kleintierzüchter, die aus seiner Sicht gegen das Tierschutzgesetz ver-stossen, stellt er in der Vereinszeitung «VgT-Nachrichten» und im Internet – zum Teil mit Angabe von Adresse und Telefonnummer – zu Hunderten an den Pranger. Die monierten Missstände belegt er mit Fotos und Filmen, die in einigen Fällen ohne Wissen der Kritisierten aufgenommen wurden.
«Erwin Kessler ist sehr sachkundig und hat schon viel erreicht», bescheinigt ihm ein bekannter Tierschützer, der nicht genannt werden will, «aber sein Problem ist seine Aggressivität.» Ein anderer sagt, er kenne kaum jemanden in der Tierschutzszene, der nicht schon von Kessler angegriffen worden sei.
Kessler selber verweigert gegenüber BeobachterNatur jegliche Stellungnahme. Dafür lässt er online verlauten, was er von der jüngsten Aktion der Tierrechtsaktivisten hält. «Hallo, aktive Tierfreunde», heisst es auf Kesslers Homepage: «Kleber ‹Kein Geld für Gewalt an Tieren. Meiden Sie Zoo und Zirkus› beim Zirkus Monti anzubringen, der gar keine Tiere hat, erhöht die Glaubwürdigkeit des Tierschutzes nicht. Bitte auch beim Einsatz für die Tiere das Denken nicht vergessen.»