Beobachter: Herr Cornelius, der Handel mit Kinderpornografie hat während der Corona-Pandemie stark zugenommen. Was hat sich verändert?
Abdelkader Cornelius: Es hat eine gewaltige Professionalisierung und Digitalisierung stattgefunden. Wer bisher in diese Szene gelangen wollte, musste zuerst die im Darknet versteckten Foren finden. Zugang gab es nur, wenn – quasi als Eintritt – eigene Videos und Bilder hochgeladen wurden. Heute gibt es in den Channels der sozialen Medien praktisch keine Hürden mehr. Täter bieten dort kinderpornografisches Material zu extrem geringen Preisen an.

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In welchen sozialen Medien wird kinderpornografisches Material vertrieben?
In erster Linie sind es Channels auf Telegram. Kinderpornografisches Material findet sich aber auch auf Whatsapp, Signal, Threema und Instagram. Bei Telegram ist die Lebensdauer eines kinderpornografischen Channels sehr lang. Bei Whatsapp oder Instagram verschwinden die Angebote dagegen sehr schnell.


Verhalten sich die Täter heute anders als noch vor einigen Jahren?
Für sie ist es heute viel einfacher, über die sozialen Kanäle an neue Kunden zu kommen. Sie müssen niemandem mehr erklären, wie man einen Tor-Browser installiert und im Darknet die versteckten Foren findet. Täter wissen auch, dass Telegram, Signal und Whatsapp heute auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung setzen, und hoffen deshalb, dass damit auch die Ermittlungsarbeiten erschwert werden.


Was können die Ermittler dagegen unternehmen?
Es braucht eine viel engere Zusammenarbeit zwischen Ermittlungsbehörden und Anbietern von Plattformen und Technologien – über alle Landesgrenzen hinweg. Dazu müssen neue Lösungen genutzt werden, um kinderpornografisches Material zu finden. Wir sehen das derzeit am Tatkomplex Bergisch-Gladbach, der in Deutschland hohe Wellen geworfen hat. Dort wurde mit Microsoft und anderen Unternehmen spezielle Software genutzt, die kinderpornografisches Material effektiv detektieren kann. So konnten mehrere Terabyte an Bildern und Videos klassifiziert werden.

«Es ist heute möglich, mit einer normalen Kreditkarte gefahrlos Kinder­porno­grafie zu kaufen.»

Abdelkader Cornelius, Fachexperte für Identifizierung und Bekämpfung von Cyberkriminalität

Wie kaufen die Straftäter heute kinderpornografisches Material?
Das Zahlungsmittel Nummer eins sind digitale Währungen wie Bitcoin oder Monero. Im Gegensatz zu Bitcoin ist Monero schwer nachzuverfolgen. Eine zentrale Rolle spielen Zahlungsanbieter in Staaten, die Rechtshilfeersuchen aus dem Westen meist ignorieren. Deshalb ist es möglich geworden, selbst mit einer normalen Kreditkarte, die auf den eigenen Namen lautet, gefahrlos kinderpornografisches Material zu kaufen.


Wohin geht das Geld?
Es fliesst überwiegend in osteuropäische Länder wie Russland, die Ukraine, Rumänien oder Bulgarien – oder nach Asien und in Offshore-Gebiete. Dort werden Konten mit falschen Daten erstellt und Mittelsmänner zwischengeschaltet. Ungenügende Vorschriften gegen die Geldwäscherei und die fehlende Finanzmarktaufsicht in solchen Ländern ermöglichen eine gefahrlose Zahlungsabwicklung. Dort, wo das Geld hinfliesst, herrscht oft Korruption. Es wird geschmiert auf allen Ebenen, und jeder in der gesamten Kette profitiert. Das ist eine grosse Herausforderung für Ermittler.


Ein aussichtsloser Kampf?
«Follow the money», also der Geldspur zu folgen, ist einer der wichtigsten Ansätze, mit denen man Cyber- und Pädokriminelle verfolgen kann. Ermittler sind nicht nur auf die Kooperation der Ermittlungsbehörden dieser Länder angewiesen, sondern auch auf die Politik, die das Aufklären von Pädokriminellen unterstützen muss.

Zur Person

Abdelkader Cornelius, Fachexperte für Identifizierung und Bekämpfung von Cyberkriminalität

Abdelkader Cornelius ist Fachexperte für die Identifizierung und Bekämpfung von Cyberkriminalität (Threat Intelligence) im deutschsprachigen Raum. Er arbeitet in Berlin für die Cybersecurity-Firma Recorded Future.

Quelle: Privat
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Otto Hostettler, Redaktor
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