Im Schneckentempo zum Breitbandnetz
Die Swisscom trödelt beim Bau ihres Glasfasernetzes. Dabei graben ihr Städte und Gemeinden das Wasser ab: Sie bauen eigene Netze – und ersparen den Bürgern hohe Swisscom-Rechnungen.
Veröffentlicht am 7. Juli 2009 - 10:11 Uhr
«Die Swisscom baut das Netz der Zukunft» der markige Spruch aus der Eigenwerbung klingt gut, beschönigt aber die Realität. Denn die Swisscom hat eben erst damit begonnen, Privatliegenschaften an das ultraschnelle Glasfasernetz anzuschliessen. Kleinlaut muss Swisscom-Sprecher Olaf Schulze zugeben: «Wir dürfen uns keine Illusionen machen, es wird noch Jahre dauern, bis nur schon in den Städten alle Kunden einen Glasfaseranschluss haben werden.» Hochauflösendes Fernsehen, schnelleres Internet, Videofilme zum schnellen Herunterladen bleiben für die meisten Privathaushalte bis auf weiteres ein Wunschtraum.
Für die Swisscom ist das gemächliche Tempo nicht weiter schlimm: «Es gibt heute noch keine Anwendung, die eine solche Bandbreite benötigt.» Doch die Entwicklung der letzten Jahre zeigt eindrücklich: Neue Anwendungen befördern immer grössere Datenmengen durchs Netz, die Internetzugänge werden immer leistungsfähiger. Die Folge davon: Die Datenraten im Internet, also die Geschwindigkeit, verdoppeln sich etwa alle 20 Monate. Erste hochauflösende TV-Programme sind bereits verfügbar. Dass die Schweiz zügig ein Glasfasernetz aufbauen sollte, ist unbestritten.
Doch der Swisscom drängt die Zeit nicht. Das herkömmliche Kupferkabel ist für den nationalen Kommunikationskonzern eine sichere Einnahmequelle. Benutzer bezahlen Monat für Monat eine Grundgebühr fürs Telefon, zusätzlich die Gesprächstarife – und dazu erst noch ein Abonnement für den Internetzugang.
«Die Swisscom hat den Bau des Glasfasernetzes zu den Endkunden verschlafen», sagt Harry Graf, Sprecher des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich, das in Zürich ein eigenes Datennetz baut. Tatsächlich ist die Swisscom arg ins Hintertreffen geraten, was den Ausbau der zukunftsträchtigen Technologie betrifft. Zwar investierte sie ins Glasfasernetz zwischen den grossen Zentren der Schweiz, doch um in Städten und Gemeinden die einzelnen Häuser anzubinden, unternahm sie bisher wenig. Noch schlimmer auf dem Land: In dünner besiedelten Gebieten ist der Ausbau für die Swisscom wenig lukrativ, das Glasfasernetz liegt für viele Liegenschaften unerreichbar fern.
Mehrere Städte haben inzwischen ihre Gemeindewerke oder Energieunternehmen beauftragt, eigene Leitungsnetze zu bauen. Seit das Zürcher Stimmvolk vor zwei Jahren 200 Millionen Franken für den Aufbau eines solchen bewilligt hatte, schlagen laufend weitere Kommunen diesen Weg ein. Darunter Basel, Bern, Genf, St. Gallen und Winterthur, aber auch regionale Zentren wie Burgdorf, Langenthal oder Meilen.
Doch nicht alle Gemeinden besitzen eigene Kabelnetze oder ein Energienetz. Im Kanton Luzern beispielsweise liefert die Axpo-Tochter CKW in fast allen 88 Gemeinden den Strom direkt bis in die Häuser. In Emmen zeigt nun ein Bürgerkomitee auf, dass eine Gemeinde trotzdem ein eigenes Datennetz aufbauen könnte. Eine geradezu ideale Gelegenheit bieten die langfristigen Stromlieferverträge, die zurzeit mit den CKW neu ausgehandelt werden. Dem Komitee schwebt vor, die Stromverteilung in die Gemeinde zurückzunehmen. Mit einem eigenen Unternehmen hätte Emmen Zugang zu den Hausanschlüssen, womit auch ein Glasfasernetz aufgebaut werden könnte. Während das herkömmliche Telefon-Kupferkabel aus physikalischen Gründen nicht mit der Stromleitung zusammen im gleichen Rohr verlegt werden konnte, ist dies beim Glasfaserkabel möglich.
Fachleute halten die Idee des Bürgerkomitees für naheliegend und prüfenswert. Vital Burger, treibende Kraft dieses Komitees, argumentiert vor allem mit den Kosten: «Emmen könnte ein eigenes Glasfasernetz innerhalb von knapp zehn Jahren amortisieren, und die Bevölkerung könnte erst noch von halbierten Preisen für Internet, Fernsehen und Telefon profitieren.» Der Ökonom und Jurist ist überzeugt, dass dann die monatlichen Kosten für Telekommunikation, Internet und Fernsehen in einem Haushalt weniger als 50 Franken betragen würden. Pro Jahr würde jeder Haushalt fast 800 Franken sparen.
Gleichzeitig erhofft sich das Bürgerkomitee massiv günstigere Stromtarife. Tatsächlich kostet heute eine Kilowattstunde im Kanton Luzern 38 Prozent mehr als im Einzugsgebiet der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich. An beiden Orten stammt der Strom vom Axpo-Konzern. Für Burger ist deshalb klar: Die Luzerner könnten jährlich 50 Millionen Franken sparen, wenn sie den Strom zum gleichen Preis erhielten wie die Kunden der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich.
Burger und sein Bürgerkomitee wollen nicht kampflos hinnehmen, dass die CKW demnächst mit 80 Luzerner Landgemeinden für die nächsten 25 Jahre Stromlieferverträge abschliessen. «In den nächsten Jahren stehen technologisch grosse Veränderungen an. Es ist geradezu absurd, wenn sich Gemeinden nun für ein weiteres Vierteljahrhundert an einen Stromlieferanten binden.» Weil er bei der Gemeinderegierung bisher auf wenig Gehör stiess, soll in Emmen das Volk über ein eigenes Stromwerk abstimmen. Mit einem eigenen Stromwerk – er nennt es «Rekommunalisierung» – wäre dann auch der Weg zu einem eigenen Glasfasernetz frei.
Dass selbst kleine Gemeinden ihrer Bevölkerung problemlos einen schnellen und günstigen Internetzugang anbieten können, macht Gaiserwald SG vor: Die Haushalte zahlen schon heute nur noch 33 Franken pro Monat für eine hohe Datenrate von 5000 Kilobit pro Sekunde und 200 digitale TV-Sender. Noch einen Zacken schneller gehts in der Region Langenthal. Für 69 Franken im Monat haben Einwohner einen doppelt so schnellen Zugang zum Netz.
Das Grundversorgungsangebot der Swisscom ist im Vergleich dazu teuer – und vielerorts mehr als zehnmal langsamer. Unter der Bezeichnung «Breitband» verkauft der Kommunikationskonzern eine Datenrate von gemächlichen 600 Kilobit pro Sekunde. Oft ist auch dieser Wert nur theoretisch. In weniger zentralen Gebieten sind Datenraten von 150 Kilobit pro Sekunde keine Seltenheit.