Das Auto und die Zähne lässt man regelmässig auf Mängel checken – «doch die Beziehung erhält nie einen Service», sagt der Luzerner Psychotherapeut Joseph Bendel. Erst wenn es kurz vor zwölf ist, versucht man zu retten, was noch zu retten ist. Geduld hat man in dieser Phase schon längst nicht mehr, und der Partner ist einem fremd geworden: «Das ist der Zeitpunkt, wo von der rosaroten gleich zur pechschwarzen Brille gewechselt wird.»

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Doch selbst dann ist die Beziehung noch nicht dem Untergang geweiht. «Jedem Paar, das bei mir war, habe ich ein Paargespräch nach der Technik von Michael Moeller empfohlen», erzählt Bendel. Moeller begründete 1988 die Methode des Zwiegesprächs. Mit dieser Selbsthilfetechnik soll es Paaren gelingen, gemeinsam an ihrer Kommunikation zu feilen. Das Ziel: den Partner wieder verstehen. Dabei wird das freie Reden und das aktive Zuhören geschult.

Dreimal 15 Minuten genügen

Psychotherapeut Joseph Bendel, 69, hat gemeinsam mit der Psychologin Caroline Fux, bekannt als Sexberaterin beim «Blick», einen Beobachter-Beziehungsratgeber zu dieser Technik geschrieben.

Das Autorenduo hat dazu die Methode einer Verjüngungskur unterzogen und nennt sie «Paar-Date». Statt 90 Minuten reichen nun 45, unterteilt in drei Blöcke à 15 Minuten. Zudem ist der Ablauf benutzerfreundlicher – man kann quasi gleich loslegen. «Wir haben die Methode nicht neu erfunden. Doch es gibt erstmals einen übersichtlichen Ratgeber dazu», sagt Bendel.

«Paar-Date» klingt vergnüglicher, als es ist. Es gilt nämlich, ein strenges Schema zu befolgen: In der ersten Viertelstunde spricht ausschliesslich die eine Person, während der Partner zuhört. Im zweiten Teil werden die Rollen getauscht. Im dritten Teil dürfen dann beide sprechen. «Diese Methode folgt klaren Regeln, die es unbedingt einzuhalten gilt», führt Joseph Bendel aus.

Die Ehe hält seit 45 Jahren

Bendel weiss, wovon er spricht: Er und seine Frau haben anfänglich selbst Paar-Dates nach den Vorgaben Moellers geführt. Mit der Zeit führten die beiden Variationen ein, woraus allmählich die im Buch beschriebene Methode entstand. Dieses Format hat das Paar viele Jahre angewandt. Mit Erfolg: Die Bendels sind seit 45 Jahren glücklich verheiratet. «Wenn die Partner keine 45 Minuten pro Woche für ihre Beziehung aufwenden können, meinen sie es nicht ernst», lautet Bendels Fazit nach 37 Jahren Erfahrung als Paartherapeut.

Es gibt viele Gründe, weshalb sich ein Paar im Wochenrhythmus Zeit für die Beziehungspflege nehmen sollte. Der offensichtlichste: «Durch den bewussten Austausch von Gedanken und Gefühlen versteht man sein Gegenüber besser», sagt Bendel. Es sei nicht aussergewöhnlich, dass einem irgendwann Merkmale am Partner zu stören beginnen, die man zu Beginn noch aufregend und spannend fand. «Doch es ist wichtig, diese Verschiedenheit akzeptieren zu lernen – und nicht gleich aufzugeben.»

Ein Update bringt…

…Gewissheit darüber, wie der Partner tickt
Paare gehen meist davon aus, dass das Gegenüber überall die gleichen Prioritäten setzt und in den kleinen und grossen Fragen gleich denkt. Aber gewisse Dinge müssen Sie aussprechen und die Unterschiede klarmachen.

…mehr Selbsterkenntnis
Wenn Sie über Empfindungen sprechen müssen, werden Sie dazu gezwungen, sich mit den eigenen Emotionen auseinanderzusetzen. So lernen Sie sich und Ihre Gefühle besser kennen.

…Wissen über Veränderungen
Mit den Jahren ändern sich unsere Vorlieben, Interessen und Einstellungen. Was vor zehn Jahren noch toll war, macht vielleicht heute keine Freude mehr. Ihr Lieblingsmensch kann nicht immer alle Veränderungen registrieren. Deshalb tut es gut, diese in Worte zu packen.

…neue Sichtweisen
Durch den Austausch mit dem Partner lernen Sie möglicherweise eine bisher unbekannte Perspektive zu einem Thema kennen.

…mehr Zeit für ungestörtes Reden
Im gehetzten Alltag finden die kleinen Erlebnisse kaum Platz. Durch den bewussten Austausch können Sie nicht nur dem Stress entfliehen, sondern auch Zeit finden, Anekdoten zu erzählen.

…mehr Zeit fürs Zuhören
Das Smartphone immer griffbereit, im Internet stets eine News-Seite offen und mit einem Ohr im Gespräch: Die heutige Zeit verlangt viel Aufmerksamkeit, unsere Sinne sind stets überfordert. Schalten Sie einfach mal wieder ab und hören Sie dem Partner aufmerksam zu.

Nicht aufgegeben haben Simon und seine Frau Alexandra. Dabei ist es Simon zu Beginn schwergefallen, frisch von der Leber weg zu erzählen, wie ein Blick ins Ratgeberbuch zeigt: «Ich muss zugeben: Ich war nie ein Fan des Updates, und es fällt mir auch heute teils immer noch schwer, es durchzuführen. Einerseits ist es für mich eine ziemliche Herausforderung, über mich zu sprechen, anderseits habe ich aber auch öfter Angst, dass ich verletzend wirken könnte», sagt der 44-Jährige. Er und Alexandra, 41, sind seit 16 Jahren zusammen, verheiratet und haben drei Kinder. Die beiden sind eines von sechs Paaren, die im neuen Beobachter-Ratgeber ihre Erfahrungen teilen.

Sich zu regelmässigen Paar-Dates zu bekennen ist die eine Schwierigkeit – es dann auch tatsächlich zu tun die andere: «Es ist wie beim Vorsatz, mit dem Joggen zu beginnen», sagt Co-Autorin Caroline Fux. Dort lässt man sich bekanntlich von den kleinsten Widerständen aus dem Konzept bringen: Mal regnet es, mal ist es zu kalt. Ähnlich beim Paar-Date: Die TV-Fernbedienung ist nah, die Lust auf ein interaktives Abendprogramm gering. «Der Trick ist, den inneren Schweinehund zu überwinden und einfach loszulegen. Ohne Wenn und Aber», sagt Fux. Zu Beginn seien die Gespräche erfahrungsgemäss eher zäh, man müsse seine Form finden. «Der eigentliche Sinn und Zweck des Paar-Date entfaltet sich erst mit der Regelmässigkeit.»

Das bringts nicht...

Es soll nicht diskutiert werden
Beide Partner äussern ihre subjektive Wahrnehmung – die unkommentiert bleiben soll. Das Gegenüber lauscht den Erzählungen ohne Kommentare. Der Raum soll offen sein, um Unterschiedlichkeiten zu erkennen, nicht aber, um das Gegenüber zu überzeugen.

Es lassen sich keine tiefer liegenden Beziehungsprobleme lösen
Zentral sind bei der Gesprächstechnik des Paar-Dates das freie Sprechen und das aktive Zuhören – es geht um individuelle Eindrücke, nicht ums gemeinsam Erlebte.

Für Fux ist es das dritte Ratgeberbuch für die Beobachter-Edition nach «Was Paare stark macht» und «Guter Sex». Schon im ersten Buch hat sie betont, wie wichtig Kommunikation in einer Beziehung ist. «Das ‹Paar-Date› ist nun ein Buch, das konkret in eine Gesprächstechnik einführt.» Der Einstieg ist leicht, und im hinteren Teil gibt es Platz für Gesprächsnotizen.

Caroline Fux hat auch privat Erfahrungen mit dem Paar-Date gesammelt: «Es ist eine Investition in die Beziehung», erklärt die 34-Jährige. Persönlich nehme man viel mit, denn man lerne «einfach mal still zu sein und nur zuzuhören». Klar falle das nicht immer leicht, «gewisse Momente sind halt zum Lachen». Doch mit der Zeit ergebe sich eine neue Dynamik, die einen wertfreien Raum schaffe. Denn in den Gesprächen mache man sich zwar verletzlich, «doch man erhält viel daraus zurück».

Genau diese Erfahrung haben auch Simon und Alexandra gemacht, das Paar aus dem Buch. «Bei aller Herausforderung, die das Update-Gespräch mit sich bringt, sehe ich seine Vorzüge», schildert Simon. «Es tut gut, von meiner Frau zu hören, wie es ihr geht. Wir bleiben miteinander in Kontakt, verbringen Zeit miteinander, machen etwas gemeinsam. Ab und zu lernen wir wieder verborgene Seiten vom anderen kennen.» Das Paar hat die Regeln für sich angepasst: Die Zeiteinheit wurde um je fünf Minuten verkürzt.

Eine Diskussion ist unerwünscht

Von sich aus die Regeln zu ändern ist allerdings heikel. Die Autoren warnen davor, das zu früh zu tun: «Wie bei einem Musikinstrument muss man viel üben, bevor man improvisieren kann», sagt Caroline Fux.

Das Updating richtet sich zudem nicht an Paare in einer akuten Krise – im Fokus stehen erzählen, zuhören und erfahren. «Es wird ganz bewusst nicht nach Lösungsansätzen gesucht», erläutert Fux. Ferner soll keine Diskussion entstehen, vielmehr soll das gegenseitig Erzählte unkommentiert bleiben.

Eine Schwierigkeit, mit der auch Simon und Alexandra zu kämpfen hatten: Insbesondere Alexandra fehlten die Rückmeldungen zu ihren Aussagen. «Es fühlte sich für sie oft an, wie wenn sie an eine Mauer reden würde», wird Simon im Buch zitiert. Mit der Zeit werde es leichter, frei zu erzählen, versichert Autorin Fux.

«Ein regelmässiges Paar-Date ist eine Form von Beziehungsgarantie», sagt Joseph Bendel. Die Gesprächsmethode könne bereits zu friedlichen Zeiten ein Fundament aufbauen, das in allfälligen Krisenzeiten wichtig sei. Caroline Fux verdeutlicht: «Ich gehe ja auch lieber zur Jahreskontrolle beim Zahnarzt als zum Bohren.»

Buchtipp
Das Paar-Date
Das Paar-Date