So teuer können Kampfscheidungen werden
Scheiden geht ins Geld – vor allem, wenn sich Paare im Streit trennen. Ein Fall, der vor dem Bundesgericht landete, zeigt: Sind Gutachter und Gerichte involviert, wirds richtig teuer.
Veröffentlicht am 3. Dezember 2020 - 18:28 Uhr
Was streitende Eltern in ihrem Drang, unbedingt Recht zu bekommen, leicht vergessen: Eine Kampfscheidung kostet – eine Menge. Ist Vermögen da, geht es bei endlosen gerichtlichen Auseinandersetzungen flöten. Gibt es kein Erspartes, bezahlt die Allgemeinheit.
Die Formel ist klar: Je stärker sich die Kontrahenten in ihren Streit verbeissen, je höher die Aktenberge sind, je mehr Entscheide provoziert werden – umso mehr gehts ins Geld. Dreht sich die Spirale jahrelang, sind die auflaufenden Beträge «nach oben offen», wie man in Anwaltskreisen süffisant sagt.
Bei den Kosten einer Scheidung ist wenig fix geregelt. Das zeigt sich schon bei den Gerichtsgebühren. Je nach Kanton variieren die Tarife zwischen 830 Franken in Basel-Stadt und 2600 Franken in Zürich. Und das sind bloss die minimalen Kosten bei einer einvernehmlichen Trennung. Bei einem einseitigen Scheidungsbegehren können sich diese Gebühren leicht verdoppeln oder verdreifachen; im Aargau etwa auf 7700 Franken.
Bei Kampfscheidungen fallen besonders die Anwaltskosten zusätzlich ins Gewicht. Auf dem ganzen Verfahrensweg müssen Anwälte die Positionen ihrer Mandanten in den strittigen Punkten glaubhaft darlegen – das bedingt Aktenstudium in Hülle und Fülle. Bei einem durchschnittlichen Stundenansatz von 200 bis 400 Franken kommt so einiges zusammen. Mit 20'000 Franken muss rechnen, wer ein strittiges Verfahren erstinstanzlich geregelt haben will.
Noch viel teurer wird es, sobald bei einer Trennung weitere Akteure ins Spiel kommen: Gutachter zum Beispiel. In einem Fachbeitrag im «Jusletter» weisen Juristen nach, dass ein familienrechtspsychologischer Bericht zwischen 8000 und 15'000 Franken kostet – mehr als doppelt so viel wie vor 15 Jahren. Gutachten sind ein gutes Geschäft. Der Markt fordert sie und niemand fühlt sich verantwortlich, die Preise zu kontrollieren. Fatal ist diese Kostenexplosion gerade bei strittigen Scheidungen, wenn ein Gutachten ein Gegengutachten auslöst.
Dieses Spiel lässt sich auf die Spitze treiben, wenn man einmal gefällte Urteile an die nächste Instanz weiterzieht. Das zeigt exemplarisch ein aktueller Fall aus dem Bündnerland. Dabei ging es nicht um die Trennung als solche, sondern nur um einen Nebenaspekt: um die Frage, wer für die Kosten eines Erziehungskurses aufkommen soll.
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) hatte den persönlichen Verkehr eines damals dreijährigen Kindes mit seinen getrennten Eltern bis 2016 neu geregelt. Daraus entwickelte sich ein erbitterter Streit um die Erziehungsfähigkeit beider Elternteile. Die Mutter wurde angewiesen, einen «Triple P»-Kurs zu besuchen. Sie zweifelte in der Folge die Unabhängigkeit der involvierten Gutachterin an.
Ergebnis war ein Gang durch die Instanzen, der erst vor dem Bundesgericht endete. Davor lagen fünf Entscheide der Kesb; einzelne Verfahren können bis zu 10'000 Franken kosten. Hinzu kamen drei Gutachterberichte. Die Milchbüechli-Rechnung inklusive Anwaltskosten ist schnell gemacht: deutlich mehr als 100'000 Franken. Darin nicht eingerechnet ist der Aufwand der Mitarbeitenden an Gerichten und in Behörden, um den Wust von Akten zu verarbeiten.
Im August 2020, nach fast vier Jahren Eskalation, wies das Bundesgericht die Beschwerde ab. Der Schlusssatz im Urteil der Richter: «Die Beschwerde war von Anfang an aussichtslos.»
4 Kommentare
Der Fall der KESB Nordbünden ist mir bekannt. Er ist ganz anders, als von Ihnen geschildert: Der Vater, welcher das Kind vor der Trennung nie betreute, beantragte ein ausgedehntes Besuchsrecht und drohte mit Kontaktabbruch, wenn seinen Forderungen nicht sofort nachgekommen würde. Die KESB GR kam legte sodann per Entscheid 2016 für den erst gerade Dreijährigen Übernachtungen beim ihm kaum bekannten Vater in Bern fest. Dies überdies, obwohl ein dringender Verdacht auf sexuelle Handlungen des Vaters bestand - ohne jede Abklärung. Das Kind erlitt unter dem unangemessenen Besuchsrecht schwerste Verlust- und Trennungsängste und machte wiederholt sexualisierte Rollenspiele mit deutlichen Hinweisen auf Handlungen des Vaters. Der begleitende Kinderpsychiater erliess im Juni und September 2017 entsprechende Gefährungsmeldungen an die KESB, in welchen er die KESB dringend aufforderte, das Besuchsrecht anzupassen, um zu verhindern, dass das Kind langfristig in seiner gesunden Entwicklung gefährdet bleibe. Zudem sah er es als notwendig, dass der Verdacht auf sexuelle Handlungen abgeklärt und gegebenenfalls Massnahmen zum Schutz des Kindes erlassen würden. Die KESB reagierte nicht auf die Kindeswohlgefährdung, sondern machte Abklärungen davon abhängig, dass der Vater die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes bestätigen würde und nötigte die Mutter unter Androhung des Kindesentzugs, die angeordneten Besuche trotz Gefährdung des Kindes weiter umzusetzen - blind und ohne jede Abklärung. Der Dreijährige wurde bis zum psychischen Zusammenbruch dem Vater gewaltsam zugeführt. Er erlitt ein schweres Trauma und ist noch heute in Therapie. Nach dem Zusammenbruch durch die Gewalt des Vaters verweigerte der mittlerweile Vierjährige die Besuche zum Vater. Erst dies - die Gefährdung der "Rechte" des Vaters - führte zu einem Gutachten. Der Vater forderte ungeachtet der Tatsachen den Obhutswechsel. Das Gutachten des beauftragten kjp GR fiel vollkommen ungenügend aus - der Vater war in keiner Weise abgeklärt worden, ebenso wenig wie die Gefährdung des Kindes unter dem nicht altersgerechten Besuchsrecht. Die Anwältin der Mutter verweigerte, gegen das Gutachten gerichtlich vorzugehen. Daraufhin machte die Mutter eigenhändig Anzeige beim zuständigen Berufsverband und bekam am 9. September 2020 recht: der Gutachter vom kjp GR wurde der Verletzung der Sorgfaltspflicht schuldig gesprochen. Obwohl das Gutachten den Vater deckte, war er damit nicht zufrieden und kurbelte das Verfahren und den Konflikt weiter an, indem er erneut ein Gutachten beantragte und erneut den Obhutswechsel forderte. Die KESB unterstützte seinen Antrag und gab sofort - ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs! - ein erneutes Gutachten bei einer Berufskollegin des fehlbaren Gutachters in Auftrag. Jener Gutachter hatte der Mutter offen gelegt, dass diese seine Kollegin es schon richten werde: Sie werde sein Gutachten bestätigen und die Fremdplatzierung empfehlen - schliesslich sei die Mutter nach den jahrelangen Verfahren gesundheitlich so angeschlagen, dass sie nicht mehr fürs Kind sorgen könne. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs und die erneute Befangenheit der beauftragten Gutachterin war der Grund, dass die Mutter Beschwerde bis ans Bundesgericht machte. Die Kosten des Triple P Kurses beanstandete sie, weil der Kurs aufgrund des Gefälligkeitsgutachtens und zu Unrecht angeordnet worden war: Sämtliche im Gutachten befragten Fachleute hatten der Mutter eine ausgezeichnete Erziehungsfähigkeit attestiert, allein der Gutachter hatte sie dennoch als "eingeschränkt erziehungsfähig" bezeichnet. Der Triple P Coach bestätigte erneut die ausgezeichnete Erziehungsfähigkeit der Mutter und wandte sich empört persönlich an die KESB mit der Aufforderung, sofort sämtliche Massnahmen einzustellen: Nicht die Mutter sondern das unsachliche Verfahren würden das Kind gefährden. Der Fall ist ein sehr gutes Beispiel für den Irrsinn von Hochkonfliktfällen und dokumentiert einen Punkt, der vergessen ging: Dass die KESB mitunter gravierende Fehler macht und entsprechende, unabhängige Kontrollinstanzen weitgehend fehlen. Sehr richtig wird in Ihrem ausgezeichneten Editorial Remo Largo zitiert: "Das Kind kann nur vermissen, was es vorher erfahren hat - alles andere ist Ideologie". Was hier geschah: Ein Vater verliess Mutter und Kind, als das Kind 12 Monate alt war und hatte sich bis dahin nie mehr als wenige Stunden und stets nur widerwillig um das gemeinsame Kind gekümmert. Das Baby bemerkte die Abwesenheit des Vaters nach der Trennung nicht einmal - so wenig präsent war er gewesen. Die Eltern waren nie verheiratet - der Vater hatte jede gemeinsame Verantwortung abgelehnt. Nach der Trennung forderte er aus heiterem Himmel den Obhutswechsel oder die geteilte Obhut. Er war der Meinung, das Stillkind müsse der Mutter entrissen und ihm zugeführt werden - schliesslich sei er der Vater. Diese absurde Forderung führte zu einem mittlerweile fünf Jahre dauernden Kampf des Vaters, um via Behörde etwas zu erzwingen, was schlicht und einfach nicht umsetzbar, wenn man das "Kindeswohl" auch nur annähernd schützen möchte. Der Fehler liegt einerseits in der Ideologie der Behörde, dass unter allen Umständen eine geteilte Obhut umsetzbar sein müsse und dass Fachwissen und gesunder Menschenverstand nicht in ausreichendem Masse vorhanden sind und klare Richtlinien fehlen. Andererseits auch darin, dass das revidierte Familienrecht sehr offen formuliert ist und die Väter stärkt, so dass narzisstische, psychopathische und pädophile Trennungsväter Strukturen vorfinden, welche leicht zu missbrauchen sind. Es ist unrecht, die Mütter blind unter den Verdacht von "Kampfhennen" zu stellen, wo sie sich lediglich dafür einsetzen, dass Verfahrensrechte eingehalten und der elementare Leitgedanke des revidierten Familienrechts respektiert wird: Dass das Wohl DES KINDES oberste Richtschnur sei! PS: Ich bin übrigens die Mutter im betreffenden Fall und ich und mein Anwalt würden uns sehr freuen, wenn Sie den Fall wenigstens im zweiten Anlauf seriös recherchieren. Er ist hochgradig spannend und äusserst brisant! Sie dürfen mich gerne kontaktieren.
Wenn man die Seite mit dem Artikel "So teuer können Kampfschaidungen werden" empfängt einen zuoberst der Hinweis "getyourlawyer"!! Wenn man in den Fängen eines "Rechtsanwaltes" ist, kann der Prozess (s.Bericht) gegen jede Vernunft sogar vor Bundesgericht enden. Hoch leben die idiotischen und teuren Versprechen gewisser Rechtsanwälte!!
Auch diese Geschichte ist wie (zu) viele Geschichten im Beobachter unerhört. Zuständig für Entscheidungen ist die KESB. Sie drückt sich aber davor und setzt jahrelang ein Kind der gratis, da mittellos prozessierenden Mutter aus. "Rechtsanwälte", "Experten", Besuchsbegleiter und nicht zuletzt die Sachbearbeiter bei der KESB verdienen allesamt auf Staatskosten ihr Geld - je länger verzögert wird umso mehr. Selbst gültige Gerichtsurteile werden weder von der KESB noch vom erziehenden Elternteil umgesetzt. Dass die Kosten ins Unermessliche laufen, trifft lediglich den nicht auf sein Besuchsrecht verzichtenden anderen Elternteil bis zu dessen Bankrott. Dann haben endlich alle Ruhe - bis das Kind in späteren Jahren psychologische oder sogar psychiatrische Hilfe braucht. Aber ein Artikel im Beobachter wird daran überhaupt nichts ändern. Das System versagt in diesem Fall!
Statt Gebühren zu fordern / erhöhen (in 15 Jahren 100%) sollte vielmehr in VERHINDERUNG / Mediation von Scheidungen investiert werden - sparte Kosten & Nerven - & ist, obendrein, zum WOHLE der KINDER - erneut weniger (Folge- &/oder Sozial-)Kosten!
Ausserdem bezahlen wir STEUERN -> Staatsgebühren (Gerichte u.v.a.m., sollten GÜNSTIG sein, nicht unbedingt "kostendeckend" - wir Bürger bezahlen 2 Mal!