Paul und Maja haben einen sechsjährigen Sohn, Noah. Sie trennten sich vor einem halben Jahr, waren sich aber einig: Sie wollen das Kind weiterhin gemeinsam betreuen.

Paul fand in der Nähe eine 2,5-Zimmer-Wohnung. Beide arbeiten seit je Vollzeit, Maja auf selbständiger Basis. Sie machten miteinander ab, dass Paul von Donnerstagmittag bis Samstagabend und einmal pro Monat bis Sonntagabend zu Noah schaut. Maja die restliche Zeit, weil sie zeitlich flexibler ist.

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Das ist «alternierende Obhut»

Das Modell nennt sich alternierende Obhut. Dabei betreuen beide Eltern das Kind mehr oder weniger hälftig. Und müssen beide die Kosten des Kindes tragen.

Anders ist es bei der alleinigen Obhut, bei der das Kind hauptsächlich bei einem Elternteil wohnt, beim anderen nur ab und zu an den Wochenenden und in den Ferien ist. Dieser andere Elternteil muss hier grundsätzlich den gesamten Geldunterhalt des Kindes allein tragen. Die meisten Gerichte sprechen von alternierender Obhut, sobald ein Elternteil mehr als 30 Prozent betreut.

Der Vater traut den Zahlen nicht ganz

Bei der alternierenden Obhut fragt sich also, welcher Elternteil wie viel bezahlen muss. Das wollten auch Maja und Paul wissen und fragten eine Fachstelle an. Diese kam auf 2100 Franken im Monat, die Paul Maja als Kindesunterhalt zu zahlen habe.

Paul wollte von der Sachbearbeiterin genau wissen, wie sie auf den Betrag gekommen sei. Als Banker ist er den Umgang mit Zahlen gewohnt. Mit ihrer Antwort konnte er wenig anfangen. «Ich glaube, die Berechnung des Unterhalts ist auch für diese Fachstelle völlig unklar», sagt er. «Es gibt ja keine Vorgaben, keine offiziellen Berechnungsprogramme.»

«Statt bloss über das Geld streiten wir uns nun auch über Betreuungsstunden.»

Paul, betroffener Vater

Man habe einfach auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit abgestellt, ohne seinen Betreuungsanteil von etwa 36 Prozent zu berücksichtigen. Für ihn geht die Rechnung nicht auf: viel bezahlen aufgrund eines Jobs, der ihn nicht mehr so erfüllt, und seinen Sohn wenig sehen.

Er möchte lieber weniger arbeiten und Noah häufiger betreuen. Und überlegt nun, sich beruflich neu auszurichten, um mehr Zeit zu haben. «Statt bloss über das Geld streiten Maja und ich uns nun auch über Betreuungsstunden», sagt er ziemlich frustriert.

Die Beratungsstelle lässt die Vorwürfe nicht auf sich sitzen: Sie habe ein Berechnungstool und halte sich an die Vorgaben des Bundesgerichts. Die Stellenleiterin räumt aber ein: «Die Berechnung ist komplex und für die Leute manchmal schwierig nachvollziehbar.» Gerade wenn ein Elternteil viel mehr verdiene als der andere, könne es vorkommen, dass er den grössten Teil der Kinderkosten zahlen müsse – obwohl er auch mitbetreut.

Unterhalt berechnen mit Hilfe des Beobachters

In unseren Rechenbeispielen unten stehen alle Details, Schritt für Schritt erklärt, einmal für gleiche Betreuungsanteile, einmal für ungleiche.

Für weitere Fragen von Mitgliedern stehen unsere Fachleute des Beobachter-Beratungszentrums bereit: Telefonnummer 058 510 73 74, Fachbereich Familie, täglich zwischen 9 und 13 Uhr.

Sogar Gerichte sind überfordert

Den Eindruck der Fachstelle bestätigt eine neue Studie, die das Bundesamt für Justiz in Auftrag gegeben hat. Darin wurde die Gerichtspraxis zur alternierenden Obhut analysiert, und Richterinnen und Anwälte wurden befragt.

Es zeigten sich auch hier zwei grosse Konfliktpunkte. Erstens ist die Unterhaltsberechnung zu komplex und intransparent – 16 der 20 interviewten Richter gaben zu, dass sie Schwierigkeiten mit der Unterhaltsberechnung haben. Das Ganze werde immer theoretischer, komplexer, undurchsichtiger und auch untauglich für Laien.

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Zweitens werden Konflikte unter den Eltern dadurch verschärft, dass Betreuung und Unterhaltszahlungen voneinander abhängig sind. «Heute haben wir vermehrt die Situation, dass eine Mutter die alleinige Obhut will, um mehr Unterhalt zu bekommen, oder ein Vater die alternierende Obhut, um weniger zahlen zu müssen», wird ein Richter zitiert. 

Den Kindesunterhalt berechnen, ist kompliziert

Aber warum ist die Rechnerei so kompliziert? Vor allem, weil gemäss Bundesgericht nach einer bestimmten Methode gerechnet werden muss. Dafür muss das sogenannte familienrechtliche Existenzminimum aller Familienmitglieder bestimmt und ihrem Nettoeinkommen gegenübergestellt werden.

Doch das Existenzminimum des Kindes zu berechnen, ist kompliziert. Denn gewisse Kosten wie die für Wohnen und Essen fallen bei beiden Eltern an, andere nur bei einem Elternteil – etwa die Krankenkasse.

Andere Auslagen der Eltern für das Kind wiederum sind nicht in seinem Existenzminimum berücksichtigt, zum Beispiel Ausgaben für Hobbys und Freizeit. Und letztlich muss ein Betrag resultieren, der ein Elternteil dem anderen schuldet – und das unter Berücksichtigung dessen, was er bereits direkt zahlt. Denn es soll nicht zu Zahlungen kreuz und quer kommen.

Mehrere Faktoren müssen berücksichtigt werden

Zusätzlich mathematisch anspruchsvoll ist, dass sich die Höhe des Kindesunterhalts nach den Betreuungsanteilen und der finanziellen Leistungsfähigkeit der Eltern richtet. Das gibt das Bundesgericht vor.

Wenn beide Eltern das Kind das ganze Jahr über mehr oder weniger hälftig betreuen – sprich, beide zu mindestens 46 Prozent –, dann ist die Rechnung noch einigermassen einfach. Dann wird der sogenannte Lebensbedarf des Kindes auf die Eltern proportional zu ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit verteilt.

Mathematisch richtig schwierig wird es, wenn die Eltern nicht gleich viel betreuen – zum Beispiel die Mutter zwischen 30 und 45 Prozent, der Vater in der übrigen Zeit. Dann muss nämlich jeder Elternteil «einen in Abhängigkeit von seinem eigenen Betreuungsanteil und seiner relativen Leistungsfähigkeit stehenden Anteil am gesamten Barunterhalt des Kindes tragen». Wer kann da noch folgen und rechnen, wie das Bundesgericht es verlangt?

Einheitlich ist das nicht

Ebenfalls nicht einfacher wird es dadurch, dass nicht alle Juristinnen und Juristen die Betreuungsanteile der Eltern gleich ausrechnen. Die einen zählen jede Tages- und Nachtstunde, andere teilen den Tag in drei Phasen ein – vor Schulbeginn, während der Schule, nach der Schule. Die einen berücksichtigen die Zeit der Schulferien, andere nicht.

Und wie geht es mit Paul und Maja weiter? Sie sind auf gutem Weg, sich über den Kindesunterhalt zu einigen. Dank der Beratung des Beobachters und den Rechenbeispielen unten haben sie den Unterhaltsbeitrag von Paul miteinander ausgerechnet. Sie kamen zum Schluss, dass Paul Maja etwa 1700 Franken schuldet.

Der Betrag ist zwar gar nicht viel tiefer als die Zahl der Beratungsstelle. Aber Paul kann die Berechnung nachvollziehen und deshalb akzeptieren. So stimmt es für ihn im Moment auch, wie oft Noah bei ihm ist. Nun steht noch die Genehmigung ihres Unterhaltsvertrags durch die Kesb aus.

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So berechnen Sie den Unterhalt selber

Wenn sich Paare trennen und die Obhut über die Kinder teilen, beginnt die grosse Rechnerei zum Kindesunterhalt: Wer schuldet wem wie viel? Werden Sie jetzt Beobachter-Mitglied und erhalten Sie zwei einfache Anleitungen, mit denen Sie den Unterhalt selber bestimmen können.
 

In den beiden Berechnungsbeispielen unten erfahren Sie:
 

  • Wie Sie in wenigen Schritten den Kindesunterhalt festlegen.
  • Welche Ausgaben zum familienrechtlichen Existenzminimum gehören und
  • wer in welchem Umfang dafür aufkommen muss.
  • Wie Sie die Betreuungsanteile berechnen.
  • Wie Sie auf den geschuldeten Barunterhalt kommen.
  • Wie zusätzliche Auslagen für Freizeit verrechnet werden.
Um eine offene Hand befinden sich Münzen, Taschenrechner und Piktogramme einer Frau und eines Mannes. Bei einer Scheidung geht es immer auch um Geld und um die Frage, ob Alimente geschuldet sind. Der Beobachter bietet zu diesem Thema diverse Beratungsangebote, Artikel und Hilfe zur Selbsthilfe
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