Männer, die ewig pubertieren
«Ich bin ein Abenteurer» – wenn der Mann sich nicht engagiert in der Partnerschaft.
Veröffentlicht am 31. Januar 2011 - 09:04 Uhr
Frage von Bianca G.: «Ich habe mich in einen Mann verliebt, mit dem es etwas Ernstes werden könnte. Er ist 27 und sagt, er sei ein Abenteurer, der seit Jahren Single ist und keine Kompromisse mehr macht. Muss ich ihn vergessen, obwohl ich das Gefühl habe, dass etwas zwischen uns existiert, wenn ich ihm in die Augen schaue?»
Wenn Sie wirklich wissen wollen, woran Sie sind, müssen Sie mehr Klarheit schaffen. Dafür braucht es einerseits eine offene Deklaration Ihrer Position und anderseits ein Verständnis für seine Seite. Wobei Verständnis hier nicht Billigung, Einverstandensein meint, sondern, salopp ausgedrückt, lediglich zu erkennen, wie der andere «tickt».
Was genau suchen Sie in oder erwarten Sie von der Beziehung? Was steckt hinter dem Ausdruck «etwas Ernstes»? Möchten Sie etwas aufbauen, was später zu einer Heirat und einer gemeinsamen Familie führt? Wenn Sie Ihre Erwartungen klar ausdrücken, wird seine Reaktion bereits aufschlussreich sein.
Sie sollten ihn überdies direkt fragen, was er seinerseits mit «Abenteurer» genau meint. Denkt er dabei an seine Hobbys, an den Beruf, die Ferien oder daran, immer wieder mit anderen Frauen zusammen zu sein? Was bedeutet es, dass er keine Kompromisse mehr machen will? Etwa, dass er jede Verantwortung scheut und jedes Engagement meidet, oder bedeutet es lediglich, dass ihm Ehrlichkeit wichtig ist?
Es kann durchaus sein, dass es zwischen Ihnen beiden erotisch knistert, obwohl Sie verschiedene Ziele haben. Dann stellt sich allerdings tatsächlich die Frage: Wollen Sie die Verliebtheit geniessen, obwohl nie das daraus werden kann, was eigentlich Ihrem Lebensplan entspricht? Oder ist es klüger, die Beziehung abzubrechen? Nach dem Motto «Besser ein Ende mit Schmerzen als Schmerzen ohne Ende»?
Ihre kurzen Zitate aus der Lebensphilosophie Ihres Partners lassen nämlich vermuten, dass er zu einem neuen Männertyp gehört, der immer mehr Verbreitung findet. Die amerikanische Journalistin Kay Hymowitz hat das Phänomen 2008 analysiert und in einem Zeitungsartikel festgehalten. Sie spricht vom «child-man», vom Kind-Mann.
In den sechziger Jahren sei es normal gewesen, mit 26 einen sicheren Job zu haben, mit einer Frau, die man vielleicht bereits in der Schule kennengelernt habe, verheiratet zu sein, ein Kind zu haben und ein weiteres zu planen sowie nach einer Eigentumswohnung oder einem Haus in einem Vorort Ausschau zu halten. Das hiess erwachsen sein. Die 26-jährigen Männer des 21. Jahrhunderts seien dagegen sehr oft ganz anders: Sie wohnten noch zu Hause bei den Eltern oder mit Kumpels zusammen, verbrächten ihre Freizeit am liebsten mit Kollegen beim Sport, mit Videospielen sowie in Bars und an Wochenend-Partys. Frauen, Kinder und Haus? Soll das ein Scherz sein, würde ihre Reaktion lauten. Die Statistik belegt es: In den USA waren 1970 fast 70 Prozent der 25-jährigen Männer verheiratet, im Jahr 2000 weniger als die Hälfte davon, nämlich 30 Prozent.
In der Schweiz wird die Tendenz ähnlich sein. Der neue Mann, kurz SYM («single young man»), wurde auch von der Werbung entdeckt. Die Zeitschriften «Maxim» oder «FHM», beide in den Neunzigern gegründet, bedienen diesen Männertyp mit Beiträgen über Männermode, Technik, Autos, sogenannten Lifestyle-Themen und erotischen Aufnahmen von prominenten Frauen. Hymowitz meint, das Charakteristische für die SYMs sei, dass sie nicht erwachsen werden wollten, denn durch die Verantwortung und das Engagement für eine Familie werde man(n) es. Sie glaubt, dieser männliche Rückfall in eine verlängerte Pubertät könnte eine Reaktion auf das Erstarken der Frauen sein.
Ich glaube allerdings nicht, dass Panik angesagt ist. Auch die SYMs können ihr Altern nicht aufhalten und sind, wenn auch vielleicht etwas später, doch noch für etwas Solides zu gebrauchen. Wichtig ist es jedoch, auf ein verbreitetes Missverständnis zu achten: Als Paar zusammenleben ist für Frauen meist der Beginn eines Weges, der schliesslich zur Heirat und zu einer Familie führt, für Männer kann es auch ein angenehmes Provisorium sein, das ewig dauern könnte.