Ich verstehe, dass diese Situation Sie quält. Sie sollten Ihre Enttäuschung, Ihre Sehnsucht nach Gesprächen und Körperkontakt möglichst oft thematisieren: Erstens erleichtert Sie das, und zweitens bringt es vielleicht auch Ihren Mann dazu, darüber nachzudenken, ob sich in Ihrer Beziehung etwas ändern sollte.

Es ist kein Naturgesetz, dass Liebe mit den Jahren erkalten muss. Mag sein, dass das drängende Bedürfnis nach sexueller Vereinigung mit der Zeit abnimmt; mag sein, dass man sich nicht mehr so viel zu sagen hat wie früher. Die seelische Bindung aber vertieft sich in aller Regel mit den Jahren. Leider nehmen wir oft nicht die ganze Wirklichkeit wahr, sondern nur die Oberfläche. So realisieren viele den wirklichen Wert der Beziehung erst, wenn sie den Partner verloren haben.

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Obwohl es schön ist, zu spüren, dass wir lieben und geliebt werden, besitzen wir nicht nur eine Seele, sondern auch einen Körper. Der Psychologe Abraham Maslow entwarf eine hierarchisch geordnete Pyramide der menschlichen Bedürfnisse: Sie gipfelt in spirituellen Erfahrungen, an der Basis geht es um Sauerstoff, Nahrung, Wasser, Ruhe – und Sexualität.

Meist denken wir beim Wort Sexualität nur an Geschlechtsverkehr und Orgasmus. Der Psychoanalytiker Sigmund Freud nannte die Triebkraft, die dahinter steht, Libido. Er betonte ihre Macht und Wichtigkeit, definierte sie aber sehr weit. Zärtlichkeit, warmherzige Gefühle, Zuwendung, Freude an der Attraktivität des Partners – all das gehört auch dazu. Und wir haben diese Bedürfnisse nicht nur in jungen Jahren, sondern das ganze Leben lang.

Jeder weiss, dass man Kinder beruhigen kann, indem man sie in den Arm nimmt. Aber auch Erwachsene brauchen Körperkontakt. Oft würde es uns in einer belastenden Situation gut tun, einfach nur wortlos in den Arm genommen zu werden, statt tröstende Worte oder gar Ratschläge zu hören.

Körperkontakt ist wichtig
Auch bei der Begegnung der Geschlechter muss es nicht immer zu einem Koitus oder Orgasmus kommen. Sehr oft fehlen schlicht der Hautkontakt, Wärme, Nähe, Berührung und Zärtlichkeit. Die Medien bauschen Sex im engeren Sinne unablässig auf, weil sich dies gut verkauft. Aber man kann sich darüber hinwegsetzen und mutig vor der Partnerin oder dem Partner dazu stehen, dass man diesmal nur Hautkontakt braucht.

Heute werden sowohl das Bedürfnis nach Körperkontakt als auch der Wunsch nach Geborgenheit unterschätzt. Meist ist die Angst vor Einsamkeit nach einer Trennung viel grösser als der Schmerz über das Zerbrechen der Liebe. Menschen sind Sozialwesen und fürchten nichts so sehr wie Isolation oder Einsamkeit.

Obwohl das Wort Heimat aus der Mode gekommen ist, bin ich überzeugt, dass wir uns alle danach sehnen. Damit ist nicht eine bestimmte Gegend, ein bestimmtes Haus oder eine Nation gemeint. «Heimat ist da, wo man keine Angst haben muss», schrieb der Schriftsteller Peter Bichsel einmal. Meist werden das Menschen sein, in deren Nähe man sich geborgen fühlt.