Frage: Immer wenn es um nackte oder halbnackte Frauen geht, gibt es bei uns Streit. Wenn mein Mann in Schaufenstern, am Fernsehen oder neuerdings auch im Internet etwas Fremdes anschaut, geht bei mir der Laden runter. Oft liege ich schon allein im Bett, während er sich am Fernseher noch Sexfilme anschaut. Ist es denn so, dass sich alle Männer Pornos reinziehen? Und warum brauchen sie das? Laura G.

Wenn man das Angebot nach Pornografie in den verschiedenen Medien sieht, muss man zum Schluss kommen, dass auch die Nachfrage riesig ist. Sie sind auch nicht allein mit Ihrem Problem. Ich erhalte immer wieder Briefe von Frauen, die sehr gekränkt, verletzt und verunsichert sind, weil sie das heimliche Laster ihres Partners entdecken. «Wieso nur?», fragen sie jeweils.

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Darauf gibt es keine eindeutige Antwort, denn Patentrezepte fehlen. Trotzdem versuche ich, die «Pornografiesucht» vieler Männer zu erklären. Aus diversen Workshops zum Thema «Männersexualität» weiss ich, dass sich Männer für ihr Laster eher schämen. Oft wissen sie selber nicht, wieso sie das eigentlich brauchen.

Pornolust: Natur oder Neurose?
Die einfachste Erklärung geht davon aus, dass Männer auf einer animalischen Ebene ganz einfach nicht monogam seien. Die Natur wolle, dass sie ihr Erbmaterial möglichst breit verteilten. Sie würden dadurch von Frau zu Frau treiben – wenn nicht unsere Moral lebenslange Treue forderte. Seelisch hingegen seien die Männer anhänglich, solidarisch und treu, ja vielleicht sogar abhängig von der Lebenspartnerin.

Falls diese These stimmt, toleriert eine weise Frau die «versteckten» Sexheftli, Pornokassetten und Internetausflüge ihres Manns. Am besten nimmt sie in Kauf, dass er einen Teil seiner Sexualität mit diesen Stimuli auslebt. Möglicherweise verliert sie gar nichts dabei; dies aber nur dann, wenn die heimliche Lust nicht die partnerschaftliche verdrängt.

Es ist übrigens möglich, dass es unter anderen gesellschaftlichen Voraussetzungen auch Frauen schätzen würden, die Partner zu wechseln. Jedenfalls haben viele Frauen in dieser Beziehung reiche Fantasien – Studien beweisen dies. Nur pornografisches Material brauchen sie für ihre Fantasien nicht.

Das versteckte «Fantasie-Sexleben» seines Partners kann allerdings nur akzeptieren, wer sich seiner eigenen Attraktivität sicher ist und wer auch auf diesem Gebiet ein gesundes Selbstbewusstsein hat.

Nun die zweite Erklärung: Sie geht davon aus, dass die Sexualität der Männer in unserer Kultur abnormal, neurotisch oder gar krank sei. Schon Sigmund Freud vertrat diese Auffassung in einem Aufsatz mit dem Titel: «Über die allgemeinste Erniedrigung des Liebeslebens». Viele Männer litten unter einer Spaltung ihrer Gefühle für Frauen, behauptete er. Pointiert ausgedrückt: Männer teilen Frauen in «Huren» und «Heilige» ein. Die «Heilige» heiraten sie. Für die animalischen Gefühle aber brauchen sie Frauen, die ein unanständiges, unmoralisches Image haben – beispielsweise Nachtklubtänzerinnen oder Sextelefonistinnen, die den Eindruck machen, als ob sie sich nur für Sex interessierten. Falls das so ist, können die Frauen viel gegen die «Spaltung»ihrer Männer tun: Sie müssen zeigen, dass sie an wilder Lust ebenso interessiert sind wie an Treue, Zärtlichkeit und Geborgenheit.

Die dritte Erklärung: Sie vermutet, dass Männer wegen der unzähligen erotischen Frauenbilder in Werbung und Medien überstimuliert seien und deshalb eine Sexsucht entwickelten.

Und die vierte Erklärung? Männer suchen in der Pornografie etwas, was ihnen fehlt. Vielleicht ist die eheliche Sexualität bei vielen Paaren ja wirklich nicht das, was sie sein könnte: Vor lauter Arbeit, Kinderbetreuung und Freizeitsport bleibt kaum Zeit dafür. Geld und Prestige sind immer noch viel wichtiger als Lust, Lebensqualität und Musse. Oder: Männer und Frauen haben oft zu wenig Mut, einander ihre sexuellen Wünsche mitzuteilen.

Hier liegt vielleicht die Lösung: Paare müssen miteinander reden, eventuell unter Mithilfe eines Therapeuten. Sie sollten den Mut haben, zu ihren erotischen Wünschen und Träumen zu stehen. So können sie lernen, die Sexualität ihres Partners oder ihrer Partnerin besser zu verstehen.